Leitartikel

„Liberaler Hitlergruß“

Liberaler Hitlergruß

Liberaler Hitlergruß

Nordschleswig/Kopenhagen
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Wie kann es nur angehen, dass ein erwachsener Spitzenpolitiker in einer Bar in Kopenhagen „Sieg Heil“ ruft – und sich danach nicht einmal entschuldigt. Chefredakteur Gwyn Nissen wundert sich.

Es gibt nur wenige Dinge, die man in Dänemark – trotz Meinungs- und Redefreiheit – nicht sagen kann oder sollte. Dazu gehören „Sieg Heil“ und andere Parolen, die mit dem Nationalsozialismus verbunden sind. Doch genau diese Worte fielen, als sich sechs Politiker kürzlich in einer Kopenhagener Bar volllaufen ließen – unter ihnen der Parteivorsitzende der Liberalen Allianz, Alex Vanopslagh.

Mindestens zweimal rief die Gruppe laut der Tageszeitung „Politiken“ „Sieg Heil“ und wurde daraufhin von anderen Gästen auf ihre Entgleisung angesprochen.

Der Vorfall in der Toga Vinstue kommt wenige Wochen, nachdem zwei Lektoren an der Copenhagen Business School ihren Platz räumen mussten, weil sie den Corona-Pass mit dem Judenstempel verglichen hatten.

Der Nationalsozialismus hat in der Geschichte so viel Tod und Leid mit sich geführt, dass man damit keine „Späße“ macht. Und schon gar nicht, wenn man als Folketingsmitglied und Parteivorsitzender zu den Hütern unserer Demokratie zählt.

Alex Vanoposlagh und seine politischen Freunde (die anderen am Tisch haben oder hatten Rollen in der rechten Dänischen Volkspartei, bei den Konservativen und in der eigenen Liberalen Allianz) haben erklärt, sie hätten den deutschen Komiker Jonny Buchardt nachgeahmt.

Buchardt hatte 1973 bei einer Vorstellung „hip hip“ gerufen, worauf das Publikum mit „hurra“ antwortete. Abschließend rief der Komiker „Sieg“, und als aus dem Publikum viele mit einem „Heil“ antworteten, ging ein Raunen durch die Versammlung. Diese Szene hätten die politisch aktiven Männer nachgespielt, so die Erklärung.

Mag sein, dass die fast 50 Jahre alte Show von damals faszinierend ist – und erschreckend zugleich –, aber das ist noch lange kein Grund, lauthals „Sieg Heil“ in einer dänischen Bar zu rufen. Buchardt hatte damals eine andere Agenda. Was Vanopslagh und seine Freunde veranstalteten, ist geschichtslos, respektlos und geschmacklos.

Vanopslagh, ansonsten ein redegewandter und talentierter Politiker, hat sich bisher nur schriftlich geäußert und den Hintergrund erklärt. Er hätte seinen „Kopf unter dem Arm“ getragen, so der Politiker. Von einer Entschuldigung aber keine Spur.

Als „Politiken“ noch mal nachhakt, ob es etwas zu entschuldigen gebe, antwortet der 30-jährige Parteivorsitzende: „Es ist bedauerlich, dass ich nicht größere Rücksicht genommen habe – man muss in der Öffentlichkeit immer Rücksicht zeigen, egal wer man ist.“

Alex Vanopslagh scheint immer noch nicht verstanden zu haben, wie sehr er sich danebenbenommen hat, und dass er als Politiker ein Vorbild für andere sein sollte. Er kann von Glück reden, dass er mit seinen Freunden nicht in einer Bar in Flensburg war – in Deutschland ist der Hitlergruß nämlich eine Straftat.

Vielleicht kann Alex Vanopslagh von seinen erwachsenen Kollegen im Folketing eine Nachhilfestunde im Fach Geschichte bekommen. Danach folgt hoffentlich bald eine ernstgemeinte Entschuldigung.

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Cornelius von Tiedemann
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