Deutsche Minderheit

Amanda Lorenzen hat ein ganzes Jahrhundert erlebt

Amanda Lorenzen hat ein ganzes Jahrhundert erlebt

Amanda Lorenzen hat ein ganzes Jahrhundert erlebt

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Woyens/Vojens
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Einen seltenen Geburtstag feiert Amanda Wilhelmine Lorenzen am 1. November. Die Woyenserin wird 100 Jahre alt und gehört somit zu den ältesten Bürgern der Domstadt. Laut Merete Skovgaard-Jensen, Abteilungsleiterin im Sekretariat des Bürgermeisteramtes, lebten Anfang 2019 sechs Hundertjährige in der Kommune Hadersleben. Am 9. Oktober hatte sich die Anzahl der Hundertjährigen auf drei Bürger reduziert. Venstre-Bürgermeister H. P. Geil kündigte an, dass er Amanda Lorenzen an ihrem Ehrentag besuchen wolle. Foto: Karin Riggelsen

Die Woyenserin feiert am 1. November ihren 100. Geburtstag. Als die Jubilarin das Licht der Welt erblickte, war Nordschleswig noch ein Teil von Deutschland. Ihr sind die Jahre wie im Flug vergangen, und sie blickt voller Dankbarkeit auf ein abwechslungsreiches Leben zurück.

Als Amanda Wilhelmine Lorenzen, geborene Bøgh, am 1. November 1919 das Licht der Welt erblickte, war es nur ein knappes Jahr her, seit der Waffenstillstand nach dem Ersten Weltkrieges gefeiert worden war. Die angesetzte Volksabstimmung über den Verlauf der deutsch-dänischen Grenze warf ihre Schatten voraus.  An die Abstimmung im Frühjahr 1920 und die folgende Wiedereingliederung Nordschleswigs an Dänemark, kann Amanda Lorenzen sich freilich nicht erinnern.

Ansonsten lässt ihr Gedächtnis sie selten im Stich, und die betagte Seniorin, die unter den Namen „Manni“ bekannt ist,  plaudert gerne über kleine und große Ereignisse aus ihrem erlebnisreichen Leben. Denn geistig und körperlich ist die 100-Jährige noch außerordentlich fit. Sie antwortet schlagfertig auf Fragen, liest den „Nordschleswiger“, deutsche Zeitschriften und verfolgt viele Sendungen im Fernsehen.

Amanda Lorenzen (l.) am Kaffeetisch mit Schwiegertochter Birgit Lorenzen und Sohn Peter Lorenzen Foto: Karin Riggelsen

Woyenserin fühlt sich wohl in ihren eigenen vier Wänden

Sohn Peter und Schwiegertochter Birgit gesellen sich dazu, als wir Amanda Lorenzen in ihrem gemütlichen Haus im südöstlichen Teil von Woyens besuchen. Bei Kaffee und Kuchen blickt die rüstige Seniorin zurück auf ein abwechslungsreiches Leben, bei dem sie auch viel von der Welt gesehen hat.

Amanda Lorenzen hat keine besondere Erklärung für ihr langes Leben, aber ihre positive Lebenseinstellung spielt gewiss eine wichtige Rolle, meint Sohn Peter Lorenzen. Sie hat auch in schwierigen Zeiten nie ihren Optimismus verloren. Um die Haushaltsführung und den Garten kümmert sich Amanda Lorenzen größtenteils ohne fremde Hilfe. Dennoch schaut täglich Pflegepersonal bei ihr vorbei, denn die Seniorin lässt sich beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen und beim Gang ins Bad helfen.

Neunköpfige Geschwisterschar

Amanda Lorenzen ist die Zweitälteste einer neunköpfigen Geschwisterschar. Bei ihrer Geburt wohnten ihre Eltern, Berta und Marius Bøgh, in Pamhule bei Törning/Tørning. Aufgewachsen ist die rüstige Seniorin aber in Hammeleff/Hammelev. Ihr Vater war als ungelernter Arbeiter unter anderem beim Bau der Hauptstraße (Ribevej) zwischen Woyens und Hadersleben/Haderslev beschäftigt. Sein Talent als Kaufmann brachte der großen Familie ein gutes Zubrot. Mutter Berta, die aus Bad Bramstedt stammte, versorgte den Haushalt. Wann und wie sich ihre Eltern kennenlernten, hat Amanda Lorenzen nie erfahren. Sie weiß jedoch, dass ihr Vater aus der Koldinger Gegend stammt, Soldat im Ersten Weltkrieg war und dass ihr älterer Bruder in Bad Bramstedt geboren wurde.

„Ich war in einer dänischen Schule, denn damals gab es keine deutschen Schulen. Das kam erst später, als meine Geschwister heranwuchsen“, erzählt Amanda Lorenzen. Sie wuchs trotzdem zweisprachig auf, weil ihre Mutter Deutsch sprach. Nach ihrer Konfirmation musste die junge Amanda die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Sie arbeitete in landwirtschaftlichen Haushalten und dem Familienunternehmen Frees in Hadersleben/Haderslev. Die hauswirtschaftlichen Fähigkeiten, wie Kochen, Backen, Nähen und Putzen, lernte Amanda Lorenzen von der Pike auf bei ihrer Mutter, weswegen sie gut gerüstet war für das Berufsleben.

 

Amanda Lorenzen in ihrer Küche Foto: Karin Riggelsen

1947 wird geheiratet

Amanda Lorenzen ist seit 57 Jahren Witwe, ihren verstorbenen Mann Evald Lorenzen heiratete sie 1947. Der gebürtige Mastruper/Marstruper arbeitete als Mechaniker, und das Paar kaufte 1951 das Haus, in dem sie noch immer lebt. „Wir haben 7.000 Kronen dafür gegeben. Das war damals eine ganze Stange Geld, aber es gehörte auch ein großes Grundstück dazu“, sagt Amanda Lorenzen. Zwei Jahre bevor sich Amanda und Evald Lorenzen in Woyens niederließen, wurde ihr Sohn Peter geboren.

„Ich war 13, als mein Vater starb. Er hatte Leukämie und wurde unter anderem im Kopenhagener ,Rigshospital‘ behandelt. Das war eine schwere Zeit, ich habe ihn sehr vermisst. Aber jetzt bin ich dankbar, dass meiner Mutter so viel Lebenszeit geschenkt wurde“, sagt Peter Lorenzen. Der 70-Jährige und seine Frau Birgit leben Tür an Tür mit der Seniorin, denn sie haben vor vielen Jahren auf einem Teil des Grundstücks ein Eigenheim gebaut.

Wenn die Jubilarin sich um die Gartenpflege kümmert, stützt sie sich meistens auf ihren Rollator. Foto: Karin Riggelsen

Von der Schlachterei zu Kürschner Janssen

Nach dem Tod ihres Mannes musste Amanda Lorenzen erneut im Berufsleben Fuß fassen, um sich und ihren Sohn, der nach dem Schulgang in der deutschen Schule in Mölby/Mølby, die Nachschule in Tingleff/Tinglev besuchte, ernähren zu können. Sie arbeitete zunächst als Reinmacheassistentin bei der damaligen Schlachterei in Woyens. Eine Freundin verschaffte ihr dann Arbeit in der Nähstube bei Kürschner Werner Janssen in Hadersleben.

„Ich habe dafür gesorgt, dass sie den Führerschein macht“, erinnert sich Peter Lorenzen. Amanda Lorenzen verabschiedete sich mit 63 Jahren in den Vorruhestand. Die 19 Jahre in der Nähstube, zunächst an der Smedegade und später am Bispebroen, hat die Hundertjährige in allerbester Erinnerung. „Da habe ich mich sehr wohlgefühlt, obwohl immer eine gewisse Distanz blieb zu Werner Janssen, den ich immer gesiezt habe“, sagt Amanda Lorenzen und lacht.

Rentendasein voll auskosten

In den 37 Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben hat Amanda Lorenzen ihr Leben fortlaufend aktiv gestaltet. Ihren Führerschein gab sie erst vor sieben Jahren ab. „Ich hatte noch nie einen Unfall. Deswegen wollte ich aufhören, bevor ich mir etwas zuschulden  kommen lasse“, sagt die energische Seniorin.

Nun bekommt sie Fahrgelegenheit von Sohn und Schwiegertochter und nimmt auch gerne den Fahrdienst von Jette Janne Lizet Nielsen, Familienberaterin des Sozialdienstes Nordschleswig, in Anspruch, wenn sie an den Veranstaltungen in der ehemaligen deutschen Schule in Mölby teilnimmt. Amanda Lorenzen ist Mitglied der deutschen Gemeinschaft, ganz so oft kommt sie aber nicht mehr nach Mölby, denn sie hat einen altersbedingten Hörverlust. „Deswegen feiern wir meine Mutter im Kreis unserer Familie", sagt Peter Lorenzen. Am 2. November  wird bei Sohn und Schwiegertochter im kleinen Kreis weitergefeiert.

Mutter und Sohn-Amanda und Peter sind ein eingespieltes Team und verstehen sich ohne viele Worte. Foto: Karin Riggelsen

 „Peter hat gut auf mich aufgepasst“

Amanda Lorenzen, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter sind ein eingespieltes Team. Genau wie die Jubilarin sich ihres Ehemannes, ihrer Eltern, ihres Schwiegervaters und auch ihres Bruders Martin, der geistig behindert war, angenommen hat, sind Peter und Birgit Lorenzen für sie da. „Wir schauen jeden Tag bei ihr vorbei. Haben wir unsere Enkel zu Besuch, laufen sie auch schnell zu meiner Schwiegermutter. Das ist ein großer Gewinn für sie“, stellt Birgit Lorenzen fest.

„Peter hat gut auf mich aufgepasst. Ich weiß, dass meine Lebensdauer sich dem Ende zuneigt, aber ich bin wunschlos glücklich. Ich habe ein gutes, glückliches Leben gehabt“, stellt Amanda Lorenzen fest. Dass sie noch viel Lebensmut besitzt, verdeutlichen ihre täglichen Beschäftigungen: „Ich stehe um 7 Uhr auf. Beim Frühstück und am Vormittag lese ich dann den ,Nordschleswiger‘, mache Hausarbeit und koche mein Mittagessen“, erzählt sie.

Telefonate mit ihren beiden Geschwistern, Willi in Pattburg und Berta in Woyens, gehören auch zu den Ritualen. Up to date hält sich Amanda Lorenzen auch durchs Fernsehen. „Meine Mutter schaut nur deutsche Sender. Sie ist bestens darüber informiert, was sich in Deutschland regt“, erklärt Peter Lorenzen, der sich auch gerne an die Zeit erinnert, als seine Mutter mit ihm und seiner Frau Urlaubsreisen in aller Herren Länder unternahm. „Als meine Mutter 80 wurde, hat sie einen Ausritt auf einem Kamel gemacht“, verrät Peter Lorenzen.

Amanda Lorenzen gehört zu den ältesten Bürgern der Kommune Hadersleben. Foto: Karin Riggelsen

Im Zeitraffer: 100 Jahre mit Amanda Lorenzen

Amanda Lorenzen erblickte ein Jahr nach dem Waffenstillstand des Ersten Weltkrieges in Pamhule das Licht der Welt. Von der neunköpfigen Geschwisterschar sind nur nach Amanda, ihre Schwester Berta und ihr Bruder Willi am Leben. Drei Brüder kehrten nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Birgit und Peter Lorenzen, der gelernter Möbelpolsterer ist und viele Jahre die Firma, „Lorenzen´s Gulvservice“ führte, haben ihr drei Enkel geschenkt: Carsten ist Zimmerermeister in Woyens, Lene und ihr Mann betreiben ein Servicecenter für Melkanlagen und wohnen in Schottburg/Skodborg. Søren führt seit 2011 die Firma seines Vaters. Zur Familie gehören auch sieben Urenkel.    

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Leserinnenbeitrag

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