Folketing

Drei Abgeordnete berichten von Beleidigungen, Bedrohungen und hohem Arbeitsdruck

Abgeordnete berichten von Beleidigungen, Bedrohungen und hohem Arbeitsdruck

Kehrseite der Politik: Bedrohungen und hoher Arbeitsdruck

Kopenhagen
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Karina Lorentzen, Peter Kofod und Benny Engelbrecht haben Hass und Bedrohungen im Netz erlebt. Foto: Karin Riggelsen, Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix, Walter Turnowsky

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Benny Engelbrecht, Karina Lorentzen Dehnhardt und Peter Kofod fühlen sich privilegiert, als Abgeordnete Einfluss ausüben zu können. Das politische Engagement hat jedoch auch einen Preis in Form von Beschimpfungen und wenig Zeit für die Familie.

Der Haderslebener Peter Kofod von der Dänischen Volkspartei (DF) heißt den „Nordschleswiger“ in seinem Büro willkommen. Er tippt noch schnell ein paar Worte in seinen Laptop.

„Ich finde, wir haben derzeit ganz schön viel um die Ohren“, sagt er.

Der Dank für die viele Arbeit sind immer wieder auch persönliche Angriffe in den sozialen Medien. Kofods sozialdemokratischer Kollege Benny Engelbrecht aus dem Wahlkreis Sonderburg (Sønderborg) hat daher einen Ratschlag an angehende Politikerinnen und Politiker: Haltet eure Familien außen vor.

Hassbescheide

Nachrichten wie „Landesverräterin“ und „Wir wissen, wo du wohnst“ gehören noch zu dem milderen, die Karina Lorentzen Dehnhardt von der Sozialistischen Volkspartei (SF) empfangen hat. Die härteren möchte sie gar nicht zitieren.

„Am Anfang meiner politischen Karriere war ich überrascht über den brutalen Ton in den sozialen Medien. Es hat mir damals zugesetzt“, sagt die dem „Nordschleswiger“.

Ich bin von meiner Frau geschieden, und die Ursache ist eindeutig, dass ich immer geschuftet habe und keine Zeit für meine Familie und die Menschen, die mich umgeben, hatte.

Benny Engelbrecht

Auch der DF-Politiker Kofod kennt den mehr als rauen Ton in den sozialen Medien: „Da gibt es Menschen, die sind ja von allen guten Geistern verlassen und schreiben, ich weiß nicht was.“

Kofod, Engelbrecht und Lorentzen sind liebend gerne und aus Überzeugung Abgeordnete im Folketing. Sie sehen es als Privileg, gestalten und Einfluss nehmen zu können.

Viel Arbeit

Aber es gibt eben auch die Schattenseiten. Dazu zählen sie die langen Arbeitstage, die sie sich zum Teil selbst auferlegen. Es gibt immer noch eine Sache, der man sich annehmen kann; noch eine Anfrage, auf die man reagieren möchte.

„Es kostet im Privatleben. Ich bin von meiner Frau geschieden, und die Ursache ist eindeutig, dass ich immer geschuftet habe und keine Zeit für meine Familie und die Menschen, die mich umgeben, hatte,“ sagt Engelbrecht dem „Nordschleswiger“.

Benny Engelbrecht hat gelernt, seine Zeit besser einzuteilen. Foto: Walter Turnowsky

Auch Lorentzen berichtet von langen Arbeitstagen: „Wir stehen früh auf und gehen spät ins Bett. Ich habe kein gesundes Arbeitsleben.“

Kofod hat, wie eingangs erwähnt, ebenfalls viel um die Ohren: „Gründliche Vorbereitung ist wichtig, um damit umzugehen. Doch vor allem ist es entscheidend, dass ich die volle Unterstützung der Familie habe.“

Engagement als Treibkraft

Es ist das Engagement, das Karina Lorentzen antreibt. Wenn sich Menschen mit sozialen Problemen an sie wenden, lässt sie das nicht los.

„Es gibt so viele unglückliche Menschen, die im System in die Zwickmühle geraten sind. Ich muss gestehen, dass mir solche Fälle wie eh und je zusetzen“, sagt die Politikerin aus Kolding, die im Großkreis Süddänemark gewählt ist.

Karina Lorentzens Engegement bedeutet auch, dass sie die Dinge nur schwer beiseite schieben kann. Foto: Karin Riggelsen

Ihrer Ansicht nach soll das auch so sein. Denn, wie sie sagt, der Tag, an dem die Schicksale sie kaltlassen, ist der Tag, an dem sie sich aus der Politik verabschieden sollte.

„Es motiviert mich ungemein, dafür zu kämpfen, dass die Welt ein klein wenig besser wird. Aber wenn der Urlaub naht, bin ich emotional ausgelaugt. Ich bin nicht gut darin, auf mich selbst aufzupassen“, gesteht Lorentzen.

Kofod sagt, er könne gut abschalten und Politik Politik sein lassen: „Wenn ich nach einem vollgepackten Sitzungstag in meine Folketingswohnung komme, dann schmeiße ich die Füße hoch, denke an nichts oder lese ein Buch. Häufig laufe ich auch eine Runde.“

Die Rolle der Familie

Lorentzen verbringt die sparsame Freizeit mit ihrer Familie. Ihre Freundinnen beschweren sich bisweilen, sie habe zu wenig Zeit für sie.

Kofod bekam im vergangenen Jahr sein erstes Kind. Es hat seine Sicht auf das, was wichtig ist, verändert. „Meine Tochter ist fünf Monate alt und interessiert sich herzlich wenig für Politik“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Für mich war es gut, Vater zu werden. Das ist ein wertvoller Ballast.“

Auch für Benny Engelbrecht bietet die Familie einen Freiraum. Er betont, er habe nach der Scheidung in dieser Beziehung dazugelernt.

„Ich bin glücklich darüber, dass ich jetzt eine sehr liebe Freundin habe, der die Politik so etwas von egal ist. Dafür interessiert sie sich, wie ich, für Musik“, sagt er.

CPR-Nummern veröffentlicht

Womit wir wieder bei seinem Ratschlag in der Einleitung angekommen wären. Er teilt niemals Fotos seiner Freundin oder ihres Kindes. Sie kommt in seiner politischen Arbeit nicht vor. In den 15 Jahren in der Politik hat er auch das gelernt.

„Manchmal erlebt man Unangenehmes, und manchmal erlebt die Familie Unangenehmes. Was das ist, möchte ich hier nicht weiter ausführen, aber es geschieht“, sagt der sozialdemokratische Politiker.

Als Frau habe ich gröbste Schimpfwörter erlebt, die sich auf mein Geschlecht bezogen und mein Aussehen kommentierten.

Karina Lorentzen

Insbesondere während der Corona-Pandemie nahmen die Attacken zu. So hatte aus Wut auf die Maßnahmen der Regierung ein ehemaliger Polizeibeamter die CPR-Nummer von Staatsministerin Mette Frederiksen sowie weiteren sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern geteilt – hierunter auch die von Engelbrecht, der Verkehrsminister war. Der Mann wurde im September vergangenen Jahres unter anderem wegen Schikane und Anstachelung zu einem Verbrechen verurteilt.

„Das war sehr heftig und ausgesprochen unangenehm. Und dabei sind wir hier in Dänemark im Vergleich zu Deutschland noch billig davongekommen“, meint er.

Frauen stärker betroffen

Für Karina Lorentzen ging es in den sozialen Medien besonders heftig zu, während sie Ausländersprecherin der Volkssozialisten war. Und bei ihr kam dann noch eine weitere Komponente dazu.

„Als Frau habe ich gröbste Schimpfwörter erlebt, die sich auf mein Geschlecht bezogen und mein Aussehen kommentierten“, sagt sie.

Es ist etwas unheimlich zu sagen, aber ich glaube, man gewöhnt sich einfach daran. Das ist wohl nicht so sonderlich gesund.

Peter Kofod

Auch Rosa Lund von der Einheitsliste hat die Erfahrung gemacht, dass die Kombination von Frau und Ausländerpolitik besonders widerliche Reaktionen auslöst. Wie sie 2021 dem „Nordschleswiger“ berichtete, ist ihr mit Vergewaltigung und Mord gedroht worden.

„Ich erstarrte“, beschreibt sie ihre Reaktion, als zum ersten Mal eine solche Drohung auf ihrem Handy auftauchte.

Harte Debatte erwünscht – aber ohne Schimpfworte

Kofod hat die Erfahrung gemacht, dass neben der Ausländerdiskussion auch die EU-Debatte die Gemüter überhitzen kann.

„Man darf auf meiner Facebookseite sehr gerne kommentieren, auch wenn man mit mir uneinig ist. Und dann darf man auch mit seinen Meinungen Gas geben. Aber ich habe keine Lust auf Schimpfnamen oder hässliche Kraftausdrücke, dann wird man blockiert.“

Peter Kofod liebt eine harte Debatte. Aber bei Schimpfnamen geht seine Grenze. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Und kommen Drohungen, ist Politik seiner Partei wie auch anderer, dass diese automatisch bei der Polizei angezeigt werden.

Die Gewöhnung

Lorentzen sagt, sie habe mittlerweile gelernt, Beschimpfungen und Drohungen nicht sonderlich ernst zu nehmen. Sie sagt sich, dass es Menschen sind, die Probleme mit sich herumschleppen und deshalb wütend sind.

„Das hilft mir zu vergeben. Wenn ich daran denke, dass es Personen sind, denen es nicht besonders gut geht, dann kann ich besser damit leben“, so die erfahrene SF-Politikerin.

Auch der DF-Abgeordnete hat sich ein dickeres Fell wachsen lassen: „Es ist etwas unheimlich zu sagen, aber ich glaube, man gewöhnt sich einfach daran. Das ist wohl nicht so sonderlich gesund.“

„Ich halte diese Hassbescheide für ein demokratisches Problem. Denn sie können Menschen davon abhalten, sich in einer Debatte zu äußern oder sich politisch zu engagieren“, ergänzt seine Kollegin Lorentzen.

Trotz der negativen Aspekte überwiegen für alle drei die positiven Seiten der politischen Arbeit.

„Die Kehrseiten der Politik haben zu keinem Zeitpunkt bedeutet, dass ich erwogen habe aufzuhören. Ich habe auch beschlossen, erneut zu kandidieren, sofern mein Wahlkreis mich nominieren möchte“, sagt Benny Engelbrecht.

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