Leitartikel

„Niemals vergessen“

Niemals vergessen

Niemals vergessen

Kopenhagen/Nordschleswig/Berlin
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In der ganzen Welt wurde der Judenverfolgung Nazi-Deutschlands gedacht. Dänemark hat einen neuen Plan gegen den Antisemitismus vorgelegt. Auch 77 Jahre nach Kriegsende müssen die Erinnerungen am Leben gehalten werden, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

Niemals vergessen. Dieser kurze, prägnante Satz bedarf eigentlich keiner Erklärung. Und dennoch ist es auch heute noch, 77 Jahre nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz, dringend notwendig, die Geschichte Nazi-Deutschlands und dessen Grausamkeiten vor Augen zu haben.

In dieser Woche jährte sich der Holocaust-Gedenktag, und weltweit wurde der Opfer des Nazi-Regimes gedacht. Dänemark nutzte die Gelegenheit, einen neuen Handlungsplan gegen den Judenhass vorzustellen.

Der Plan enthält 15 Punkte – darunter mehr Unterricht in den Schulen über den Holocaust und andere Völkermorde, vermehrte Information über das jüdische Leben und die Kultur in Dänemark sowie die Ernennung eines Koordinators zur Bekämpfung des Antisemitismus.

Ein großer Teil der heutigen Hassverbrechen – 2020 wurden in Dänemark über 600 Taten begangen – richten sich gegen Jüdinnen und Juden.

Kein Verbrechen, dafür aber unheimlich dumm, war auch der Kommentar von zwei Lektoren und Impfgegnern an der Copenhagen Business School, die den Corona-Pass mit dem Juden-Pass verglichen hatten.

Es gibt genügend Gründe, nicht zu vergessen. Vor allem, weil es immer weniger Überlebende gibt, die in eigenen Worten über die Übergriffe und Morde an Jüdinnen und Juden berichten können. Die Zeitzeugen sterben uns weg.

Der Bedarf, erinnert zu werden, wie es dazu kam, muss aber weiter am Leben gehalten werden.

Die Deutschen oder gar die deutsche Minderheit in Nordschleswig trifft heute keine Schuld, aber die Deutschen tragen eine Mitverantwortung dafür, dass sich die Gräuel der Vergangenheit nie wiederholen – und auch keinen Nährboden bekommen.

Diese Verantwortung nimmt auch die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig auf sich. Die Schritte sind bekannt: Aus dem Ehrenhain und dem Langbehn-Haus auf dem Knivsberg wurden die heutige Gedenkstätte und das Haus Knivsberg.

Der nächste Schritt ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und die Entwicklung des Knivsbergs in einen historischen Lernort. Denn auch aus Nordschleswig gingen junge Menschen in den Krieg – einige freiwillig, andere mit dem Arm auf den Rücken gedreht. Von vielen blieb in Nordschleswig nur noch die Erinnerung – und der Name auf den Gedenktafeln auf dem Knivsberg.

Was sie erlebt oder gar getan haben, das wollen wir gar nicht wissen, und doch dürfen wir es niemals vergessen.

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