Die Woche am Alsensund

„Brücken verbinden - Landesteile und Zähne“

Brücken verbinden - Landesteile und Zähne

Brücken verbinden - Landesteile und Zähne

Sonderburg/Sønderborg
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Journalistin Sara Eskildsen hat über diese Woche am Alsensund nachgedacht. Foto: Karin Riggelsen

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Warum ein Tunnelblick von Vorteil sein kann und weshalb ein Blick in die Zukunft unmöglich, aber nicht sinnlos ist, davon ist in der neuen Kolumne „Die Woche am Alsensund“ die Rede.

Kein Mensch kann in die Zukunft blicken. Es sei denn, man ist dänischer Transportminister und ist von Berufswegen aus dazu verdonnert, neue Weichen zu stellen. Und zwar nicht nur für den Zugverkehr. Und so stand Politiker Benny Engelbrecht in dieser Woche am Alsensund am Kleinen Belt um sich vorzustellen, wie in Zukunft eine Brücke oder ein Tunnel von Alsen nach Fünen führen könnte.

Die Politik in Kopenhagen hatte kürzlich eine Voruntersuchung für eine feste Querung beschlossen, und die Genossen Bürgermeister und Transportminister verabredeten sich kurzerhand am Fährhafen von Fünenshaff (Fynshav), um den Blick gemeinsam mit lokalen Pressevertretern über das Wasser schweifen zu lassen.

Licht am Ende des Tunnels kann auch ein Zug sein

Dorthin, wo ab 2022 untersucht wird, ob eine Brücke oder ein Tunnel die Infrastruktur des Landes umfassend verändern soll.

In diesem Zusammenhang durfte sich der Minister einen professionellen Tunnelblick erlauben, der ist ja normalerweise Zugführern und bornierten Menschen vorbehalten. Und jenen, die schwarz sehen und auf ein Licht hoffen. Wobei ein Licht am Ende eines Tunnels nicht immer ein Hoffnungsschimmer sein muss. Manchmal ist es auch schlichtweg ein entgegenkommender Zug.

Die Fahrt über den Kleinen Belt zwischen Alsen nach Fünen dauert derzeit mit der Fähre 50 Minuten. Foto: Sara Eskildsen

Der Verkehrsminister jedenfalls blickte optimistisch in die Zukunft, wenngleich in eine ungewisse. Denn ob, und wenn ja, was für eine Brücke über den Kleinen Belt gebaut wird, ist noch völlig offen.

Nicht nur Transportminister beschäftigen sich mit dem Thema Brücke. Auch Zahnärzten und Musikern ist die Brücke ein Begriff. Es gibt Klappbrücken und Zugbrücken, Holzbrücken und Saarbrücken, die Brücke als Formteil in der Musik, es gibt Zahnbrücken und Luftbrücken, See- und Versorgungsbrücken und irgendwann ab 2035 vielleicht eine Autobahnbrücke zwischen Fünen und Alsen.

Eine Brücke verbindet Menschen, Landesteile und kaputte Backenzähne

So unterschiedlich sie auch sind, eine Brücke verbindet. Ob Menschen, Landesteile oder kaputte Backenzähne. Vor diesem Hintergrund werden die deutsche und die dänische Minderheit im Grenzland immer wieder als „Brückenbauer“ im Grenzland bezeichnet, weil sie zwischen Kulturen und Sprachen Verbindungen herstellen. Auch und gerade dort, wo etwas kaputtgegangen war.

Dass zwischen dem Brückenbauer und dem Krückenbauer nur ein Buchstabe liegt, ergibt also Sinn: Beide ermöglichen Wege und helfen beim Weiterkommen.

Die Abiturienten von 2021, die vor kurzem im Party-Lastwagen betrunken an uns vorbei gerumpelt sind, stehen zur Eröffnung der Brücke vielleicht als Transportminister oder Bürgermeisterin vor uns.

Sara Wasmund, Kolumnistin

Während der Transportminister seinen Tunnelblick schweifen ließ und von der längsten Fahrradbrücke der Welt träumte, sah auch ich in die Zukunft. In meine berufliche, als Lokaljournalistin im Planungs- und Bauprozess der kommenden Jahre.

Ich sah erste Spatenstiche, Proteste von Anwohnern, deren Garten und Aussicht um eine Autobahnbrücke erweitert wird. Ich sah eine neue Schnellstraße im Süden der Insel Alsen Wälder und Wiesen zerschneiden, sah verschiedene Transportminister und Bürgermeister kommen und gehen und das visionäre Infrastrukturprojekt loben; sah all die Pressetermine, die in Zukunft wegen dieser Brücke oder dieses Tunnels stattfinden werden.

Die Abiturienten von heute sind die Minister von morgen

Und so kreisten meine Gedanken mit den schreienden Möwen über dem Kleinen Belt – und ich musste mal wieder feststellen, dass nichts bleibt wie es gerade ist. Politiker kommen und gehen, regieren und reden, werden abgewählt und machen Platz für neue Namen. Die Abiturienten von 2021, die vor Kurzem im Party-Lastwagen betrunken an uns vorbei gerumpelt sind, stehen zur Eröffnung der Brücke vielleicht als Transportminister oder Bürgermeisterin vor uns.

Bürgermeister Erik Lauritzen, soviel steht fest, wird 2035 nicht mehr Bürgermeister der Kommune Sonderburg sein. Und mein einjähriger Neffe wirft in zehn Jahren beim Sommerurlaub bei der Tante in Dänemark vielleicht mit Bällen, anstatt mit weich gekochten Frühstückseiern. Da halte ich es wie der Transportminister: Man kann nicht wissen, was kommt und wie sich die Dinge entwickeln. Aber das Beste hoffen, ist immer eine gute Brücke in Richtung Zukunft.

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Cornelius von Tiedemann
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