Schleswigsche Gespräche

Schleswig und Holstein in der Weltpolitik

Schleswig und Holstein in der Weltpolitik

Schleswig und Holstein in der Weltpolitik

Frank Lubowitz
Flensburg
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Ein Denkmal erinnert im Kieler Schlossgarten an den in Kiel geborenen Zaren Peter III. Foto: Frank Lubowitz

Mit einem gut besuchten Vortrag von Prof. Dr. Oliver Auge wurde die Vortragsreihe „Schleswigsche Gespräche – deutsch-dänische Begegnungen“ in diesem Winterhalbjahr abgeschlossen.

In seinem Vortrag „Schleswig-Holstein im Spiegel der Weltpolitik“ stellte der Kieler Professor für Regionalgeschichte in einem Längsschnitt die Landesgeschichte in einen größeren – welthistorischen – Zusammenhang, denn vieles, was in Schleswig und Holstein nur als regionales Ereignis angesehen wird, hat bei genauerer Betrachtung einen weit über die Region hinausgehende Bedeutung.

Das erläuterte Oliver Auge an zehn Beispielen. Das Erste war die Schlacht bei Bornhöved 1227. In Holstein ging mit diesem militärischen Ereignis das Ostseeimperium des dänischen Königs Waldemars II. unter. Graf Adolf von Holstein war als Teil einer norddeutschen Koalition daran beteiligt und konnte dadurch den Grundstein für den Aufstieg seines Grafengeschlechts für die nächsten 230 Jahre legen. 

Für die damalige Welt bedeutete diese Niederlage Waldemars aber viel mehr: Sie öffnete den Weg für die deutsche Kolonisation des Ostseeraums und den Aufstieg der Städte am südlichen Ostseerand zur mächtigen Hanse unter der Führung Lübecks. Weiter im Osten führte der Zusammenbruch des dänischen Ostseeimperiums dazu, dass die Ritterorden, zunächst der Schwertbrüderorden, dann der Deutsche Orden, ins Baltikum ausgreifen und ihren Machtbereich weit nach Osten ausdehnen konnten. Somit sollten die Folgen dieser Schlacht die Geschichte des Ostseeraums für Jahrhunderte bestimmen. 

Nach diesem mittelalterlichen Beispiel ging es um die Könige und Herzöge des Oldenburger Hauses, das über Dänemark und die Herzogtümer herrschte und aus deren Geschichte mehr als regionale oder dynastische Ereignisse herausragten: Entscheidungen oder auch nur historische Glücksfälle, die weltgeschichtliche Bedeutung haben sollten. 

Dass der Renaissancefürst Johann der Jüngere von Schleswig-Holstein-Sonderburg mit einem enormen Kinderreichtum aufwartete, diese Nachkommen aber nur mit Mühe standesgemäß versorgen konnte, war die eine Seite. Der historische Glücksfall war, dass 250 Jahre nach ihm ausgerechnet aus der jüngsten Linie seiner Nachkommenschaft ein Prinz Christian 1863 zum dänischen König werden und dieser seinerseits mit seinen Nachkommen die Throne Europas besetzen sollte. So war Johann der Jüngere Auslöser für Weltgeschichte mit Verzögerung. 

Die Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf konnte Prof. Auge gleich mehrfach mit weltpolitischen Ereignissen koppeln, z. B. in seiner Verbindung zu Schweden, dem großen Gegenspieler Dänemarks seit dem 17. Jahrhundert. Der große weltpolitische Coup gelang dem Haus Gottorf, klein und unbedeutend, jedoch von strategischem Interesse, aber damit, eine Zarentochter als Ehefrau von Herzog Carl Friedrich ins Kieler Schloss zu holen. Der aus dieser Ehe hervorgegangene Sohn Carl Peter Ulrich wurde dann von seiner Tante, der kinderlosen Zarin Elisabeth, zu ihrem Nachfolger bestimmt: Ein Kieler auf dem Zarenthron, der in seiner kurzen Regierungszeit als Zar Peter III. in seiner Bewunderung für König Friedrich II. von Preußen den Siebenjährigen Krieg beendete und damit den Weg für Preußens weiteren Aufstieg ebnete. 

Auch den Kieler Frieden von 1814 wertete der Referent als ein welthistorisches Ereignis: Am Ende der Napoleonischen Kriege gewann der schwedische Thronfolger Bernadotte bei zwei Gefechten in Holstein und dem folgenden Friedensschluss Norwegen auf holsteinischem Boden für Schweden. 

Später im 19. Jahrhundert waren stets die europäischen Großmächte an den Friedensverhandlungen beteiligt, die den beiden Schleswigschen Kriegen von 1848-1851 und 1864 folgten. Die Herzogtümer waren somit stets im Blickfeld der europäischen Mächte und spielten eine wichtige Rolle bei der Frage nach dem europäischen Machtgleichgewicht und der Rolle Dänemark am Ostseezugang.

Zwei weitere Beispiele Prof. Auges beschäftigten sich mit Schleswig-Holstein und der wilhelminischen Politik: Auch der Helgoland-Sansibar-Vertrag von 1890 brachte nicht nur Helgoland zurück nach Schleswig-Holstein, ein Blick auf die Karte zeigte, dass das für die Hochseeinsel Helgoland eingetauschte Sansibar für britische Pläne einer Achse im Osten Afrikas vom Suez-Kanal bis Kapstadt von enormer kolonialpolitischer und damit weltgeschichtlicher Bedeutung war. Ebenso war Schleswig-Holstein von zentraler Bedeutung für die Flottenpolitik Kaiser Wilhelms II. und seines Großadmirals Tirpitz – und diese gegen England gerichtete Flottenpolitik hatte eine weltpolitische Bedeutung, die im Ersten Weltkrieg mündete. 

Und auch nach dem Ersten Weltkrieg sollte Schleswig-Holstein auf der weltpolitischen Bühne Thema sein, als es nämlich im Versailler Vertrag in Bezug auf eine Volksabstimmung in Schleswig behandelt wurde. Und die Tatsache, so stellte Prof. Dr. Auge fest, dass die nationale Frage in Schleswig nicht auf bilateralem Wege, wie es etwa der aus Schleswig-Holstein stammende deutsche Gesandte in Kopenhagen, Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau, vorgeschlagen hatte, sondern im internationalen Kontext des Versailler Vertrages behandelt wurde, sollte für lange Zeit Auswirkungen auf die Akzeptanz dieser 1920 gezogenen Grenze haben. 

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