Struktur
Zukunftsdebatte in der dänischen Minderheit
Zukunftsdebatte in der dänischen Minderheit
Zukunftsdebatte in der dänischen Minderheit
Strukturdebatte in Südschleswig: Zukunftszenarien liefern Anregungen für einen Wandel in der Vereinsorganisation. In einem 53-seitigen Bericht über Möglichkeiten der Effektivisierung und Organisation in Südschleswig, werden Wege aufgezeigt, wie die Herausforderungen der Zukunft am besten zu bewältigen sind
Das Leben auf unserem Planeten befindet sich in einem Wandlungsprozess, dem man sich kaum entziehen kann. Die aktuelle Corona-Krise ist nur das jüngste Beispiel von vielen, die zeigen, dass die Welt vor neuen und teilweise gewaltigen Herausforderungen steht. Da wäre zum einen die rasant um sich greifende Digitalisierung, aber auch die Globalisierung und die Verschiebung von kollektivistischen zu individualistischen Wertorientierungen sind wichtige Themen, denen man sich künftig stellen muss. Das gilt für Regierungen ebenso wie beispielsweise für Organisationen, Vereine und ja, Minderheiten.
In einem jüngst erschienenen Bericht über Möglichkeiten der Effektivisierung und Organisation der dänischen Minderheit in Südschleswig („Rapport om effektiviserings- og organisationsmuligheder i Sydslesvig“) denkt eine Arbeitsgruppe der Minderheit laut darüber nach, wie man künftig die Arbeit innerhalb der dänischen Minderheit organisationsübergreifend so gestalten kann, dass sie nicht nur zweckmäßiger und wirtschaftlich sinnvoller ausgerichtet wird, sondern auch dazu beiträgt, den Zusammenhalt und das Selbstverständnis innerhalb der Minderheit zu stärken.
Megatrends machen vor Minderheiten nicht halt
Die Überlegungen zu einem – nach Meinung vieler – längst überfälligen Strukturwandel ist unter anderem vor dem Hintergrund zu sehen, dass gesellschaftliche Entwicklungstrends – einige sprechen hier von Megatrends – immer mehr auch in den Minderheiten spürbar wahrgenommen werden.
Beispiel: Die Entwicklung hin zu einem immer ausgeprägteren Individualismus hat oftmals zur Folge, dass viele Arbeitnehmer nicht mehr bereit sind, sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich etwa für Vereinsarbeit zu engagieren. Dies geht dann häufig auf Kosten des Gemeinsinns, was auch die Vereine in den Minderheiten trifft.
Der Zusammenhalt und das Selbstverständnis innerhalb der dänischen Minderheit in Südschleswig wird laut des jetzt vorliegenden Berichts auch dadurch herausgefordert, dass viele deutsche Eltern, die ihre Kinder in die dänischen Kindergärten, Schulen oder Sportvereine schicken, dies tun, weil sie von dem jeweiligen Bildungs- beziehungsweise Freizeitangebot überzeugt sind, darüber hinaus aber wenige bis gar keine Anknüpfungspunkte zur dänischen Sprache und Kultur mitbringen.
Fragmentierung des Minderheitenbewusstseins
Als „Angebots-Shopper“ picken sie sozusagen das ihrer Meinung nach Beste für sich heraus, ohne sich zu weiterem Engagement verpflichtet zu fühlen. Der Bericht spricht hier von einer „Fragmentierung des Minderheitenbewusstseins“.
Die Frage, die sich hier laut Bericht stellt, ist, wie weit eine solche Fragmentierung gehen darf, bevor sie die Grundideale einer Minderheit verwässert und langfristig ein Überleben in Frage stellt.
Weltbürger und Mitglied einer Minderheit – geht das?
Die Globalisierung – ein weiterer Megatrend – stellt, so der Bericht, die dänische Minderheit und Minderheiten insgesamt vor die spannende Frage, wie einige der weltweiten Reaktionen auf „das globale Dorf“ in Form eines stärker ausgeprägten Nationalismus (Brexit, Trump u. Ä.) künftig das Selbstverständnis nationaler Minderheiten beeinflussen wird.
Wie wird eine nationale Bewusstseinsausrichtung künftig von einer breiten Öffentlichkeit gewertet werden? Positiv oder negativ?
In einer Zeit, in der jeder zum Weltbürger wird, könnte es für Minderheiten auch zur besonderen Herausforderung werden, an eigenen Bräuchen und Traditionen festzuhalten. Andererseits gibt die Globalisierung den Minderheiten auch ganz neue Möglichkeiten und Chancen an die Hand, etwa die Möglichkeit, stärker als bisher als kulturübergreifende Brückenbauer tätig zu werden.
Eigene Schwerpunkte wichtiger als Traditionsverbundenheit
Die Digitalisierung ist und bleibt weiterhin die größte Herausforderung, der man sich auch als Minderheit wohl oder übel stellen muss. Eine wachsende Zahl von Social-Media-Nutzern sucht und findet über die digitalen Zugänge neue Gemeinschaften, Interessengruppen, Erlebnisse und Informations- und Austauschmöglichkeiten.
Wenn man sich zum Beispiel digital zu Veranstaltungen anmelden kann beziehungsweise auf Facebook, Whats App oder ähnlichen Plattformen ein schneller Dialog zwischen Mitgliedern der Minderheit möglich ist, ist das zunächst positiv zu sehen.
Schwieriger wird es für die Anbieter von analogen Events, die oftmals die Erfahrung machen, dass bei traditionsreichen Veranstaltungen die Teilnehmerzahlen sinken, weil sich immer mehr der Anspruch durchsetzt, dass die jeweilige Veranstaltung einem persönlich etwas bringen muss.
Man kommt nicht einfach so und schaut dann, wie sich die Dinge entwickeln. Man lässt sich nicht überraschen, sondern geht selektiv nach eigenen Schwerpunkten vor. Diesen Trend schreiben viele der „Streaming“-Gesellschaft zu, wo ebenfalls selektiv etwa bei der Wahl von Filmen oder Musikvideos vorgegangen wird.
Positionierung muss klarer werden
Angesichts dieser gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen geht es laut dem Bericht für die dänische Minderheit mehr denn je darum, sich klar zu positionieren, nach innen und nach außen.
In einem sogenannten „Missions-Statement“ sollen die eigene Existenzberechtigung und die eigenen Zielsetzungen klar definiert und auf Grundlage dessen ein „Visions-Statement“ entwickelt werden, in dem mögliche Lösungsansätze aufgezeigt und ein Bild von einer Minderheit, wie man sich diese idealerweise im Jahr 2030 vorstellt, gezeichnet werden.
Vier Szenarien (A, B, C und D) dienen dem Sydslesvigsk Samråd, dem Südschleswig-Rat, dem sieben Verbände der dänischen Minderheit angehören, als Anregung und Impuls, wie die Minderheit künftig mit den Herausforderungen der Zeit besser und effektiver umgehen kann.
Wie geht es weiter?
Es wird nun Aufgabe der einzelnen Minderheiten-Organisationen sein, sich mit dem Inhalt des Berichtes vertraut zu machen und die zur Auswahl stehenden Szenarien unter den Mitgliedern durchzuspielen, Vor- und Nachteile gegeneinander aufzuwiegen, um sich dann anschließend zu eigenen Wünschen und Vorstellungen und dazu, ob und wie diese mit den Szenarien kompatibel sind, zu äußern.
Den Anfang macht der Südschleswigsche Verein (SSF) auf seiner Vorstandsitzung am 30. Juni.
Vielleicht wird aber nicht so sehr über die Möglichkeiten, sondern vielmehr über die Notwendigkeiten eines Wandels angesichts einer sich schnell verändernden Welt zu diskutieren sein, wo ganz allgemein die Kenntnisse über die deutsch-dänische Grenzlandgeschichte im Abnehmen sind. Umso mehr gilt es für die Minderheiten, sich durch eine deutlichere Positionierung in der Öffentlichkeit für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten, so der Bericht.