Deutsche Minderheit

Jon Thulstrup wird Forschungsleiter der deutschen Minderheit

Jon Thulstrup wird Forschungsleiter der deutschen Minderheit

Jon Thulstrup wird Forschungsleiter der deutschen Minderheit

Apenrade/Sonderburg
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Jon Thulstrup tritt seinen neuen Job nur wenige Monate nach der Verteidigung seiner ph.d.-Arbeit an (Archivfoto). Foto: Archivfoto Dominik Dose

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Die deutsche Minderheit bekommt einen Forschungsleiter. Zum 1. Juli tritt der Historiker Jon Thulstrup die im Deutschen Museum Nordschleswig angesiedelte Stelle an. Er wird dann eng mit Museumsleiter Hauke Grella und Archivleiterin Nina Jebsen zusammenarbeiten. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, den Knivsberg zu einem historischen Lernort zu machen.

Es ist noch keinen Monat her, dass Jon Thulstrup seine Dissertation im Alsion verteidigte. Seitdem darf er den Titel „ph.d.“ auf seine Visitenkarte schreiben. Doch der wird künftig nicht mehr alleinstehen: Ab dem 1. Juli kann Jon Thulstrup seine Angaben um den Titel „Forschungsleiter der deutschen Minderheit“ ergänzen.

Akademische Titel

ph.d.

Ein ph.d. basiert auf einer dreijährigen Forscherausbildung. Um sie beginnen zu können, muss man ein fünfjähriges Studium in einem verwandten Fachgebiet erfolgreich mit dem Titel „kandidat“ abgeschlossen haben. Das dreijährige ph.d.-Studium mündet in eine schriftliche Arbeit, die am Ende öffentlich verteidigt werden muss.

Doktor

Ein Doktorgrad (dr.) ist der höchste akademische Titel, den man erzielen kann. Um ihn zu bekommen, muss man eine Doktorarbeit ausgearbeitet haben. Dabei handelt es sich um eine detaillierte und umfassende schriftliche Arbeit. Sie ist umfänglicher als ein ph.d.

Quellen: Syddansk Universitet (SDU), Københavns Universitet

Vielseitige Arbeitsaufgaben

Der Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) hatte vor einem Monat eine entsprechende Stellenausschreibung veröffentlicht. „Von dem Moment an, ab dem die Stelle ausgeschrieben war, wusste ich, dass ich mich bewerben würde“, sagt Jon Thulstrup im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. „Die Stelle ist top, sie ist sehr vielseitig. Das gibt es nicht alle Tage, gerade in diesem Bereich.“

Der historische Forschungsbereich ist Jon Thulstrup in den drei Jahren seiner ph.d.-Arbeit ans Herz gewachsen. Er konnte mit der vom BDN seinerzeit ausgeschriebenen Forschungsstelle seinen Traum verwirklichen, einen höheren akademischen Titel im Bereich Geschichte zu machen. „Ich habe ja Geschichte studiert. Und Doktorandenstellen hängen nun bestimmt nicht wie Äpfel an den Bäumen, gerade in der heutigen Zeit, wo überall gespart wird“, sagt Thulstrup. So werden ph.d.-Stellen an der Süddänischen Universität (SDU) nur noch ausgeschrieben, wenn sie extern mitfinanziert sind.

Jon Thulstrup

Geboren 1989 in Flensburg, aufgewachsen in Tingleff (Tinglev). Besuch der Deutschen Schule Tingleff, anschließend des Deutschen Gymnasium Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa). Abitur 2009, danach Militärdienst bei der Leibgarde.

Von 2011 bis 2014 Bachelorstudium am Institut für Geschichte der Süddänischen Universität (SDU) in Odense, im Anschluss daran bis 2016 Masterstudium in Geschichte und Germanistik an der SDU. Von 2017 bis 2020 Journalist beim „Nordschleswiger“.

Von Februar 2020 bis Februar 2023 ph.d.-Studium an der SDU. Im Mai dieses Jahres Verteidigung seiner ph.d.-Arbeit „Die Minderheit aus Sicht von drei Generationen“.

Jon Thulstrup ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Derzeit lebt die Familie in Odense.

Gegen mehrere Bewerberinnen und Bewerber durchgesetzt

Uwe Jessen, Generalsekretär des BDN, begründet gegenüber dem „Nordschleswiger“ die Wahl Thulstrups wie folgt: „Er hat sowohl ein generelles Hintergrundwissen durch seine vorherige geschichtliche Ausbildung, er kommt aus der Minderheit, und er hat beim ,Nordschleswiger‘ gearbeitet. Und dann hat er seinen Doktor gemacht.“

Mit diesen Qualifikationen konnte er sich gegen mehrere Bewerberinnen und Bewerber durchsetzen. Grundlage für die neue Stelle bietet ein vom Hauptvorstand im Frühjahr verabschiedetes Strategiepapier, in dem die geschichtliche Arbeit der deutschen Minderheit und die Aufgaben von Museums-, Archiv- und Forschungsleitung beschrieben werden.

Die Stelle ist top, sie ist sehr vielseitig. Das gibt es nicht alle Tage, gerade in dem Bereich.

Jon Thulstrup, Historiker

Austausch wichtig

„Wir wollen jetzt konkrete Forschungsergebnisse in den kommenden Jahren erzielen“, sagt Uwe Jessen. Allerdings handele es sich keinesfalls um einen reinen Schreibtischjob. So wird sich Jon Thulstrup nicht nur eng mit dem Leiter des Deutschen Museums, Hauke Grella, der Leiterin des Archivs, Nina Jebsen, und den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern abstimmen. Auch das Haus Nordschleswig, der Vorstand des Museums und die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft zählen dazu.

„Es geht darum, zusammenzuarbeiten. Wir machen die gesamte geschichtliche Arbeit in erster Linie nicht, um ein Buch herauszugeben, sondern um uns auszutauschen, wenn etwa andere Forschende an uns herantreten. Oder um die geschichtliche Bildung an den Schulen zu unterstützen“, so Jessen.

Dreiklang zwischen Museum, Archiv und Forschung

Auch Jon Thulstrup sieht in der Dreiteilung der Arbeit zwischen Museum, Archiv und Forschung das Besondere an seiner neuen Stelle. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Hauke Grella und Nina Jebsen. Bereits während meiner Doktorandenzeit habe ich gut mit beiden zusammengearbeitet“, sagt er.

Gerne möchte Jon Thulstrup an seine bisherige Forschungsarbeit anknüpfen, in der er sich mit der Minderheit aus Sicht von drei Generationen beschäftigt hat. In ihr hat Thulstrup die Rolle von drei Generationen – Eltern-, Kriegs- und Enkelgeneration – während der Zeit des Nationalsozialismus untersucht. „Die vierte Generation, also meine eigene, habe ich ja liegen lassen müssen. Da denke ich schon, dass dafür jetzt Platz ist“, sagt er.

Es geht darum, zusammenzuarbeiten. Wir machen die gesamte geschichtliche Arbeit in erster Linie nicht, um ein Buch herauszugeben, sondern um uns auszutauschen.

Uwe Jessen, BDN-Generalsekretär

Knivsberg zum historischen Lernort ausbauen

Eine wichtige Aufgabe besteht zudem darin, den Knivsberg zu einem historischen Lernort zu machen. Uwe Jessen erläutert dies näher: „Wir haben in den vergangenen Jahren eine bewusste Öffnung auf dem Knivsberg gemacht und uns mit unserer Vergangenheit beschäftigt. Da hatte man vor 50, vor 30, vor 10 Jahren eine andere Herangehensweise als heute.“

So gebe es unter anderem den Beschluss, dass Namen von nachweislichen Kriegsverbrechern auf den Gedenkplatten auf dem Knivsberg gelöscht werden sollen. Ob dieser Beschluss jedoch auch in Zukunft Bestand habe, wisse er nicht, so Jessen. Es könne auch sein, dass stattdessen künftig die Geschichte der betreffenden Person erzählt wird. „Es soll ein Lernort entstehen, an dem sich Gäste mit unserer Geschichte und all den Dilemmas, die es da für Einzelpersonen gegeben hat, auseinandersetzen können. Da ist Jon Thulstrups Doktorarbeit natürlich eine gute Grundlage“, so Uwe Jessen.

Deswegen könne es bestimmt auch relevant sein, sich mit der vierten Generation zu beschäftigen, meint Jessen. Allerdings wolle er nicht bestimmen, worüber geforscht werde. Das sei Aufgabe des Teams aus Jon Thulstrup, Hauke Grella und Nina Jebsen.

Wir sind mit der Forschung zur Zeit des Nationalsozialismus gerade erst in Gang gekommen. Dazu gibt es noch jede Menge interessantes Material und spannende Geschichten.

Jon Thulstrup, Historiker

Erstes Treffen Ende Juni

Ende Juni wird es ein erstes Treffen geben, auf dem sich die Hauptamtlichen des Deutschen Museums, des BDN und des Knivsbergs zusammensetzen und gemeinsam einen Plan ausarbeiten wollen, wie künftig mit der Geschichtsforschung weitergearbeitet werden soll. Die Details sollen dann von einer Lenkungs- und einer Arbeitsgruppe, in die auch die Ehrenamtlichen einbezogen werden, definiert werden.

Jon Thulstrup ist sich sicher, dass ihm die Arbeit nicht ausgehen wird. „Wir sind mit der Forschung zur Zeit des Nationalsozialismus gerade erst in Gang gekommen. Dazu gibt es noch jede Menge interessantes Material und spannende Geschichten, die in verschiedenen Publikationen verarbeitet werden können“, sagt Thulstrup.

Ich mag ja gerne unter Leute kommen, da ergeben sich immer interessante Diskussionen.

Jon Thulstrup, Historiker

Forschungsarbeit vermitteln

Außerdem arbeitet er gemeinsam mit Thomas Wegner Friis, Lektor am Institut für Sprache, Kultur, Geschichte und Kommunikation an der SDU, und Mogens Rostgaard Nissen, Archiv- und Forschungsleiter der dänischen Minderheit, an einem Projekt zur Überwachung der beiden Minderheiten in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen.

Sehr viel Freude bereitet Jon Thulstrup auch, seine Arbeit zu vermitteln. „Vor kurzem habe ich eine Gruppe von der Akademie Sankelmark über den Knivsberg geführt, das macht unheimlich viel Spaß. Und im Mai habe ich in Hadersleben einen Vortrag über meine Forschungsergebnisse gehalten. Ich mag ja gerne unter Leute kommen, da ergeben sich immer interessante Diskussionen“, so Thulstrup.

Nachwuchs und Umzug stehen an

Zudem würde er gerne seine eigene ph.d.-Arbeit als Buch veröffentlichen. Da müsse dann allerdings noch einiges getan werden, beispielsweise was die Zusammensetzung angeht. „Doch all das müssen wir jetzt erst mal abklären und sehen, was möglich ist“, sagt Jon Thulstrup.

Für den Dezember kündigen sich weitere große Ereignisse an. Dann soll Jon Thulstrup zum dritten Mal Vater werden. Wenn der Nachwuchs das Licht der Welt erblickt hat, soll es auch an die Suche nach einer neuen Bleibe gehen, natürlich in Nordschleswig. „Ich mag ja die Ostküste so, Sonderburg finde ich richtig toll, am liebsten möchte ich mit meiner Familie in diese Ecke ziehen. Obwohl Tingleff ja die schönste Stadt Nordschleswigs ist“, sagt Jon Thulstrup mit einem Lachen in der Stimme.

Der Artikel wurde in Bezug auf den von Jon Thulstrup erlangten akademischen Titel am 12.6.2023 um 11 Uhr präzisiert.

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