Sicherheitspolitik

Sonderburger fragen Justizminister: Was bringt Überwachung?

Sonderburger fragen Justizminister: Was bringt Überwachung?

Sonderburger fragen Justizminister: Was bringt Überwachung?

Sonderburg/Sønderborg
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Nick Hækkerup stand im Multikulturhaus Frage und Antwort Foto: Sara Wasmund

„Verrückt“ viele Einbrüche, eine zunehmende Videoüberwachung und eine völlig überlastete Polizei: Am Dienstagabend diskutierten rund 50 Sonderburger diese Themen mit Justizminister Nick Hækkerup.

Warum setzt die sozialdemokratische Regierung auf mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum? Wieso liegt die Aufklärungsquote bei Einbrüchen bei rund 5 Prozent, und wieso hält man die Grenzkontrollen aufrecht?

Die Sozialdemokraten haben nach Regierungsantritt das Thema Sicherheit der Bürger zur Chefsache erklärt, und genau darüber sprach Justizminister Nick Hækkerup am Dienstagabend mit Bürgern im Multikulturhaus.

Die Sonderburger Sozialdemokraten hatten zum Diskussionsabend mit Hækkerup eingeladen, und rund 50 Personen nutzten die Gelegenheit, persönlich mit dem Justizminister zu sprechen.

Eines der Themen, die besonders auf den Nägeln brannten: die von der Regierung in Gang gesetzte, verstärkte Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

 

Sozialdemokrat Benny Engelbrecht kam sowohl als Mikrofonhalter als auch als Transportminister zum Einsatz. Foto: Sara Wasmund

Warum wollt ihr die Bürger noch stärker überwachen? „Es geht bei der Videoüberwachung weniger um das Verhindern von Straftaten als vielmehr um die Aufklärung. Durch das Videomaterial sind Polizei und Staatsanwaltschaft viel besser in der Lage, Verbrechen zu bestrafen. Auch das trägt zum Sicherheitsempfinden der Bürger bei“, so Hækkerup am Dienstagabend im Saal des Multikulturhauses.

„Ich behaupte: Es gibt keine Freiheit, wenn es keine Sicherheit gibt. Und beschränkt die Videoüberwachung unsere Freiheit? Nein, das tut sie nicht. Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, aber meiner Meinung nach wird diese Diskussion viel zu primitiv, zu kurzsichtig geführt.“

Was, fragte der Minister, sei denn mit den ganzen privaten Unternehmen wie Google und Apple, die „über unsere Mobiltelefone ganz genau wissen, wo wir uns befinden“. „Diese Diskussion ist doch viel spannender, denn es ist ganz schön erschreckend, dass es die privaten Firmen sind, die uns überwachen können.“

„Derart viele Einbrüche hier, das ist völlig verrückt“

Ein Besucher des Abends stellte sich als ehemaliger Polizist mit 40-jähriger Diensterfahrung vor und gab zu bedenken: „Wir leben in einer sehr schönen Stadt, aber es passieren derart viele Einbrüche hier, das ist völlig verrückt. Warum hat die Polizei nicht genug Ressourcen, um zu ermitteln? Polizei, Gerichte, alles ist völlig überlastet. Was wollt ihr dagegen tun, und werdet ihr weiter dezentralisieren?“

Minister Hækkerup antwortete mit einer Umfrage. „Wie viele von euch kontrollieren abends, ob alle Türen abgeschlossen sind?“ Fast alle im Saal hoben die Hand. „Und wie viele fühlen sich unsicher, wenn sie im Dunkeln durch ihr Wohnviertel spazieren?“ Nur ein Mann hob die Hand, „und du kommst aus Svendborg“, witzelte der Minister.

„Was ich damit sagen will: In Dänemark fühlen sich rund 83 Prozent der Bürger in ihrem Wohnumfeld sicher. Die Frage ist: Die Aufklärung welcher Verbrechen setzen wir ganz oben auf die Prioritätenliste? Wir haben da drei Prioritäten: Gewalt, Vergewaltigung und Waffen. Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen ist unter anderem so niedrig, weil wir die Aufklärung anderer Verbrechen höher gewichten. Wir können nicht alle Verbrechen aufklären, und die Regierung kann die langen Wartezeiten leider nicht wegzaubern, da müssen wir ehrlich sein. Aber wir können politisch festlegen, was oberste Priorität hat“, so Hækkerup.

 

Zu Sicherheitsfragen im Verkehr antwortete Benny Engelbrecht. Foto: Sara Wasmund

Mehrere Diskussionsteilnehmer vermissten die „gute alte Lokalpolizei“, die genau weiß, an welcher Tür der Polizist  klopfen muss, wenn an der Schule ein neues Graffiti prangt.
Ja, so Hækkerup, man wolle zurück zu einer lokal verankerten Polizei, das nahe Polizeiwesen sei ein Kernthema der Polizeireform.

Und was ist mit jenen Dänen, die sich einst der Terrorvereinigung Islamischer Staat angeschlossen haben – wird der dänische Staat sie zurücknehmen?

„Es gibt derzeit rund 25 bis 26 Syrienkrieger, die die dänische Staatsbürgerschaft haben. Denjenigen, die zwei Staatsbürgerschaften haben, wird die dänische aberkannt. Doch denen, die nur die dänische Staatsbürgerschaft haben, können wir sie nicht entziehen. Diese Personen haben, wenn sie an einer dänischen Grenze stehen, das Recht, reinzukommen. Doch wir werden diese Personen vor Gericht stellen und sie für ihre Taten zur Verantwortung ziehen. Das gilt auch für Frauen, die sich dem Kampf angeschlossen haben. Lieber stellen wir sie hier vor Gericht, als dass sie irgendwo frei rumlaufen.

Kriminelles Netzwerk über die Öresundbrücke

Auch zum Thema Grenzkontrollen stand Hækkerup Rede und Antwort. Sind die Grenzkontrollen all das Geld und all die Dienstzeit der Polizei wert?

„Durch die Grenzkontrollen gab es bislang rund 8.000 Fälle, in denen Personen aus dem Verkehr gezogen wurden, weil sie Menschen, Drogen oder Waffen geschmuggelt oder anderweitig gegen Gesetze verstoßen haben. Gerade über die Öresundbrücke besteht ein kriminelles Netzwerk, hier ergibt es sehr viel Sinn zu kontrollieren."

Was muss geschehen, damit die sozialdemokratische Regierung die Grenzkontrollen zu Deutschland abschafft? „Wir werden uns auch in einem halben Jahr, wenn die Grenzkontrollen wieder verlängert werden müssen, nach der Einschätzung des Nachrichtendienstes richten. Der wird uns mitteilen, wie hoch die aktuelle Terrorgefahr ist. Danach werden wir uns richten, ausschließlich danach.“

Politiker Benny Engelbrecht, der an dem Abend als Mikrofonhalter und Transportminister in einem fungierte, gab zu bedenken, dass die Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei bereits deutlich „geschmeidiger“ und besser organisiert verlaufe, als mit der schwedischen.

Geschmeidige Zusammenarbeit

„Da finden auch im Hinterland auf beiden Seiten der Grenze eine gute Zusammenarbeit statt, bei der sich die deutsche und die dänische Polizei bestens unterstützen“, so Engelbrecht.

Am Ende des Abends dankte Erik Stenumgaard von den Sonderburger Sozialdemokraten den beiden Politikern für ihren Einsatz. Ein Diskussionsabend, bei dem man mit gleich zwei Ministern auf Augenhöhe sprechen und diskutieren kann – das gibt es auch nicht jeden Tag, so das Fazit der Besucher, die einen informativen und fachlich tiefgreifenden Austausch erleben durften.

 

Knapp 50 Personen kamen in den Saal des Multikulturhauses. Foto: Sara Wasmund
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