Büchereiwesen
Fachstellenkonferenz: „Es geht um die Menschen, nicht um die Anzahl der Bücher“
Fachstellenkonferenz: „Es geht um die Menschen, nicht um die Anzahl der Bücher“
„Es geht um die Menschen, nicht um die Anzahl der Bücher“
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Die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachstellenkonferenz haben sich in der dänischen Bibliothekswelt umgesehen.
Rund 35 Fachleute aus der deutschen Bibliothekswelt trafen sich in dieser Woche im Multikulturhaus in Sonderburg (Sønderborg) zur jährlichen sogenannten Fachstellenkonferenz. Die Leiterinnen und Leiter der Fachstellen, die die Bibliotheksarbeit in den deutschen Bundesländern befördern und unter anderem Fachberatung leisten und Weiterbildung anbieten, sowie Bibliothekarinnen aus Schleswig-Holstein und Nordschleswig machten sich schlau zum Thema „Chance statt (Corona-) Krise“. Die Konferenz hat der Verband Deutscher Büchereien in Zusammenarbeit mit der Büchereizentrale Schleswig-Holstein organisiert.
Besonders spannend war für die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Erleben dänischer Bibliothekskultur, aber auch der Vergleich zwischen deutscher und dänischer Bibliotheksarbeit.
Trennung in digitale und analoge Welt nicht möglich
Stephan Schwering, Leiter der Hauptstelle der Stadtbibliothek Düsseldorf, warf einen Blick in die Zukunft seiner Bibliothek, die gerade jetzt neue Räume bezieht, und machte klar, dass eine Trennung in digitale und analoge Welt nicht möglich oder wünschenswert ist. Gerade Corona habe die Chancen der digitalen Angebote aufgezeigt, die aber auch eine vernetzte Gemeinschaft notwendig machen. Es reicht nicht, lediglich E-Bücher oder YouTube-Videos hochzuladen und den Nutzer, die Nutzerin damit dann allein zu lassen. „Digitale und analoge Räume müssen zum ‚Dritten Ort‘ der Zukunft zusammengeführt werden“, so sein Credo.
Das traf durchaus auf Widerhall bei den Vorträgen der dänischen Referentinnen. Sowohl die Vorsitzende des dänischen Bibliothekschefverbandes, Pia Henriette Friis, wie auch Lotte Hviid Dhyrbye, Leiterin der Denkfabrik Tænketanken Fremtiden Biblioteker, zeigten ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen wie digital in Dänemark gearbeitet wird, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass es die gedruckten Medien gibt. Im Gegenteil, es gibt dabei sogar einen zarten Anstieg bei den Ausleihzahlen, und die E-Bücher hatten ihr Hoch unter Corona, ohne das in Gänze auf Dauer zu halten.
Beeindruckt waren die deutschen Bibliothekarinnen vom zupackenden Zugang im Dänischen. Fehlerkultur, erst „mal machen“, ausprobieren, Fehlschläge zulassen und andere an Wissen und Erkenntnissen teilhaben lassen, waren wichtige Schlagworte in den Vorträgen von Friis und Dhyrbye. Ebenso wichtig sind Kooperationen, betonten beide. Dafür lieferte Charlotte Pedersen, Bibliothekschefin in Middelfart, mit der Kulturinsel ein Beispiel. In einem Haus auf einer künstlichen Insel residieren Kino, Fremdenverkehrsbüro, Café, Restaurant und Bibliothek ohne störende Trennwände unter einem Dach. An einem langen gelben Tresen werden alle bedient, egal wohin es sie zieht. Mit dieser Kulturinsel wird aktive Stadtentwicklung betrieben, wie es auch in Sonderburg mit dem Multikulturhaus an der Hafenfront der Fall ist.
Birgit Lücke, Leiterin der Stadtbücherei Warendorf, erläuterte kenntnisreich, wie sie mit einem Projekt der Kulturstiftung hochdrei in ihrem Ort versucht, Bibliothek und Bürger zusammenzuführen, um die Zukunft der Stadt positiv zu verändern. Ihr Fazit war, dass es viel Überzeugungsarbeit im politischen Bereich zu leisten gibt, um zu Ergebnissen zu kommen, wie sie etwa auch in den Niederlanden zu sehen sind.
Am Dienstag besuchten die deutschen Gäste die Bibliothek in Esbjerg und in Kolding. Überall stehen der Servicegedanke und der Ansatz, dem Bürger, der Bürgerin einen Raum zu geben, im Mittelpunkt. Der Satz der Koldinger Bibliothekschefin Pia Henriette Friis, auf die Frage, wie viele Medien und Entleihungen sie hat: „Es geht um die Menschen, nicht um die Anzahl der Bücher“, fasste den dänischen Geist der Bibliotheksarbeit treffend zusammen, stellten die deutschen Bibliothekarinnen und Bibliothekare fest.
In Esbjerg faszinierten der Erzählbaum, die vielen einzelnen Themenräume, die sich an unterschiedliche Altersgruppen wenden, aber auch der große offene Raum, der sich ebenfalls in der Koldinger Bibliothek findet. „Räume, ob digital oder analog, neu denken“ – diese Idee nahmen dem Vernehmen nach die Besucherinnen und Besucher zurück mit nach Deutschland.