Ministerwechsel

Analyse: Stephanie, Mia und Morten sollen den Venstre-Karren aus dem Dreck ziehen

Analyse: Stephanie, Mia und Morten sollen Venstre-Karren aus dem Dreck ziehen

Analyse: Stephanie und Mia sollen Venstre retten helfen

Kopenhagen
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Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) hat am Donnerstag Mia Wagner, Morten Dahlin und Stephanie Lose (v.l.) der Königin als neue Ministerinnen und Minister vorgestellt. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Die alte zweite Vorsitzende von Venstre ist auch die neue. Doch Stephanie Loses Rolle wird eine vollkommen andere als bisher. Gemeinsam mit den beiden neuen Ministerkollegen soll sie der Partei ein schärferes Profil verleihen, so die Analyse von Walter Turnowsky.

In der Region Süddänemark war Stephanie Lose die unbestrittene Königin.

Bei den Regionsratswahlen vor zwei Jahren bekam sie fast 150.000 persönliche Stimmen. Die Politiker, die den zweiten, dritte und vierten Platz belegten, erhielten noch nicht einmal zusammen so viele Stimmen – und dies wohlgemerkt, wenn man alle fünf Regionen betrachtet.

Doch so populär die Politikerin aus Lügumkloster (Løgumkloster) in der Region ist, so unauffällig war sie bisher auf der landespolitischen Bühne. Als zweite Vorsitzende von Venstre hatte sie eine zurückgezogene Rolle. Selbst als sie im Frühjahr die Vertretung als Wirtschaftsministerin machte, überließ sie dem jetzigen Vorsitzenden Troels Lund Poulsen die öffentlichkeitswirksamen Auftritte.

Lose erhält viel Einfluss

Das wird sich jetzt ändern. Mit ihrer Ernennung zur Wirtschaftsministerin bekommt sie auch eine vollkommen andere Rolle. Sie wird nämlich nicht nur Ministerin, sondern bekommt auch einen Platz in allen regierungsinternen Ausschüssen – dort, wo die Politik gemacht wird. Lose ist also Teil der absoluten Regierungsspitze.

Bereits von dem Moment an, als Jakob Ellemann-Jensen seinen Rücktritt bekannt gab, war klar, dass der bisherigen Regionspolitikerin eine deutlich prominentere Rolle, als bisher zugedacht war. In der Kampagne für den neuen Parteivorsitz wurden sie und Troels Lund Poulsen als Duo präsentiert.

Das ist kein Zufall. Denn auch, wenn sie wie Lund Poulsen nicht gerade durch übertriebenes Charisma besticht, so hat sie bewiesen, dass sie im Gegensatz zu ihm Stimmen holen kann. Seine persönlichen Stimmzahlen haben bisher niemanden vom Hocker gerissen. Sie muss jetzt beweisen, dass sie es auch landesweit schafft.

Lund Poulsens neue Mannschaft

Doch ganz egal, wie gut Lose ihr Ding macht, wird es nicht reichen. Der Venstre-Karren steckt zu tief im Dreck. Das Wahlergebnis von 13,3 Prozent wurde im vergangenen Jahr als katastrophal bezeichnet. Jetzt liegt die Partei in den Umfragen bei 8 Prozent. Es ist also ein sehr weiter Weg, bis Venstre wieder glaubwürdig Anspruch auf den Staatsministerposten erheben kann.

Das ist auch der Grund, weshalb Lund Poulsen sich nicht mit einem kleinen Ministerwechsel begnügt, sondern eine etwas größere Rochade macht. Im Prinzip hätte er einfach Lose das Wirtschaftsministerium überlassen können, und hätte niemanden enttäuscht. Jetzt hat er gleich zwei Ministerinnen entlassen.

Keine von beiden hat etwas falsch gemacht, doch der neue Chef will mit seiner eigenen Mannschaft antreten. Die Ministerriege von Venstre wirkte bisher ziemlich blass. Kaum jemand wird die sieben Namen nennen können.

Morten Dahlin wird jetzt den ländlichen Raum übernehmen – ein Kernbereich für die Partei, die ihre Wurzeln in der Landwirtschaft hat. Als Fraktionssprecher gehörte er zu den wenigen Venstre-Politikern, die sich im vergangenen Jahr profilieren konnten. Lund Poulsen erwartet von ihm, dass er das auch als Minister leistet. Seine Vorgängerin, Louise Schack Elholm, schaffte es nicht.

Feministin als Gleichstellungsministerin

Die größte Überraschung des Tages ist die Ernennung der Existenzgründerin Mia Wagner zur Digitalisierungs- und Gleichstellungsministerin. Die Quereinsteigerin, die aus der Sendung „Die Höhle der Löwen“ (Løvens Hule) bekannt ist, hat keine politische Erfahrung. Dafür kennt sie sich in der Wirtschaft aus, und sitzt im Vorstand des Wirtschaftsverbandes „Dansk Erhverv“.

2020 gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin „Nordic Female Founders“. Ziel des Unternehmens ist es, die „Diversität bei den dänischen Existenzgründungen“ zu fördern. Denn – Wagner ist erklärte Feministin. Keine Frage also, dass Lund Poulsen sie unter anderem geholt hat, um als Gleichstellungsministerin Diskussionen anzuschieben. Da muss sie dann allerdings in Kauf nehmen, dass sie bislang in puncto Frauenquoten eine andere Meinung vertreten hat als die Partei, der sie vor einer Woche beigetreten ist.

Somit bekommen die drei „Neuen“ je ihre Rolle im Projekt „Wiederauferstehung von Venstre“. Stephanie Lose soll in ihrer sachlichen Art die Parteilinie vermitteln und intern in der Regierung gemeinsam mit Lund Poulsen Venstre-Anliegen durchsetzen. Morten Dahlin soll im ländlichen Raum Stimmen von Inger Støjbergs Dänemarkdemokraten zurückholen. Und Mia Wagner vor allem jüngere liberale Menschen in den Städten ansprechen. Menschen, die zur Liberalen Allianz abgewandert sind.

Das ist zumindest der Plan – ob er aufgeht, steht auf einem anderen Blatt.  

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