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Zurück nach Nordschleswig – mit der eigenen Familie

Zurück nach Nordschleswig – mit der eigenen Familie

Zurück nach Nordschleswig – mit der eigenen Familie

Hadersleben/Haderslev
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Niklas Freiberg Nissen ist in der deutschen Minderheit aufgewachsen und ging zum Studieren nach Kopenhagen. Im vergangenen Jahr kehrte er zusammen mit seiner Lebensgefährtin zurück nach Nordschleswig. Das Paar wohnt in Hadersleben. Foto: Annika Zepke

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Viele junge Leute kehren Nordschleswig nach ihrem Schulabschluss den Rücken und stürzen sich in Kopenhagen, Aarhus und anderen Großstädten ins Getümmel. Einige kehren jedoch nach einer Weile zurück nach Nordschleswig. Was bewegt sie zu dieser Entscheidung? „Der Nordschleswiger“ hat mit zwei „Rückkehrern“ über ihre Beweggründe gesprochen.

Es ist ein typisches Szenario: deutscher Kindergarten, deutsche Schule, deutsches Gymnasium und dann zum Studium ab in die Großstadt. Viele junge Leute, die in der deutschen Minderheit in Nordschleswig aufgewachsen sind, haben diesen Weg gewählt.

Auch Johanna Løhde Nielsen und Niklas Freiberg Nissen haben nach dem Ende ihrer Schullaufbahn Nordschleswig den Rücken gekehrt und sind zum Studieren nach Aarhus beziehungsweise Kopenhagen gegangen.

Für die Familiengründung zurück nach Nordschleswig

Nach einigen Jahren in der Großstadt hat es die beiden gebürtigen Tingleffer mit ihren Familien nun wieder nach Nordschleswig verschlagen. „Unser Umzug war weder ganz spontan noch sonderlich geplant“, erzählt Johanna Løhde Nielsen, die mit ihrer Familie seit 2017 in Hadersleben wohnt.

Johanna und Rasmus Løhde Nielsen wohnen seit 2017 in Hadersleben. Für die beiden Musiker, die beruflich im ganz Dänemark tätig sind, war eine zentrale Lage ausschlaggebend bei der Wahl ihres Wohnortes. (Archivfoto) Foto: Karin Riggelsen

Ausschlaggebend für ihren Entschluss sei jedoch die Geburt ihres Sohnes gewesen, meint Løhde Nielsen: „Wir haben damals noch bei Odder gewohnt, und bis zu meinen Eltern, die einen Hof bei Tingleff haben, und zu den Eltern meines Mannes, der aus der Vejle-Gegend kommt, war es immer ein weiter Weg. Wir wussten daher, dass es für uns wieder weiter südlich gehen soll.“

Hadersleben macht das Rennen

Dass die Entscheidung auf Hadersleben gefallen ist, sei jedoch einer Mischung aus Zufall und Pragmatismus geschuldet, erklärt die 31-Jährige, die am Musikkonservatorium in Aarhus Gesang studiert hat und heute als Sängerin, Chorleiterin und Musiklehrerin arbeitet.

Ich selbst hatte eine gute Kindheit in den deutschen Einrichtungen und auch den Wunsch, dass meine Kinder die deutsche Sprache beherrschen, aber mein Mann kommt nicht aus der Minderheit. Unsere Familiensprache ist Dänisch, deshalb wollte ich ihm das auf keinen Fall aufzwängen.

Johanna Løhde Nielsen

„Mein Mann hatte kurz vorher eine Stelle an der Musikschule in Hadersleben angeboten bekommen, und ich wollte zwar gerne nach Nordschleswig zurück, aber für mich war es wichtig, dass es entweder Hadersleben oder Sonderburg wird“, so Løhde Nielsen. Die beiden Städte hätten kulturmäßig am meisten zu bieten, was für sie und ihren Mann Rasmus Løhde Nielsen, der ebenfalls in der Kulturbranche tätig ist, essenziell sei.

Wegen ihrer zentraleren Lage sei die Entscheidung schließlich auf die Domstadt gefallen, so die Sängerin. Seit gut viereinhalb Jahren wohnt die vierköpfige Familie mittlerweile in Hadersleben, und die beiden Söhne Anton und Jon haben sich im örtlichen deutschen Kindergarten gut eingelebt.

Keine Selbstverständlichkeit

Ihre Kinder in die Bildungseinrichtungen der deutschen Minderheit zu schicken, war für Johanna Løhde Nielsen jedoch keine Selbstverständlichkeit, wie sie verrät: „Ich selbst hatte eine gute Kindheit in den deutschen Einrichtungen und auch den Wunsch, dass meine Kinder die deutsche Sprache beherrschen, aber mein Mann kommt nicht aus der Minderheit. Unsere Familiensprache ist Dänisch, deshalb wollte ich ihm das auf keinen Fall aufzwängen. Er sollte sich nicht außen vor gelassen fühlen.“

Johanna Løhde Nielsen ist in Tingleff aufgewachsen und ging nach dem Abitur nach Aarhus, wo sie am Musikkonservatorium Gesang studierte. (Archivfoto) Foto: Karin Riggelsen

Die kleinen Gruppengrößen und der gute Ruf des Kindergartens haben ihren Mann jedoch schnell überzeugt, meint die Nordschleswigerin: „Inzwischen ist er auch sehr stolz, dass seine Kinder zwei Sprachen sprechen.“

Schwierige Entscheidung

Während Familie Løhde Nielsen in Sachen Kindergarten bereits eine Lösung gefunden hat, die zu ihnen passt, steht Niklas Freiberg Nissen und seiner Freundin diese Frage noch bevor. Der 27-Jährige und seine Lebensgefährtin, die in Thisted aufgewachsen ist, sind im Dezember vergangenen Jahres von Kopenhagen nach Hadersleben gezogen und erwarten in wenigen Wochen ihr erstes Kind.

Wir sind unter anderem hergezogen, damit unsere Kinder die Möglichkeit haben, mit zwei Kulturen aufzuwachsen.

Niklas Freiberg Nissen

„Wir wollten beide zurück nach Jütland“, so Freiberg Nissen. Eigentlich hatte das Paar mit der Alsenmetropole Sonderburg (Sønderborg) als neuen Heimathafen geliebäugelt, doch aufgrund der zusätzlichen Fahrtzeit von Alsen nach Jütland haben sie diese Pläne schnell wieder verworfen, erklärt Niklas Freiberg Nissen.

Grenzland lockt mit Zweisprachigkeit

Auch bei ihnen habe der Gedanke an die eigene Familienplanung eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, nach Nordschleswig (zurück) zu ziehen, gespielt, so der 27-jährige Bauplaner (bygningskonstruktør), der bei einer Ingenieurberatungsfirma in Nivå angestellt ist und seit seinem Umzug in die Domstadt wahlweise aus dem Homeoffice oder von seinem Büro in Vejle aus arbeitet.

Obwohl er im Alltag nicht oft Deutsch spricht, sei es ihm wichtig, seinen Kindern ein zweisprachiges Aufwachsen zu ermöglichen, meint Niklas Freiberg Nissen: „Wir sind unter anderem hergezogen, damit unsere Kinder die Möglichkeit haben, mit zwei Kulturen aufzuwachsen.“ Er selbst ist ebenfalls in der deutschen Minderheit in Tingleff aufgewachsen, hat dort die deutsche Schule und anschließend das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa) besucht.

Niklas Freiberg Nissen möchte, dass seine Kinder die Möglichkeit haben, zweisprachig aufzuwachsen. Foto: Annika Zepke

Optionen offen halten

Ob sein Kind auch die deutschen Einrichtungen besuchen wird, sei aber noch nicht entschieden, sagt der gebürtige Nordschleswiger: „Meine Freundin spricht nur wenig Deutsch und hat etwas Angst, nicht allem folgen zu können, was bei Elternabenden besprochen oder später bei den Hausaufgaben der Kinder abgefragt wird.“

Bis sie in dieser Sache eine Entscheidung treffen müssen, bleibt den beiden aber noch etwas Zeit, wie Niklas Freiberg Nissen anmerkt. Im Deutschen Kindergarten Hadersleben werden sie ihr Kind nach der Geburt dennoch anmelden: „Dann haben wir zumindest die Möglichkeit, wenn die Frage für uns relevant wird.“

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