Lokalpolitik

Vom Landwirt zum Bürgermeister: Erik Lauritzen wird 60

Vom Landwirt zum Bürgermeister: Erik Lauritzen wird 60

Vom Landwirt zum Bürgermeister: Erik Lauritzen wird 60

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Erik Lauritzen mit seiner Frau Bente bei ihrer Hochzeit 1985 Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Nein, im Leben von Bürgermeister Erik Lauritzen (Soz.) ist nicht immer alles glatt gelaufen. Im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ blickt er kurz vor seinem 60. Geburtstag auf sechs Jahrzehnte zurück, die bis heute von Neuanfängen und Kommunalpolitik geprägt sind.

Still ist es am Waldesrand, wo Bürgermeister Erik Lauritzen und seine Frau Bente leben. Eine weiße Katze läuft auf dem Weg am Haus vorbei, wenig später ein Spaziergänger mit Hund. Ansonsten: Ruhe. Aus den Fenstern von Esszimmer, Stube und Arbeitszimmer fällt der Blick gen Süden.

Ruhe tanken am Blanser Wald

Der Landstrich besteht aus Wiesen, Feldern und Wäldchen. Wenn man den Bürgermeister fragt, wo er zwischen all seinen 1.000 Terminen im Jahr Ruhe findet, fällt die Antwort ins Auge des Betrachters. Genau hier, am Blansskov.

Zwischen Blans und Baurup/Bovrup: Der Bürgermeister vor seinem Haus Foto: Sara Eskildsen

Am 17. Februar wird Erik Lauritzen 60 Jahre alt. Sein Leben begann nur wenige 100 Meter von seinem jetzigen Wohnort, am Blanser Wald. Dort wuchs er mit drei älteren Geschwistern und seinen Eltern auf einem Bauernhof auf. Radelte zur Schule nach Blans, half nach der Schule im Stall mit, spielte mit den vielen Nachbarskindern in der Scheune und im Wald.

Jähes Ende einer glücklichen Kindheit

„Dass wir auf dem Hof mithalfen, war völlig normal, wir haben selbstverständlich mit angepackt. Unsere Mutter war zu Hause, hat Essen gemacht und war für uns da“, erinnert sich Erik Lauritzen bei einer Tasse Kaffee.

Doch die glückliche Kindheit hat im Sommer 1973 ein jähes Ende. „Ich war gerade konfirmiert worden und mit der 7. Klasse fertig, als in den Sommerferien mein Vater starb. Er hatte schon zuvor einige Schlaganfälle gehabt. Er war mit seinem Auto zu einer Weide gefahren, um nach den Tieren zu sehen. Auf dem Weg zurück ist er gestorben.“

Der kleine Erik als jüngstes Geschwisterchen zusammen mit seinen drei Geschwistern, Mutter und Vater Foto: Karin Riggelsen

Ein Schicksalsschlag, der das gesamte Leben der Familie auf den Kopf stellt. Der älteste Bruder übernimmt in aller Eile den Hof, Erik Lauritzen, seine Schwester und seine Mutter ziehen in ein Abnahmehaus, das der Vater zuvor noch gebaut hatte.

Der plötzliche Tod des Vaters macht Erik Lauritzen schwer zu schaffen. Seine Leistung in der Realschule in Wester-Satrup/Vester-Sottrup sind alles andere als gut. „Bis zur 7. Klasse war ich sowas wie ein Musterschüler, danach definitiv nicht mehr“, erinnert sich Lauritzen. „Ich kann gut sehen, dass es etwas mit mir gemacht hat, ohne Vater.“

„Was fange ich mit meinem Leben an?“

„Ich habe wirklich nicht viel mitgenommen aus der Realschule“, erinnert sich Lauritzen, der als letzter Jahrgang noch den Realschulabschluss in Wester-Satrup absolvierte.

Nach der Schule kam die große Frage: Was fange ich mit meinem Leben an? „Der Abschluss war einigermaßen okay, aber ich wusste nicht, was ich wollte. Also bin ich erstmal bei einem Landwirt ins Praktikum gegangen“, erzählt der Bürgermeister.

Erik Lauritzen ist seit 2014 Bürgermeister der Kommune Sonderburg. Foto: Karin Riggelsen

Mit Mofa und Fähre fährt er jeden Tag nach Nordalsen. Nebenbei lebt er seine große Begeisterung für Badminton aus. „Ich habe in jeder freien Minute gespielt. Ich weiß nicht, was das ist, in unserer Familie muss es eine Art Badminton-Gen geben“, schmunzelt Lauritzen.

Schnell engagiert er sich im Verein „Blans Ungdoms- og Idrætsforening“, wird Trainer und Vorsitzender und gründet mit anderen den Badmintonclub für Blans und Sundewitt.

Engagiert im Verein

„Ich habe damals eines verstanden: Man kann viel auf die Beine stellen, wenn man gemeinsam daran arbeitet. Wenn Menschen mit dem richtigen Geist zusammenkommen, kann man weit kommen. In meiner Familie war es immer eine Selbstverständlichkeit, sich in einem Verein zu engagieren. Wir sind dazu erzogen worden, einen Einsatz zu leisten und etwas zu schaffen.“

Ich hatte eine fantastische Zeit am Gymnasium, ich habe viel Badminton gespielt und mich im Verein engagiert, außerdem bestand die Schulzeit aus Festen und Kartenspielen. Ich war ein eher fauler Schüler, das muss ich sagen.

Erik Lauritzen, Bürgermeister

Im Laufe des Arbeitsjahres verspürt Erik Lauritzen den Wunsch, einen Gymnasialabschluss zu machen. „Ich wollte damals Journalist werden, und dafür brauchte ich das Abitur.“

Nach dem Sommer beginnt er in der ersten Schulklasse des neuen Gymnasiums AGS. Damals noch in der Reimers-Schule, während das AGS gebaut wurde.

Badminton und Karten spielen statt Lernen

Was seine schulischen Leistungen angeht, ist Lauritzen schonungslos ehrlich. „Ich hatte eine fantastische Zeit am Gymnasium, ich habe viel Badminton gespielt und mich im Verein engagiert, außerdem bestand die Schulzeit aus Festen und Kartenspielen. Ich war ein eher fauler Schüler, das muss ich sagen“, gesteht Lauritzen.

Am Ende des Gymnasiums stehen zwar ein Examen und ein erwachtes Interesse an Diskussionen über Politik und Gesellschaft, „aber kein Zeugnis, das sich sehen lassen konnte“, sagt der Bürgermeister.

Die Aufnahme an der Journalistenschule rückt in weite Ferne. Lauritzen schreibt sich an der Gravensteiner Landwirtschaftsschule ein und schließt mit dem „grünen Beweis“ ab.

Erik Lauritzen mit seiner Frau Bente bei ihrer Hochzeit 1985 Foto: Karin Riggelsen

Das Interesse an Politik und gesellschaftlicher Veränderung rückt erst einmal in den Hintergrund, als er seine kommende Frau Bente trifft, die sieben Jahre älter und Mutter von Søren und Mette ist. Die beiden heiraten und kaufen 1985 einen Hof bei Ullerup am Aabenraavej.

Erik Lauritzen setzt auf Schlachthühnchen. Baut Ställe, renoviert und investiert. „Damals gab es fast nichts außer Arbeit. Wir haben hart geackert, damit das Geschäft lief“, so Lauritzen, der 1988 Vater der Tochter Didde wird.

Insolvenz: Der Hühnerhof geht pleite

Doch das Geschäft läuft nicht wirklich rund. Zudem kommen Erik Lauritzen Zweifel an der fabrikmäßigen Produktionsform, die seine Hühnchen durchlaufen. „Es ging nur darum, wie schnell ein Hühnchen wachsen und zunehmen kann. Wir haben damals eine Million Tiere im Jahr produziert. Nach heutigen Maßstäben war das wenig.“

1994 fällt der Entschluss: Der Hof wird verkauft. Hoch verschuldet zieht die Familie zur Miete in einen kleinen alten Hof am Blanser Wald, der dem Bruder gehörte.

Den kleinen Hof am Wald haben die Lauritzens umfassend renoviert. Foto: Karin Riggelsen

Ein neues Kapitel beginnt. Die Familie durchläuft eine Privatinsolvenz, Erik Lauritzen lässt sich in Odense an der „Nordisk Landbrugskole“ zum Landwirtschafts-Technologen ausbilden.

Eine harte Zeit für Familie und Ehe

„Das war keine einfache Zeit für die Familie. Die Zeit mit der Landwirtschaft und all dem, was folgte, hat unserer Familie und Ehe hart zugesetzt. Aber wir sind hindurchgekommen und sind gestärkt daraus hervorgegangen“, sagt der Bürgermeister.

Ich habe eine Einsicht erhalten, dass es einige Kinder und Familien wirklich sehr, sehr schwer haben. Ich wollte dazu beitragen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Oder zumindest zu verringern. Ich hatte den Wunsch, die Gesellschaft in eine andere Richtung zu schieben.

Erik Lauritzen, Bürgermeister

Zwei Jahre lang ist er nun unter der Woche in Odense. Dort erwacht sein politisches Interesse erneut. Lauritzen tritt als Parteimitglied bei den Sozialdemokraten ein. Warum gerade die Sozialdemokraten?

„Bente ist Sozialpädagogin und hatte immer wieder Pflegekinder bei uns auf dem Hof. Ich habe miterlebt, wie schwer es manche Kinder im Leben haben und wie ungerecht es sein kann. Ich habe eine Einsicht erhalten, dass es einige Kinder und Familien wirklich sehr, sehr schwer haben. Ich wollte dazu beitragen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Oder zumindest zu verringern. Ich hatte den Wunsch, die Gesellschaft in eine andere Richtung zu schieben.“

Politikerin Lenna Bødker wird für ihn zur politischen Ziehmutter

Bei den Sundewitter Sozialdemokraten findet Lauritzen sein lokalpolitisches Zuhause. Die damalige Spitzenkandidatin und Parteivorsitzende, Politikerin Lenna Bødker, wird für ihn politische Ziehmutter und Vorbild. „Sie konnte einfach mit jedem reden, hatte ein offenes Ohr für alle Bürger. Das war für mich immer ein großes Vorbild, und ich bilde mir ein, dass ich das von ihr lernen durfte“, sagt Lauritzen.

Erik Lauritzen vor seinem Arbeitsplatz: dem Sonderburger Rathaus Foto: Karin Riggelsen

1998 stellt die Partei ihn erstmals als Kandidat für eine Kommunalwahl auf, eine Wahl später, 2002, wird Lauritzen in den Kommunalrat Sundewitt gewählt. Es geht nun in vielerlei Hinsicht bergauf im Leben.

Nachdem er für den „Landboforening“ in Lügumkloster/Løgumkloster und in der Landwirtschaftsschule in Vejen gearbeitet hat, findet Lauritzen 2000 seine berufliche Traumanstellung an der Gravensteiner Landwirtschaftsschule.

Kurz darauf ist auch die Privatinsolvenz abgeschlossen, die Lauritzens kaufen das Haus am Wald und renovieren es umfassend.

Neue Bäder, neues Dach, neue Fenster – der kleine Hof wird rundum erneuert. Erik Lauritzen unterrichtet in Gravenstein/Gråsten, seine Frau Bente leitet das Kinderhaus in Nübel/Nybøl.

Erik Lauritzen kommt in den „Zusammenlegungsausschuss“

„Die Lokalpolitik hat mir große Freude gemacht, und in mir entstand erstmals der Wunsch, Bürgermeister in der Sundewitter Kommune zu werden“, erinnert sich Erik Lauritzen.

2005 bereiten sich alle Kommunen im Land auf die Kommunalreform vor. Alle Stadträte entsandten ihre Spitzenkandidaten in den neu zu bildenden Übergangs-Stadtrat der zu bildenden Großkommune Sonderburg. Erik Lauritzen wird in diesen „Zusammenlegungsausschuss“ gewählt, aus dem 2007 der neue Sonderburger Stadtrat entsteht.

2013 kommen die Sozialdemokraten in Sonderburg an die Macht – der neue Bürgermeister heißt Erik Lauritzen. Foto: Kommune Sønderborg

Die Sozialdemokraten mit Jan Prokopek als Bürgermeister treffen eine Reihe unbeliebte Entscheidungen, führen die Kommunen verwaltungsmäßig zusammen, heben die Steuern an. „Dafür haben wir bei der Wahl 2009 die Quittung erhalten“, resümiert Lauritzen.

Erfolg bei den Wahlen 2013 und 2017

Die Sozialdemokraten gehen in die Opposition und kommen 2013 erneut an die Macht – und diesmal heißt der neue Bürgermeister Erik Lauritzen. Bei der Kommunalwahl im November 2017 holt Erik Lauritzen 8.024 persönliche Stimmen, die Sozialdemokraten legen um 7,7 Prozent zu.

 

Der mit Abstand beliebteste Politiker der Kommune: Erik Lauritzen holt bei der Kommunalwahl 2017 8.024 Stimmen, gefolgt von Stephan Kleinschmidt mit 4.944 Wählerstimmen. Foto: Lene Esthave/Ritzau Scanpix

Erik Lauritzen ist nun das, was er immer sein wollte mit seiner Arbeit: stolz.

„Ja, ich bin stolz darauf, was wir gemeinsam erreicht haben. Dass wir im Bereich Kinder und Jugendliche neue, bessere Grundbedingungen schaffen konnten. Dass wir uns dem Ziel verpflichtet haben, in der Kommune bis 2029 C02-neutral zu sein. Dass auf Nordalsen Aufschwung und Veränderungen in Sicht sind. Dass wir versuchen, mit den 17 Weltzielen der UN unsere Gesellschaft, unser Miteinander in der Kommune zu verändern“, sagt Lauritzen.

Erik Lauritzen zeigte Königin Margrethe im Juli 2019 den neuen Stadthafen. Foto: Niels Henrik Dam/Ritzau Scanpix

Er will bei der nächsten Wahl im November 2021 gerne erneut als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antreten.

„Es gibt ja noch viel zu tun, und wir sind ganz bestimmt noch nicht am Ziel mit unserer Arbeit. Das ist man wohl nie. Wir haben beispielsweise immer noch rund 650 Personen zwischen 18 und 25, die keine Ausbildung und keinen Job haben. Da müssen wir besser werden! Und obwohl wir viel dafür tun, konnten wir noch immer nicht die Trendwende schaffen, dass die Kommune mehr und nicht weniger Bürger hat.“

Eine Herausforderung 2020: Abnehmen

Das Jahr 2020 ist durch die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Grenzziehung besonders voll und ereignisreich. Die Königin besucht Sonderburg im Juli, im Juni läuft Lauritzen die Fünf-Kilometer-Strecke beim Royal Run mit.

„Ich habe eigentlich vor, erst noch ein paar Kilo abzunehmen, dann fällt es leichter, mit dem Laufen anzufangen. Das wird auf jeden Fall eine der großen Herausforderungen 2020“, schmunzelt der Bürgermeister.

Bente und Erik Lauritzen an ihrem Esstisch: Ein gemeinsames Abendessen pro Woche erfordert einiges an Planung. Foto: Karin Riggelsen

Und was macht der Bürgermeister ansonsten in seiner Freizeit? „In meiner was?“, fragt Lauritzen und lacht.

„Viel davon habe ich nicht. Wenn wir es gut planen, können Bente und ich einmal in der Woche gemeinsam abendessen. Daher koppeln wir ab und zu mal für eine längere Reise ganz ab, da können wir uns dann richtig erholen und auftanken“, erzählt Lauritzen. Reisen nach Vietnam, Thailand und, im vergangenen Jahr, Tansania, gehören dazu.

Auch Familienbesuche gehören zur knappen Freizeit dazu. Ein Sohn lebt mit Familie und zwei Enkeln auf Fünen, die Tochter mit drei Kindern in Gravenstein, und Tochter Didde, die ebenfalls als Lokalpolitikerin im Sonderburger Stadtrat sitzt, lebt mit Familie und „Papp“-Tochter in Ulkebüll/Ulkebøl.

Empfang im Rathaus am 17. Februar

Seinen Geburtstag wird Erik Lauritzen am 17. Februar als Bürgermeister zelebrieren. Der Stadtrat hat beschlossen, dem Bürgermeister von 14 bis 17 Uhr einen Empfang im Rittersaal des Sonderburger Schlosses auszurichten.

Mit Freunden und Familie wird Lauritzen seinen runden Jahrestag kurz darauf im Sundewitter Versammlungshaus feiern.

Ein ereignisreiches Lebensjahr steht Erik Lauritzen bevor. Von der Stille am Wegesrand wird der Bürgermeister nicht viel mitkriegen.

 

Mehr lesen