Diese Woche in Kopenhagen
„Kernschmelze der Feiglinge“
Kernschmelze der Feiglinge
Kernschmelze der Feiglinge
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Fast stündlich wird der Ton in der Auseinandersetzung um den Vorsitz der Dänischen Volkspartei immer schriller. Damit könnte nach dem Sonntag genau das passieren, was seinerzeit zur Gründung von DF führte: eine Parteispaltung. Ein für die Partei glücklicher Ausgang der Wahl zum Vorsitz ist nicht erkennbar, meint Walter Turnowsky.
Lene Baggersø Fruerboel ist optimistisch: Sie sieht eine glorreiche Zeit für die Dänische Volkspartei (DF) anbrechen.
„Wir sind voller Kampfgeist. Wir sind voller Glauben an die Zukunft“, sagt die Vorsitzende der DF-Lokalabteilung Tondern in einem Video. Der Erlöser, so gibt sie zu verstehen, heißt Morten Messerschmidt.
Er hätte als Vorsitzender sogar in Tondern Schlimmes verhindern können: DF verlor im November alle drei Mandate, und – oh Graus – die „Deutschen“ ergriffen in der Grenzkommune die Macht. Letztere Äußerung sei nur ein Spaß gewesen, versichert Baggersø Fruerboel „JydskeVestkysten“.
Wir könnten sie ja, nur so zum Spaß, als die „komische Aline“ bezeichnen.
Fahren wir ein Stückchen die Westküste hinauf, kommen wir nach Seem, wo Marie Krarup geboren und aufgewachsen ist. Sie sieht Morten Messerschmidt so gar nicht als Erlöser und hat gedroht, die Partei zu verlassen und eine neue zu gründen, sollte er am Sonntag gewinnen.
Zusammenbruch der Fortschrittspartei
Und damit wären wir an einer geeigneten Stelle für einen historischen Rückblick gelandet. Unser Scheinwerfer richtet sich auf den 1. Oktober 1995: Ein wutentbrannter Kresten Poulsgaard weigert sich, das Rednerpult beim Parteitag der Fortschrittspartei zu verlassen.
„Feiglinge (tøsedrenge)“, brüllt er in die Versammlung. Gemeint sind Kristian Thulesen Dahl und Peter Skaarup. Der Rest des Parteitages ist Chaos.
Am Morgen nach dem Parteitag verlässt Pia Kjærsgaard die Fortschrittspartei und gründet gemeinsam mit unter anderen Thulesen Dahl und Skaarup am 6. Oktober die Dänische Volkspartei.
Die drei sind fest entschlossen, dass sich das Chaos der Fortschrittspartei nicht wiederholen darf. Das Triumvirat leitet die Partei mit fester Hand. Wer aus der Reihe tanzt, fliegt raus.
Der Sieg als Anfang der Niederlage
Nicht zuletzt dieser straffe Führungsstil wird zum Erfolgsrezept der rechten Partei, die bei den Folketingswahlen 2015 die größte bürgerliche Partei wird, in Nordschleswig sogar die größte überhaupt.
Der Triumph birgt jedoch bereits den Keim des Niedergangs in sich. Thulesen Dahl, der 2012 den Vorsitz übernommen hatte, weigerte sich, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das ist nur einer der Gründe, aber seither hat DF sämtliche Wahlen verloren.
Parallel mit der Wählergunst schwindet auch die Einigkeit innerhalb der Partei.
Intrigen
Als Thulesen Dahl nach den verlorenen Kommunalwahlen im November hinschmeißt, fehlt die natürliche Nachfolge. Der Versuch, Inger Støjberg zu gewinnen, scheitert.
Der Streit zwischen den beiden Kandidaten Martin Henriksen und Morten Messerschmidt sowie ihren Unterstützerinnen und Unterstützern wird immer erbitterter. Die Methoden und Intrigen, die beide Flügel benutzen, sind schon nicht mehr jugendfrei.
Dazwischen versucht die relativ unbekannte Merete Dea Larsen, sich als Alternative zu positionieren.
Neue Partei?
Derzeit wird Messerschmidt als Favorit gehandelt. Gewinnt er, wird wohl nicht nur Marie Karup die Partei verlassen, sondern sehr wahrscheinlich auch Martin Henriksen. Weitere prominente Parteimitglieder haben es ebenfalls angekündigt. Vielleicht könnten sie sogar Thulesen Dahl, der absolut kein Messerschmidt-Fan ist, für ein neues rechtes Parteiprojekt gewinnen.
Doch ist bereits so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es gar nicht genug Uhu gibt, das alles wieder zusammenzukleben.
Walter Turnowsky
Sollte Henriksen an der Basis den größeren Rückhalt haben, so ist schwer erkennbar, dass für Messerschmidt Platz in der Partei sein wird – zumindest nicht in prominenter Funktion. Ähnliches gilt für den Europaparlamentarier aus Hadersleben, Peter Kofod, der Messerschmidts Wunschkandidat als Vize ist. Wie die beiden auf diese Situation reagieren würden, ist unklar.
Dark Horse
Merete Dea Larsen wurden bis vor einer Woche kaum Chancen eingeräumt, doch bei einer Fernsehdebatte unter den Kandidaten am Sonntag konnte sie punkten und hat nach Auffassung von politischen Beobachtern am besten abgeschnitten. Ihre Chance ist, dass ausreichend viele Delegierte von den beiden Streithähnen die Nase voll haben.
Sie hätte als Vorsitzende noch die beste Chance, eine reguläre Spaltung zu verhindern. Dennoch würde sie mit einer tief zerstrittenen Partei dastehen. Die Gegensätze sind zwar eher persönlich als politisch, doch ist bereits so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es gar nicht genug Uhu gibt, das alles wieder zusammenzukleben.
Nur eine wird sich freuen
Am Sonntag wird wohl keiner „Feiglinge“ brüllen. Schillernde Figuren wie Poulsgaard gibt es heute in der dänischen Politik nicht mehr. Auch das Chaos wird sich nicht wiederholen.
Wird das Ergebnis jedoch wie damals die Gründung einer neuen Partei, prognostiziere ich keinen von beiden eine glorreiche Zukunft. Freuen darf sich in dem Fall Pernille Vermund von den Neuen Bürgerlichen.