Deutsche Bücherei Hadersleben

Ein Stück Minderheiten-Geschichte am Aastrupvej

Ein Stück Minderheiten-Geschichte am Aastrupvej

Ein Stück Minderheiten-Geschichte am Aastrupvej

Hadersleben/Haderslev
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Das weiße Haus am Aastrupvej 9, das heute die Deutsche Bücherei Hadersleben beherbergt, hat eine lebendige Geschichte (Archivfoto). Foto: Annika Zepke

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Seit mehr als 60 Jahren ist das weiße Haus am Aastrupvej 9 das Zuhause der deutschen Bücherei in Hadersleben. Doch nicht immer wurde das Gebäude als Bibliothek genutzt. „Der Nordschleswiger“ hat sich mit Peter Erichsen und Büchereileiterin Monika Knutzen getroffen und mehr über die Vergangenheit des Hauses erfahren.

Wenn Peter Erichsen das weiße Gebäude am Aastrupvej 9 betritt, dann stattet er nicht nur der Deutschen Bücherei Hadersleben einen Besuch ab, sondern begibt sich zugleich auf eine Reise in die Vergangenheit.

Denn schon vor 71 Jahren hat Erichsen dort seine Nase in die Bücher gesteckt – wenngleich als Schüler und nicht als Büchereikunde. „Die deutsche Schule zog in das Gebäude ein, kurz nachdem ich eingeschult worden bin. Das muss 1951 gewesen sein“, erinnert sich der Arzt im Ruhestand, als „Der Nordschleswiger“ sich mit ihm zum Gespräch in der deutschen Bücherei in Hadersleben trifft.

Früher posierte Peter Erichsen auf der Treppe zum Eingang des Hauses für das Schulfoto, knapp 70 Jahre später steht er bei einem Rundgang mit dem „Nordschleswiger“ vor der Treppe Model. Foto: Annika Zepke

Neustart nach dem Krieg

Nach der Kapitulation Deutschlands hatte man in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in kleinen Schritten mit dem Wiederaufbau der deutschen Institutionen begonnen. Anfangs noch mit wenigen Schülerinnen und Schülern über mehrere Klassen verteilt, nahm die Schule ihren Unterrichtsbetrieb in der Nachkriegszeit zunächst in gemieteten Räumlichkeiten auf.

„Der Anfang meiner Schulzeit fand noch in der Technischen Schule am Lembckesvej statt“, erzählt Peter Erichsen. Doch schon bald bezog die deutsche Schule ihr eigenes Quartier am Aastrupvej. „1951 wurde diese Villa hier in Gebrauch genommen“, sagt der ehemalige DSH-Schüler und deutet auf das Gebäude, in dem er sich befindet.

Fräulein Simonsen, eine nette ältere Dame, wie Erichsen betont, die im ersten Stock des Hauses wohnte und selbst der deutschen Minderheit angehörte, hatte der Schule damals Einzug gewährt. „Aber wie genau das zustande kam, kann ich gar nicht mehr erinnern. Wir haben Fräulein Simonsen auf jeden Fall immer nett gegrüßt. Ansonsten merkte man nicht viel von ihr.“

Als das Haus am Aastrupvej als Schule diente, war der Garten zweigeteilt: Im hinteren Teil hatte Fräulein Simonsen ihren Gemüsegarten, der später auch als Schulgarten genutzt wurde. Im vorderen Teil, der heute gepflastert ist und als Parkplatz dient, konnten die Kinder im Schatten eines großen Apfelbaumes Pausenspiele spielen. Foto: Annika Zepke

Gleiches Haus, anderer Look

Wo heute Bücher, Spielsachen und andere Medien die Räume füllen, befanden sich vor gut 70 Jahren noch Klassenzimmer. Dabei sah vieles jedoch anders aus, meint der Haderslebener. Vom heutigen Lesesaal beispielsweise führte eine Tür in den benachbarten Raum, wo derzeitig Ratgeber und andere Erwachsenen-Lektüre ausgestellt ist. „Hier wurden die dritte und vierte Klasse unterrichtet“, so der 77-Jährige.

Auch die Raumaufteilung des Gebäudes sei früher eine andere gewesen, sind sich Peter Erichsen und die heutige Herrin des Hauses, Büchereileiterin Monika Knutzen, einig. Davon zeugen nicht nur zugemauerte Fenster und die eine oder andere Pappwand. Auch feine Risse in der Wand lassen darauf schließen, dass sich hinter dem Bücherregal von heute einst eine Klassenzimmertür befand.

Doch nicht nur die Türen im Gebäude waren anders verteilt, auch der Eingang war ein anderer als der, den die heutigen Nutzerinnen und Nutzer der Bücherei gewohnt sind. In den 1950er Jahren sind Schulkinder wie Lehrkräfte noch über den kleinen Treppenaufgang an der Westseite des Hauses ins Gebäude gelangt, berichtet Erichsen. Der gläserne Anbau, durch den man heute die Bücherei betritt, kam erst später.

Mitte der 1950 Jahre wurde der heutige Lesesaal um eine kleine Empore erweitert. Fortan war der Saal nicht nur das Klassenzimmer der 6. Klasse, sondern auch Probenraum für den Chor der deutschen Minderheit. Foto: Annika Zepke

Eine große Errungenschaft

„Es ist viel passiert über die Jahrzehnte“, stellt Peter Erichsen fest und verweist auf eine weitere Neuerung: den Lokus. Denn wer damals auf die Toilette musste, konnte nicht einfach das stille Örtchen im Haus aufsuchen. „Die Toiletten befanden sich im Fahrradschuppen im Hof“, erklärt Peter Erichsen. „Es waren einfache Verhältnisse.“

Umso erfreuter seien sie damals gewesen, als ihnen Mitte der 1950er Jahre der heutige Lesesaal als Klassenzimmer zur Verfügung gestellt wurde. Und damit nicht genug: „Wie alles im Leben wurde auch dieses Gebäude ausgebaut“, sagt der ehemalige Schüler. Etwa 1955 seien die Bauarbeiten in Angriff genommen und der Lesesaal um eine Empore an der Ostseite des Gebäudes erweitert worden.

„Das war eine große Errungenschaft, dieser Saal. Mit dem wunderschönen Parkett und der Empore“, so Erichsen. Zu Weihnachten haben er und seine Mitschülerinnen und Mitschüler dort Theaterstücke aufgeführt, und auch der Musikverein habe schon bald Einzug in den Saal gehalten, um dort zu proben.

Über die Jahre hat sich an dem alten Gebäude einiges verändert: Einige Fenster wurden zugemauert, Wände neu gezogen und auch einen Anbau gab es für das Haus. Durch ihn gelangen die Leserinnen und Leser heute in die Bücherei. Foto: Annika Zepke

„Während Apotheker Hansen Klavier gespielt hat, stand der Chor auf der Empore, und Herr Michalik, der Musiklehrer, stand im Raum und dirigierte“, erzählt Peter Erichsen. Noch heute ziert ein Klavier den Lesesaal und erinnert an die musikalische Vergangenheit des Raumes.

Fortschritte

Die Proben des Chores der deutschen Minderheit sind auch Monika Knutzen in lebendiger Erinnerung geblieben. Zwar sei sie nicht am Aastrupvej zur Schule gegangen, dafür habe sie in dem Gebäude als Bücherkind angeheuert, nachdem das Haus Ende der 1950er Jahre zur Bücherei umfunktioniert wurde, erzählt die Büchereileiterin: „Damals war der Saal ausschließlich dem Chor vorbehalten. Wir durften dort gar nicht einfach so rein.“

Heute ist das anders. Heute tobt dort das Leben, wenn die Unterstufe der Deutschen Schule Hadersleben zu Besuch kommt oder lesefreudige Kinder sich ihre nächste Lektüre aussuchen. Auch Peter Erichsen kommt gerne in die Bücherei am Aastrupvej: „Das ist ein heimatliches Gefühl. Da werden die Erinnerungen wach, und dann sieht man sie alle; die, die da waren und nicht mehr da sind, und ist dankbar, dass man so viel Fortschritt erleben durfte.“

Vieles hat sich verändert in dem weißen Haus am Aastrupvej. Die einstigen Klassenzimmer sind zu Büchereiräumen umgestaltet worden. Doch noch immer verspürt Peter Erichsen ein heimatliches Gefühl, wenn er das ehemalige Schulgebäude betritt. Foto: Annika Zepke

Platzmangel schon damals ein Problem

Den wohl bislang größten Fortschritt machte die Schule 1959, als sie in das neue Gebäude am Ryes Møllevej umzog. Bereits zuvor hatte der Unterricht für die Mittelstufe ausgelagert werden müssen, weil das weiße Haus am Aastrupvej der wachsenden Schülerschaft nicht mehr gerecht werden konnte. „Die siebte, achte und neunte Klasse haben wir wieder in der Technischen Schule verbracht, die wir ja schon von unserer Einschulung kannten“, erzählt Erichsen.

Mit dem Umzug der Schule in den Süden der Stadt wurde nicht nur den Platzproblemen ein Ende bereitet. Am Aastrupvej brach zugleich eine neue Ära an: das Büchereizeitalter. „Unsere ganze Minderheiten-Geschichte ist so gesehen durch dieses Haus gegangen“, resümiert Erichsen, „und tut es noch heute.“

Neue Zeiten brechen an

Wie lange das allerdings noch der Fall sein wird, ist fraglich: Auf der jüngsten Generalversammlung des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig hatte dessen Vorsitzender Peter Asmussen bekannt gegeben, dass in Hadersleben derzeit die Möglichkeit eines neuen Bücherei-Standortes diskutiert werde. Im Gespräch sei der Umzug der deutschen Bücherei vom Aastrupvej in das Kulturhaus Bispen, wo auch die dänische Bibliothek untergebracht ist.

Wie im Sonderburger Multikulturhaus, das dem Vorhaben in Hadersleben als Vorbild dient, würde die deutsche Bücherei im Bispen eine eigene Einheit bilden. Ein deutsch-dänisches Bibliotheksgebäude würde der Minderheit in Hadersleben jedoch zu mehr Präsenz verhelfen, erklärte Asmussen. Noch sei allerdings nichts entschieden. Erst einmal würden alle Möglichkeiten untersucht.   

Dieser Artikel wurde zuletzt am 17. Mai um 12.30 Uhr um die letzten beiden Absätze ergänzt.

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