„Freundschaftsjahr“

2020 als Chance für ein „anderes Verständnis füreinander“

2020 als Chance für ein „anderes Verständnis füreinander“

2020 als Chance für ein „anderes Verständnis füreinander“

Kiel
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Hinrich Jürgensen, Klaus Schlie
Hinrich Jürgensen (links) am Freitag im Gespräch mit Klaus Schlie Foto: Cornelius von Tiedemann

In Kiel und bei der Minderheit herrscht Optimismus, dass aktuelle und gewachsene Probleme im deutsch-dänischen Verhältnis im kommenden „Freundschaftsjahr“ angegangen werden können. Man dürfe schließlich nicht nur bis zur Grenze denken.

Fehmarnbelt, Wildschweinzaun, Grenzkontrollen, EU-Haushalt, Ausländerpolitik, zweisprachige Ortsschilder: Die Meinungen gehen zwischen Deutschland und Dänemark auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene bisweilen deutlich auseinander – auch, wenngleich von allen Seiten immer wieder betont wird, dass beide Seiten mehr verbinde, als trenne.

Das anstehende, von der Bundesregierung als „Deutsch-Dänisches Kulturelles Freundschaftsjahr“ bezeichnete Jahr 2020 könnte und sollte vieler dieser Wogen wieder glätten. Das meinen der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Klaus Schlie (CDU) und der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen.

Positiver Blick nach vorne

„Ich denke, 2020 ist das Jahr, in dem wir ganz, ganz positiv nach vorne blicken werden“, sagt Klaus Schlie am Rande des 81. Gremiums für Fragen der deutschen Minderheit in Nordschleswig im Kieler Landeshaus am Freitag. Bei dem Treffen kommen regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheit mit schleswig-holsteinischen Abgeordneten aus Kiel und Berlin zusammen.

Dieses Mal stand das Jahr 2020 im Zentrum. „Gerade der Besuch von Königin Margrethe II. hat deutlich gemacht, wie grundlegend positiv das Verhältnis im Allgemeinen und auch zwischen Schleswig-Holstein und dem Königreich ist. Dass es da das eine oder andere immer noch gibt, was auch austariert werden muss, das glaube ich, lässt die große Chance offen, dass wir 2020 nicht nur rückblickend die positive Entwicklung feiern, sondern von da ausgehend auch die Dinge regeln, die noch zu regeln sind, damit das Verhältnis dann tatsächlich so positiv, wie es jetzt ist, sich weiter entwickeln kann“, sagt Schlie.

Jürgensen: Mobilitätsbarrieren abbauen

Konkret könnte dies geschehen, wenn zum Beispiel weiter daran gearbeitet werde, Mobilitätsbarrieren abzubauen, sagt Jürgensen, der sich wünscht, dass für die Arbeit des Grenzkontors am Lyren in Pattburg „verstärkt Finanzmittel fließen sollten, sowohl zum Wohle Deutschlands wie auch Dänemarks. Sie machen eine Grenzberatung vor Ort, aber sie machen auch viel Fußarbeit, Aufbauarbeit für andere Grenzregionen, etwa für Fehmarbelt, die daraus Nutzen ziehen“.

AKW-Deponie in Harrislee soll grenzüberschreitend debattiert werden

An der Grenze, sagt Jürgensen, dürfe in beide Richtungen nicht Schluss sein. Das gelte auch für umstrittene Vorhaben wie die mögliche Deponie für Bauschutt aus dem Rückbau von Atomkraftwerken in Harrislee. Der grenznahe Ort ist einer von vieren in Schleswig-Holstein, die laut Landesregierung für die Lagerung des „leicht kontaminierten“ Materials, das laut Umweltminister Albrecht (Grüne) keinen Grund zur Sorge darstellt, infrage kommen.

Jürgensen ist wichtig, dass „man da auch die dänischen Kollegen miteinbezieht. Vielleicht ist das Problem gar nicht so groß, aber es muss erklärt werden. Wenn es nicht erklärt wird, dann entstehen Probleme.“

Die Nachricht kam an in Kiel – und stieß auf Verständnis. „Es ist voll nachvollziehbar und verständlich, dass es über das, was dort möglicherweise in Harrislee geschehen soll, eine über die Grenze hinweggehende Diskussion und Information geben muss“, sagt Schlie. Er werde den Wunsch „entsprechend der Landesregierung weitergeben. Die anwesenden Bundestagsabgeordneten haben aber auch mitgenommen, dass es nicht ausschließlich ein Thema des Landes ist, sondern des Bundes“. Die Sache gehe die Menschen auf der dänischen Seite der Grenze schließlich auch etwas an.

Hoffnung auf „nicht nur Wiedervereinigung“

Neben den aktuellen Fragen hofft Jürgensen auch darauf, dass sich historische Fragen im kommenden Jahr klären können. „Meine Hoffnung ist, dass die Vielfalt der Veranstaltungen dazu beitragen wird, dass es auch ein größeres Verständnis für die Vielfältigkeit gibt, und dass auf dänischer Seite nicht nur ,Wiedervereinigung' gefeiert wird“, sagt er. Schließlich gebe es viel mehr als das zu feiern, was die deutsche Minderheit als ihre Geburtsstunde ansieht – und deshalb nicht als „Wiedervereinigung“ feiern will.

Ihm sei es wichtig, dass man „ein anderes Verständnis füreinander, in Dänemark für Deutschland und umgekehrt bekommt.  Ein gutes Beispiel ist auch die Ausstellung in Kopenhagen, die auch ein anderes Bild vermittelt als das, das der Otto Normalverbraucher in Dänemark hat. Die Diskussion bei uns in der Minderheit, weshalb wir nicht ,Wiedervereinigung' feiern, hat ja auch dazu geführt, dass die Historiker sich zu Wort meldeten und Dinge nochmal richtiggestellt haben“, sagt er.

„Das ist ja das, was wichtig ist, dass wir die richtige Geschichte kriegen, die vielfältige Geschichte kriegen. Ich glaube, dieses Jahr wird dazu beitragen, dass wir da weiterkommen.“

Schlie sieht zweisprachige Ortsschilder am Ende des Zaunes

Klaus Schlie sieht das ähnlich. Er freut sich auf Projekte wie das am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig erarbeitete deutsch-dänische Theaterstück „Amphibien“. „Ich denke schon, dass solch ein Theaterstück, von jungen Leuten aufgeführt, aber auch die Schülerlotsen-Aktion und viele andere Dinge dazu beitragen, in Schleswig-Holstein den Blick zu öffnen für dieses Ereignis“, sagt er.

„Aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass das alleine nicht reicht, sondern dass es darum gehen muss, diesen europäischen Gedanken weiterzuentwickeln, der gerade durch die Minderheiten über die Grenze hinweg ganz, ganz starke Impulse hat, und auch noch zusätzlich haben kann. Und spätestens, wenn wir über die Schweinepest nicht mehr reden, und der Wildschweinzaun wieder weg ist, und das wird ja dann hoffentlich bald der Fall sein, dann wäre es schonmal ein deutliches Zeichen, wenn wir nicht nur in Schleswig-Holstein, dort wo es notwendig ist, unsere Ortsschilder in zwei Sprachen ausgerichtet haben, sondern dass, wenn wir nach Nordschleswig kommen, das da auch der Fall ist.“

 

 

 

 

 

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