Sturmflut 2023

Keine Entschädigung für Sommerhausbesitzer: „Man hat uns richtig mies behandelt“

Keine Entschädigung für Sommerhausbesitzer: „Man hat uns richtig mies behandelt“

Sommerhausbesitzer: „Man hat uns richtig mies behandelt“

Djernis/Diernæs
Zuletzt aktualisiert um:
Fritz Müller musste die Renovierung seines Sommerhauses selbst bezahlen. Foto: Privatfoto

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Jahr der Frustration, Wut und Verzweiflung liegt hinter einigen der 64 Sommerhausbesitzerinnen und -besitzer am Djernisser Strand. Der Naturschadensrat verweigert ihnen eine Entschädigung, weil ihre Häuser angeblich vor einem Deich liegen. Jetzt ziehen sie vor Gericht.

Fritz Müller und seine Frau hatten sich auf die Sturmflut vorbereitet. Bereits Tage davor hatten sie die Warnungen verfolgt, sich Sandsäcke von der Kommune geholt, um damit ihr Sommerhaus am Djernisser Strand (Diernæs Strand) zu sichern. 

Die Nacht der Flut verbrachten sie zwischen Hoffen und Bangen: „Am nächsten Vormittag fuhr ich allein zum Sommerhaus, denn meine Frau hatte nicht die Nerven dazu.“

Als Müller sich näherte, bestätigten sich ihre Befürchtungen. Er konnte nicht bis zu seinem Haus fahren, denn das Gebiet war abgesperrt. Daher ging er das letzte Stück auf einem Pfad, der etwas erhöht hinter dem Sommerhaus vorbeiführt. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er nicht, dass genau diese Erhöhung von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf werden sollte.

 

Das Wasser stand 19 Zentimeter hoch. Foto: Privatfoto

„Obwohl wir versucht hatten, uns mit Sandsäcken zu schützen, standen 19 Zentimeter Wasser im Haus“, sagt der deutsche Nordschleswiger.

Angeblicher Deich verhindert Entschädigung

Das Wasser hatte umfassende Zerstörungen angerichtet: Die Fußböden waren kaputt, die Küche nicht zu retten und die Wände zum Teil durchnässt. Fritz Müller und seine Frau verständigten die Versicherung.

Zunächst schien alles glatt zu laufen: Zwei Gutachter der Versicherung nahmen die Schäden in Augenschein und meinten unmittelbar, dass eine Entschädigung infrage kommen würde.

Bei Naturkatastrophen sind jedoch nicht die einzelnen Versicherungen zuständig, sondern der Naturschadensrat (Naturskaderådet, früher Stormrådet). Und dieser kam auf Grundlage einer Einschätzung der Küstenbehörde zu dem Ergebnis, dass die Erhöhung, auf der Fritz Müller gegangen war, einen Seedeich ausmacht. Und wer vor einem Deich ein Ferienhaus baut, erhält keine Entschädigung. 

Naturskaderådet sieht hier einen Deich. Foto: Privatfoto

„Es war natürlich ein Schock, dass man uns die Entschädigung verweigerte. Wir waren jedoch vorgewarnt, denn wir hatten bereits von Nachbarn gehört, dass man ihnen eine Absage erteilt hatte“, so Müller.

Insgesamt 64 Sommerhausbesitzende am Djernisser und Wilstruper Strand haben mit dieser Begründung eine Absage erhalten. Von ihnen hat niemand den Erdwall als Seedeich aufgefasst. 

Vergeblicher Einspruch

Auf der Karte der Küstenbehörde über Seedeiche war er bis zur Sturmflut nicht eingetragen. Laut der Kommune Hadersleben wurde er nicht zum Schutz vor dem Meer, sondern bei der Trockenlegung des Schliefsees (Slivsø) angelegt.

„In unseren Augen ist das kein Deich“, sagt Verner Christiansen. Er ist der Vorsitzende des Eigentümerverbandes für Djernis (Djernæs Strandby Grundejerforening). 

Er hat in Namen des Verbandes zweimal Einspruch gegen die Entscheidung des Naturskaderåd eingelegt – vergeblich.

„Unsere Möglichkeiten, gegen den Rat Einspruch zu erheben, sind ausgeschöpft“, stellt er ein Jahr nach der Sturmflut frustriert fest.

Wohlwollende Politikerinnen und Politiker

Auch politisch ist der Eigentümerverband aktiv geworden. Er ist zunächst beim Gewerbe- und seither beim Umweltausschuss des Folketings vorstellig geworden. Die Abgeordneten haben wohlwollend zugehört.

„Ich habe zumindest eine gewisse Hoffnung, dass eine Lösung kommt“, sagte Christiansen noch nach dem Besuch beim Umweltausschuss im April

Im April hatte Verner Christiansen (Mitte) noch Hoffnung, dass die Politik eine Lösung für die Sommerhauseigner finden würde. Gemeinsam mit dem Haderslebener Bürgermeister Mads Skau (2. v. l.) und Kommunaldirektor Peter Karm hatte er den Umweltausschuss des Folketings besucht, in dem Peter Kofod (2. v. r.) und Jesper Petersen (r.) vertreten sind. Foto: Walter Turnowsky

Doch selbst Besuche der Politikerinnen und Politiker vor Ort brachten keine Lösung im Sinne der Sommerhausbesitzerinnen und -besitzer. 

Renovierung des Sommerhauses

Trotz der ungeklärten Lage entschlossen sich Fritz Müller und seine Frau, ihr Haus zu renovieren.

„Wir waren sehr im Zweifel und hatten überlegt, es mit Verlust zu verkaufen. Da wir jedoch gerne im Haus sind, haben wir uns entschlossen, es instand zu setzen.“

Seit dem Juni ist das Haus wieder renoviert. Foto: Privatfoto

Das Ehepaar hatte vom Verkauf seines Hauses in Tondern (Tønder) noch etwas Geld übrig, und so können sie das Sommerhaus seit Juni wieder nutzen.

„Eigentlich war das Geld ja für etwas anderes vorgesehen, aber so muss unser alter Kia also noch einige Kilometer mehr schaffen“, meint Müller mit einem ironischen Lachen.

Ganz hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Politik mit rückwirkender Kraft die Regeln oder Gesetze noch ändert. Auch Werner Christiansen möchte Hilfe von der Seite nicht vollkommen ausschließen. 

„Wir sind noch im Dialog mit den Politikerinnen und Politikern, doch bislang ist es von ihrer Seite beim Gerede geblieben“, sagt der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes. 

Gerichtsverfahren

Daher bereitet der Verband auch bereits den nächsten Schritt vor. Er wird den Naturskaderåd verklagen und hat bereits eine Anwaltskanzlei eingeschaltet, die das Verfahren vorbereitet.

„Ungefähr 50 der 64 betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer beteiligen sich an der Klage“, so Christiansen.

Psychische Folgen

Auch die Müllers sind mit dabei. Die Instandsetzung ihres Hauses hat sie ungefähr 400.000 Kronen gekostet. Außerdem hat ihr Haus durch die Sturmflut geschätzt eine halbe Million Kronen an Wert verloren. 

Das Ehepaar Müller hat geschätzt ungefähr eine Million Kronen verloren. Foto: Privatfoto

„Man hat uns richtig mies behandelt, und einigen unserer Nachbarn ist es noch deutlich schlimmer ergangen als uns“, sagt Fritz Müller. 

Er erwähnt eine Frau, die in ihrem Haus gewohnt und durch die Sturmflut ihren Wohnsitz verloren hat. Einigen haben die Unsicherheit und die Auseinandersetzung mit den Behörden psychisch so stark zugesetzt, dass sie eine Depression bekommen haben. In mindestens einem Fall wurde eine Person in die Psychiatrie eingewiesen.

„Es ist unanständig, dass man Menschen in so eine Lage bringt“, sagt Verner Christiansen. 

Und während sie noch für eine Entschädigung kämpfen, bereiten sich die Sommerhausbesitzerinnen und -besitzer am Djernisser und Vilstruper Strand bereits auf die nächste Sturmflut vor. Sie haben eine Vereinigung zum Küstenschutz gebildet. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, aber ein künftiger Deich soll dann vor ihren Häusern stehen. 

Mehr zum Thema Sturmflut 2023:

Alle Artikel aus der Reihe und weitere spannende Schwerpunktthemen gibt es auf unserer Thema-Seite.

Mehr lesen