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„Literarische Grenzvermessungen“

Literarische Grenzvermessungen

Literarische Grenzvermessungen

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Knud Romer, Feridun Zaimoglu und andere namhafte Autorinnen und Autoren haben sich Gedanken über das Thema Grenzen gemacht. Herausgekommen ist ein „ganz wunderbares kleines Buch“ auf Deutsch und Dänisch, wie die nordschleswigsche Büchereidirektorin Claudia Knauer findet.

Knud Romer gehört zu den Autorinnen und Autoren in den „Literarischen Grenzvermessungen“ (Archivfoto). Foto: Cornelius von Tiedemann

2020 ist zwar schon eine Weile Geschichte, aber noch ist nicht alles vorbei. Jüngst ist ein ganz wunderbares kleines Buch – „Literarische Grenzvermessungen – Litterære grænseundersøgelser“ im Wachholtz-Verlag erschienen, das dank einiger Übersetzerinnen und Übersetzer zu einem Buch für Leserinnen und Leser auf beiden Seiten der Grenze geworden ist. Nicht jede/r ist ja so vom Glück begünstigt, ernsthaft zweisprachig zu sein wie die Mitglieder der Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze. Sie verstehen wirklich beide Sprachen.

Anlass dieses Buch war die Volksabstimmung über die deutsch-dänische Grenze im Jahr 2020. Eigentlich waren Treffen, Diskussionen, eine große zusammenführende Veranstaltung geplant. Eigentlich.

Es kam, wie wir uns noch gut erinnern, anders. Vieles wurde verschoben, Corona machte immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Aber schlussendlich konnten in dem gut 170 Seiten umfassenden Buch die Texte von zwölf dänischen und deutschen Autorinnen und Autoren vereinigt werden, die ihre jeweils ganz persönliche Sicht auf das Thema Grenze entworfen haben.

Claudia Knauer ist Jahrgang 1961, lebt mit ihrem Mann in Apenrade (Aabenraa) und ist Direktorin der Büchereien der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Sie war unter anderem stellvertretende Chefredakteurin beim „Nordschleswiger“ und schreibt seit Jahren weiterhin Gastbeiträge.

Hinter einem nüchternen Cover verbergen sich tiefgründige Geschichten. Welche großen Namen ihre Beiträge geleistet haben, geht leider für potenzielle Leserinnen und Leser aus dem Informationstext des Verlages, der im Online-Handel wiedergegeben wird, nicht hervor. Foto: Wachholtz Verlag

 

Das Literaturhaus Schleswig-Holstein unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sandfuchs und das Nordkolleg Rendsburg, mit Britta Lange an der Spitze, haben die Texte erbeten, gesammelt und in Buchform gebracht. Jedes Stück liegt in der Originalsprache und in Übersetzung vor.

Von der Hecke über die Generationenfrage, Corona, die Globalisierung und persönliche Erfahrungen bis zum Faschismus

Mit dabei sind Jan Christophersen (Übersetzerin Maj Westerfeld), der auch über die mannshohe Hecke des Nachbarn als Grenze nachdenkt, Jochen Missfeldt (ebenfalls Westerfeld), der über die Grenzen der Kommunikation zwischen den Generationen nachdenkt, und Kaspar Colling Nielsen (Übersetzerin Sigrid Engeler), der seiner Angst vor Corona Ausdruck verleiht, in einem politisch zu verstehenden Text eine Rückkehr in unsere Grenzen fordert und Massentourismus, weltweiter Produktion und der „Welt auf Speed“ beredt eine Absage erteilt.

Ganz besonders lesenswert auch der längere Beitrag von Literaturwissenschaftlerin und Skandinavistin Henrike Fürstenberg (Übersetzer Jacob Jonia) über Grenze als Metapher. Dieser Text taucht tief ein in Begriffe, die unseren Umgang mit Sprache erhellen und ist mit Beispielen versehen, die auch den/die Nicht-Wissenschaftler/in enorm bereichern.

Knud Romer (Sigrid Engeler) greift auf seinen Erfahrungsschatz als Deutsch-Däne zurück, der schon in „Wer blinzelt hat Angst vor dem Tod“ die zentrale Rolle spielte.

Feridun Zaimoglu (Jacob Jonia) geht wie gewohnt sprachgewaltig zu Werke. Er taucht tief ein in die Seele des Faschisten, dessen, der „den Feind zu sehr geliebt [hat], mehr als mein minderrassiges Volk, ich bin für die Bürger meines Landes gestorben“. Der Text setzt zu, er ist grau und grausam. Er nennt das Wort Grenze nicht, aber das „die“ und „wir“, die Trennung, die die Grenze ausmacht oder ausmachen kann, ist themenleitend.

Fazit: Mehr davon!

Lange und Sandfuchs ist mit dieser Sammlung gelungen, den „Grund für einen fortdauernden literarischen Austausch über ‚Grenzen‘ zu legen“. Bitte mehr davon.

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