Sommerkirche

Selbst der Hofhund war gerührt

Selbst der Hofhund war gerührt

Selbst der Hofhund war gerührt

Lautrup/Lovtrup
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Für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes zeichneten Doris Sommerlund (l.) und Andrea Brachwitz-Doll verantwortlich. Foto: Anke Haagensen

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Die musikalische Gestaltung des traditionellen Scheunengottesdienstes auf dem Christiansen-Hof in Lautrup-Feld lag bei Andrea Brachwitz-Doll und Doris Sommerlund in den besten Händen.

Wenn die Gemeindeglieder mit prall gefülltem Picknickkorb auf den Christiansen-Hof in Lautrup-Feld eintrudeln, dann ist der traditionelle Scheunengottesdienst des Tingleffer Pfarrbezirks angesagt.

Wer noch nie auf dem Hof war, findet den Weg zur Scheune dennoch ganz leicht: Einfach dem fröhlichen Klönschnack nach.

Popsong als Präludium

Da es auf dem Hof keine Kirchenglocken gibt, erhob Pastor Ole Cramer kurz die Stimme, damit Andrea Brachwitz-Doll auf der Geige und Doris Sommerlund an der Orgel das Präludium anstimmen konnten. Es war kein klassisches Orgelstück, wie sonst häufig in der Kirche, sondern die Instrumentalversion eines Popsongs, der vor zehn Jahren von dem Norweger Rolf Løvland komponiert wurde. Der Titel lautet „You raise me up“ und erinnert an eine traditionelle irische Volksweise, wurde aber tatsächlich erst 2001 komponiert.

Das Führerhaus ist der Stammplatz des schwarzen Labradors. Foto: Anke Haagensen

Die Version von Andrea Brachwitz-Doll und Doris Sommerlund ging unter die Haut; sogar der Hofhund, der ansonsten den ganzen Gottesdienst über vollkommen ruhig auf dem Fahrersitz einer der Landmaschinen in der Scheune verharrte, jaulte „verzweifelt“ mit, welches wiederum die Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmer zum Schmunzeln brachte.

Normalerweise wird in der Kirche auf Beifall verzichtet; in der Scheune schien es dagegen vollkommen natürlich, den beiden Musikerinnen für die stimmungsvolle Einführung in den Gottesdienst spontan Applaus zu spenden.

Astrid Cramer-Kausch und Ole Cramer hatten den Gottesdienst unter das Thema Wege gestellt. Foto: Anke Haagensen

Wege als roter Faden

Das Pastorenehepaar Cramer hatte den Gottesdienst unter das Thema Wege gestellt. Gemeinsam mit den beiden Konfirmanden Jacob und Sebastian, die wegen der Corona-Pandemie erst im September eingesegnet werden, wurde der Gottesdienst mit einer Psalmwort-Collage eingeleitet, die allesamt mit dem Thema Weg zu tun haben.

Im weiteren Verlauf des Gottesdienstes zitierte das Quartett einige markante Sätze aus der Literatur und später folgten auch noch einige Volksweisheiten. Das Wege-Thema scheint schon viele Menschengenerationen beschäftigt zu haben.

Eigentlich hätten auch die Minikonfirmanden bei dem Sommergottesdienst mitwirken sollen, doch eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier einer Mitschülerin wurde dann doch der Vorrang gegeben – und zwar mit dem Segen des Pastorenpaares. „Sie haben coronabedingt schon so lange auf Gemeinschaft verzichten müssen“, hatte Astrid Cramer-Kausch großes Verständnis für die Entscheidung der Familien.

Ria (r.), die Tochter des Pastorenehepaars Cramer, nimmt Geigenunterricht bei Andrea Brachwitz-Doll (Mitte). Begleitet von Doris Sommerlund (l.) an der Orgel spielten Schülerin und Lehrerin ein gemeinsames Lied. Foto: Anke Haagensen

Meeresrauschen und Vogelgezwitscher

Der Liederzettel bot eine bunte Mischung aus älteren und moderneren Kirchenliedern. Für das Lied 504 aus dem Evangelischen Gesangbuch (Himmel, Erde, Luft und Meer) bietet die Christiansen-Scheune jedoch das richtige Ambiente. Wenn der Sommerwind durch die Bäume weht, hört sich das durchaus an wie Meeresrauschen und über den Köpfen der Anwesenden flitzten die Schwalben eifrig hin und her. Ihr hungriger Nachwuchs verlangte lautstark nach Futter.

Das Joshua-Bell-Experiment

In ihrer Predigt animierte das Pastorenehepaar die Anwesenden dazu, sich mehr Zeit zu nehmen – insbesondere für die schönen Dinge im Leben. An wie vielen solcher Momente haste man achtlos im Stress des Alltags vorbei, ohne sie wahrzunehmen.  

Im Anschluss an den Gottesdienst gesellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die aufgestellten Tische, packten ihre Picknickkörbe aus und ließen so den Nachmittag gemütlich ausklingen. Foto: Anke Haagensen

Ein Experiment der Zeitung „Washington Post“, die den amerikanischen Geigenvirtuosen Joshua Bell 2007 als Straßenmusikant verkleidet in der Metro von Washington Johann Sebastian Bachs wohl schönste und auch schwierigste Komposition, Chaconne in d-Moll, auf seiner dreieinhalb Millionen Dollar teuren Stradivari spielen ließ, hasteten die allermeisten Passantinnen und Passanten an dem Stehgeiger vorbei. Etwas mehr als 30 Dollar (knapp 190 Kronen) hatte der weltberühmte Musiker in knapp 45 Minuten in der Metro erspielt.

Ein kleines Überraschungspaket hatte das Pastorenehepaar Cramer für die Gastgeber des Nachmittags, Nicolai Christiansen und Margarethe Nissen, zusammengestellt. Foto: Anke Haagensen

Weit mehr als 30 Dollar lagen übrigens nach dem Gottesdienst in dem Korb, der als Klingbeutel herhalten musste. – Das Geld wird dem Verein der Freunde der Breklumer Mission in Nordschleswig zur Verfügung gestellt, damit unter anderem Projekte in Afrika, Indien und Papua-Neuguinea unterstützt werden können.

Nach dem Postludium, Andrea Brachwitz-Doll und Doris Sommerlund spielten den Abendsegen aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck, wurden dann die mitgebrachten Picknickkörbe geöffnet.

Der nächste Gottesdienst des Pfarrbezirks ist am 11. August der Freiluftgottesdienst am Maislabyrinth am Uker Angelsee.

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Kommentar

Jens Kragh Iversen
Jens Kragh Iversen Sportredakteur
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