Geschichte

Zeitreise: „So ein Ding hatten wir auch zu Hause“

Zeitreise: „So ein Ding hatten wir auch zu Hause“

Zeitreise: „So ein Ding hatten wir auch zu Hause“

Paul Sehstedt
Hadersleben/Haderslev
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Hübsch hässlich sahen die Jugendzimmer aus, als Laura Skau Bjerregaard Schülerin war. Bücher, Comic-Hefte und ein Tonbandgerät sind für Ihre Söhne Relikte aus einer fernen Vorzeit. Foto: Paul Sehstedt

Wiedersehen mit der eigenen Jugendzeit: Die 1960er und 70er sind im Museum Sønderjylland ausgestellt.

Nordschleswig in der Hippiezeit

• Die Ausstellung „Derfra hvor vi stod – Sønderjyderne i 1960’erne og 1970’erne“  ist bis zum 20. Oktober 2019 zu sehen

• Die Ausstellungsstandorte sind das Museum für Kulturhistorie, Apenrade  (Musik), das Museum für Archäologie in Hadersleben (Alltag) sowie die Museen in Tondern (Wohnen).

„So ein Ding hatten wir auch zu Hause“, erinnert sich Grethe Iversen  bei einem Rundgang durch die aktuelle Ausstellung  über die Zeit der 1960er und 70er Jahre im Museum Sønderjylland. „Mein Onkel war Fahrradhändler K. A. Starke, und bei ihm kauften wir einen Fahrradtrainer.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Flemming besuchte sie die retrospektive Ausstellung in Hadersleben – einem von drei Standorten der Ausstellung – und viele Erinnerungen wurden wachgerufen. „Wir hatten auch Mopeds“, erzählt Flemming und zeigt auf einen „Taarnby knallert“, der einst in Apenrade produziert wurde.

„Einen so Feinen konnten wir uns nicht leisten. Wir mussten uns mit einem Velo Solex begnügen. 800 Kronen zahlten wir dafür, 1967. So kamen wir sogar zum Campingplatz in Halk, wo wir auf einem Festliegerplatz unser Villazelt stehen hatten.“ „Das war vor unserer Heirat 1970“, berichtet die 70-Jährige. Der Erinnerungsstrom will inmitten der Ausstellung nicht abreißen. „Im selben Jahr kauften wir unser erstes Auto, einen weißen Morris Marina – ein ähnliches Modell wie der blaue dort auf dem Foto. BJ 27.136 war die Zulassungsnummer.“

Das Auto wurde von Hinrichsen & Schrøder in der Gaaskærgade geliefert, einst Dänemarks größter Morrisverkäufer, bei dem Flemming Iversen in die Bürolehre gegangen war. „Ein Tonbandgerät hatten wir auch“, sagt er. „Zwar kein Telefunken wie dieses dort in der Vitrine, sondern ein B&O. Wir machten viele Mitschnitte von Radiosendungen und wir haben sowohl das Gerät als auch alle Bänder noch – mit sehr viel James Last Musik.“

 

Margretheschalen, Schreibmaschine und ein Fahrradtrainer: Für die Ausstellungsbesucher Grethe und Flemming Iversen alles gute alte Bekannte aus den 60ern und 70ern. Foto: Paul Sehstedt

Das Lebensgefühl

Wie war das Lebensgefühl, damals in den 1960ern und 70ern? Die Zeit war nicht so hektisch, meinen die beiden Rentner im Rückblick – und sind entzückt davon, dass ihre Jugendzeit in einer Ausstellung widergespiegelt wird. Szenenwechsel ins Museum in Tondern, wo sich die dreiteilige Ausstellung des Themas Wohnung und Wohnen annimmt. Die Zwillinge Emil und Simon Skau Bjerregaard (13) aus Ries werden von ihrer Mutter Laura  Skau Bjerregaard durch die Ausstellung begleitet. Sie will ihren Söhnen zeigen, wie vor einigen Jahrzehnten Wohnraum errichtet und eingerichtet wurde.

Ein dunkelrot gekacheltes Badezimmer entlockt Simon ein Schmunzeln. „Sehr farbenreich, aber nicht besonders schön!“ Nein, er könnte sich nicht vorstellen, ein Bad so einzurichten. „Ich hatte auch ein Schlafsofa mit einem karierten Bezug wie dem dort“, sagt Laura Skau Bjerregaard, als die drei vor der Kulisse eines Jugendzimmers aus den 1970er Jahren stehen.

Die mit Teakholz furnierte Regalwand mit eingehängtem Schreibtisch hatten damals ihre Brüder in ihrem Zimmer. Bücher, Comics und ein Tonbandgerät gehören auch zur Ausstellung. Damals – zum Greifen nahe. „Heute brauchen wir weder Bücher noch Hefte, wir haben alles auf dem Tablet“, lacht Emil. „Und Musik können wir auch darauf hören.“

Simon und Emil zeigen Interesse an den Architektenplänen und Fotos von Häusern, Wohnblöcken und öffentlichen Gebäuden sowie Industrieanlagen, die in der damaligen Zeit  in Nordschleswig entstanden sind. Viele Luftfotos bilden Gebäude aus der Vogelperspektive ab und verdeutlichen so den Unterschied zu der alten Baumasse in der Nachbarschaft.  Eine Bauepoche, in der viele öffentliche Gebäude im Brutalismusstil gebaut wurden und Flachdächer der letzte Schrei beim Familienhausbau waren.      
Die Apenrader Ausstellung – wir berichteten – widmet sich im Museum für Kunstgeschichte dem Thema Musik der 1960er und 70er.

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