Geburtstag

Historiker feiert seinen 75. in einem denkwürdigen Jahr

Historiker feiert seinen 75. in einem denkwürdigen Jahr

Historiker feiert seinen 75. in einem denkwürdigen Jahr

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Hadersleben/Haderslev
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Jørn Buch bereitet sich auf seine „Geburtstagsfahrt" nach Hamburg vor. Foto: Karin Riggelsen

Jørn Buch feilt stetig an seinen beliebten Vortragsreihen. Auch im laufenden Jahr ist der Haderslebener ein gefragter Redner. An seinem Geburtstag gönnt sich Buch eine kurze Auszeit, denn er verbringt seinen Ehrentag in Hamburg, um seiner Familie die Sehenswürdigkeiten der Hansestadt nahezubringen.

Historiker Jørn Buch ist ein populärer Referent. Der aktive Haderslebener wird am 1. Februar 75 Jahre. Das ist für den 2013 pensionierten Lektor der Hochschule „University College Syddanmark“ (UC Syd) in Hadersleben noch lange kein Grund dafür, seine Referententätigkeit zu drosseln. Im 100. Jubiläumsjahr der Grenzziehung von 1920 und dem 100-jährigen Bestehen der deutschen Minderheit hat Buch bislang über 80 Vortragsverpflichtungen in seinem Kalender eingetragen.

Mit den Geburtstagsgästen Hamburg erkunden

„An manchen Tagen habe ich drei Vorträge“, lacht Jørn Buch. Wir besuchen ihn  in seiner Eigentumswohnung in Hafennähe. Die schmucke Wohnung ist seit knapp fünf Jahren sein Zuhause. Am ersten Februar-Wochenende, wenn er seinen halbrunden Geburtstag begeht, lässt sich Buch von seiner Familie in Hamburg feiern. Mit ihm als Reiseleiter werden die etwa 40 geladenen Gäste drei Tage lang die Hansestadt erkunden.

Jørn Buch und seine mittlerweile verstorbene Frau Karen haben vier Kinder großgezogen. „Inzwischen haben sich Schwiegerkinder und fünf Enkel hinzugesellt. Meine Kinder wohnen alle in Kopenhagen“, erzählt Buch. Er schätzt sich glücklich, dass er mit Birgit Basse eine gute Freundin gefunden hat.

Birgit Basse, die in Lügumkloster/Løgumkloster aufgewachsen ist, lernte Jørn Buch erstmals kennen, als er 1967 an der Kommunalschule in Lügumkloster hospitierte. „Damals war Birgit in der 7. Klasse. Wir haben uns aus den Augen verloren, aber vor zweieinhalb Jahren liefen wir uns im Refugium in Lügumkloster über den Weg“, sagt Buch und schmunzelt.

 

Jørn Buch in seiner schmucken Eigentumswohnung in Hafennähe Foto: Karin Riggelsen

2014 ­– ein schreckliches Jahr für die Familie Buch

Eine schwere Lebenssituation ließ Jørn Buch 2015 den Entschluss fassen, seine Villa am Marielystvej in Hadersleben zu verkaufen und eine behindertengerechte und barrierefreie Eigentumswohnung mit Blick auf den Haderslebener Hafen zu kaufen.

Die Buchs mussten 2014 große Einschnitte in ihrem Leben hinnehmen. Jørn Buch erkrankte damals an Prostatakrebs. Aufgrund von Komplikationen bei einer Operation wurde ihm das linke Bein amputiert. Monate später verlor er seine Frau, die 2014 auch an Krebs erkrankte.  Ende 2014 und Anfang 2015 begann für den Haderslebener das Tauziehen um die Rückzahlung von Schmerzensgeld in Gesamthöhe von 270.929,02 Kronen. Das Geld war ihm, wie berichtet, zunächst zuerkannt worden aufgrund der Beinamputation.

Als Buch wegen der Höhe der Summe Beschwerde einlegte, wurde ihm auferlegt, den Betrag zurückzuzahlen. Buch zeigte sich bewundernswert kämpferisch und hatte genügend Kraft, an seiner Forderung festzuhalten. Im März 2018 kam dann von der Region Süddänemark/Region Syddanmark die erlösende Nachricht, die Forderung auf Rückzahlung fallen zu lassen.

Über Fünen und Wittstedt nach Tondern

Obwohl Jørn Buch fest verwurzelt ist im Landesteil, ist er nicht im Grenzland geboren. Buch erblickte in Aarup auf Fünen das Licht der Welt. Dorthin waren seine Eltern, Christian und Jenny Buch, gezogen, weil sein Vater, der während des Zweiten Weltkriegs aktives Mitglied der Widerstandsbewegung war, aus Nordschleswig fliehen mussten.

Als der Krieg zu Ende war, ließ sich das Ehepaar, das aus Groß-Jündewatt/Store Jyndevad und Apenrade/Aabenraa stammte, mit ihrem Erstgeborenen in Wittstedt/Vedsted nieder.

Jørn Buch wurde in Wittstedt eingeschult. An seinem elften Geburtstag begann für ihn und seine Geschwister ein euer Lebensabschnitt in Tondern/Tønder. „Meine Eltern haben die Bäckerei mit Café an der Westerstraße erworben“, erzählt er.

Geschichtsinteresse brachte Buch nach Hadersleben

Sein Abitur machte Buch in der Wiedaustadt. Er hatte sich vorgenommen, Geschichte auf Lehramt zu studieren. Um diese Studienrichtung belegen zu können, wechselte er 1965 an die Hochschule in Hadersleben, die damals als Lehrerseminar ausgerichtet war. Drei Jahre später setzte Buch seine Geschichtsstudien an der Universität in Aarhus fort. Seinen  Universitätsabschluss (cand.phil) machte Buch 1974. Im Februar 1973 kehrte an die Hochschule zurück, wo er zunächst als Studienrat und später als Lektor angestellt war.

Obwohl Buch die Arbeit mit jungen Lehreranwärtern gefiel, entschied er sich 1985 dafür, neue Herausforderungen anzunehmen und bei dem Radiosender Danmarks Radio (DR P4Syd) in Apenrade als Grenzlandmitarbeiter einzusteigen.

„Das war sehr interessant“, sagt Jørn Buch. Anfangs beschäftigte er sich mit Themen, die sich auf die dänische Minderheit in Deutschland und die deutsche Minderheit in Dänemark bezogen. Sein Arbeitsbereich wurde nach und nach erweitert, sodass er sich auch mit nationalen Minderheiten in Europa beschäftigte und an den FUEV-Tagungen (Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen) teilnahm.

Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze

Zu seinen ersten Arbeitsaufgaben bei P4 Syd gehörte die Kontaktaufnahme zu den Minderheiten. Er suchte unter anderem das Gespräch zu Peter Iver Johannsen, dem damaligen Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN).

„Peter Iver Johannsen hat mich mit offenen Armen willkommen geheißen“, erinnert sich Buch, der hinzufügt, dass seiner Ansicht nach die Entspannung im dänisch-deutschen Grenzgebiet Schwung aufnahm, als Johannsen Generalsekretär wurde: „Johannsen ist geradeheraus und herzlich. Jeder wusste, dass ich aus einem dänischen Elternhaus stammte. Zwischen uns stimmte die Chemie aber von Anfang an.“

Obwohl der Mensch von seinem kulturellen Hintergrund geprägt ist, sei es wichtig, so Buch, nicht an alten Normen festzuhalten.

Im Herbst 1993 wurde Jørn Buch zum Vorsitzenden von „Grænseforeningen“ ernannt. Von diesem Posten musste der Haderslebener sich wenige Monate später zurückziehen, nachdem bekannt wurde, dass er bei der Kommunalratswahl im November 1993 sein Kreuz bei der Schleswigschen Partei (SP) setzte. Es waren regionale und nicht nationale Gründe, die ihn zu diesem Schritt bewogen, unterstreicht Buch.

Anfang 1994 verabschiedete sich Buch dann auch von der Arbeit als Grenzlandbeauftragter. Für ihn begann stattdessen die zweite Ära am UC Syd. „Die Zeit beim Radio hatte mich geprägt. Nach meiner Rückkehr gestaltete ich meinen Unterricht ganz anders“, blickt Buch zurück.

Buch hat sich in seiner Wohnung ein Büro eingerichtet. Er verbringt nicht viel Zeit damit, seine Vorträge vorzubereiten. Buch bietet eine lange Reihe von Vorträgen an, die sich mit so verschiedenen Themen wie Erster Welkrieg, China, Mozart, Nordschleswig und Deutschland beschäftigen. Jørn Buch hat auch mehrere Bücher geschrieben. Foto: Karin Riggelsen

Gefragter Referent

Mit der Geschichte des Grenzlandes sei er von Kindheit an groß geworden. Dass Tondern eine Stadt war mit vielen Deutschgesinnten war ihm immer bewusst gewesen. Trotz der dänischen Gesinnung seiner Eltern habe er gute Kameraden in der deutschen Minderheit gefunden. Obwohl ihm die Freundschaften gute Deutschkenntnisse vermittelten, kamen seine Sprachkompetenzen erst in der Zeit als Grenzlandmitarbeiter auf den Prüfstand.

Buch hält auch Vorträge auf Deutsch, und sollte ihm einmal das eine oder andere Wort nicht geläufig sein, sei das auch kein Malheur, weiß er aus Erfahrung. Er hat über 100 verschiedene Vorträge zusammengestellt, aber die meisten Themen sind sinnverwandt, versichert der ehrgeizige Historiker, der aktuell auch an einem Jubiläumsbuch für die Heimvolkshochschule Rønshoved Højskole arbeitet und im Laufe der Jahre etliche Bücher publizierte.

„Synnejysk“ ein Bindeglied

Obwohl in seinem Elternhaus Reichsdänisch gesprochen wurde, setzt sich Buch für den Erhalt von „Synnejysk“ ein, und er spricht den Dialekt so oft es geht. „Mit meinen drei Geschwistern spreche ich immer ,Synnejysk‘. Es ist aber nicht immer, dass sie mir auf ,Synnejysk‘ antworten“, wundert sich Jørn Buch.

Es sei, meint Buch, herrlich, verschiedene Dialekte zu haben, denn ein Dialekt wurzele in der Geschichte eines Landes. Für die deutsche Minderheit spiele „Synnejysk“ eine wichtige Rolle. Während die Mehrheitsbevölkerung sich verstärkt nach außen auf andere Teile des Landes orientiere, empfindet Buch die Mitglieder der deutschen Minderheit als heimatverbundener.

Nach vorne schauen

„Ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden. Man muss nach vorne schauen. Daran, was passiert ist, kann ich nichts ändern. Ich habe ein gutes Leben“, unterstreicht Jørn Buch, der trotz der Beinamputation und chronischer Phantomschmerzen noch viele Reisen unternimmt. Seine Tätigkeit als Reiseleiter zu historischen Stätten im In- und Ausland stellte er allerdings vor einigen Jahren ein. 

Jørn Buch hat Abschied genommen von seinen Reiseaktivitäten mit Gruppen. Privat ist er aber noch oft und gern unterwegs, um sich inspirieren zu lassen für neue, interessante Vortragsreihen. Foto: Karin Riggelsen
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