Krieg in der Ukraine
Flüchtlingshilfe: „Manchmal braucht es nur einen Ball“
Flüchtlingshilfe: „Manchmal braucht es nur einen Ball“
Flüchtlingshilfe: „Manchmal braucht es nur einen Ball“
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Eigentlich hatte Ute Mammen ein Buch schreiben wollen. Über die ersten Kapitel kam die Tonderanerin nicht hinaus. Denn dann kam der Krieg. Seither hat sie alle Hände voll damit zu tun, die Welle der Hilfsbereitschaft zu koordinieren: nicht nur in einem Asylzentrum, sondern in sieben.
Das nächste Kapitel ihres Lebens hatte sich Ute Mammen anders vorgestellt. Zehn Jahre lang hat die gebürtige Tonderanerin das Freiwilligenzentrum der Stadt an der Wiedau geleitet.
„Ich war an einem Lebensabschnitt angekommen, an dem etwas Neues passieren musste“, sagt sie. Sie kündigte. Ein Buch habe sie schreiben wollen – über ihr bisheriges Leben und die vielen Begegnungen darin, erzählt die ausgebildete Pädagogin und Therapeutin.
Die Memoiren müssen warten
Über die ersten Kapitel ihrer Memoiren ist Ute Mammen bis heute nicht hinausgekommen. Erst kam der überraschende Rückzug der USA aus Afghanistan, dann der Krieg in der Ukraine. Nichts ist seither, wie es einmal gewesen ist.
Angesichts nicht abreißen wollender Flüchtlingsströme war die Expertise der 54-Jährigen erneut gefragt: Seit dem Herbst des Vorjahres koordiniert sie in Regie von „AsylSyd“ die ehrenamtliche Arbeit in den Flüchtlings- und Asylzentren Süddänemarks: „Ich muss aus dem Fenster schauen, um zu wissen, wo ich gerade bin“, sagt sie lachend.
Enorme Hilfsbereitschaft
An diesem Freitag ist sie in Hadersleben. Dort hat AsylSyd im Auftrag der Ausländerbehörde das ehemalige Krankenhaus als Asylzentrum eingerichtet. Gegenwärtig haben unter seinem Dach zwischen 450 und 500 Familien, die vor Putins Angriffskrieg aus der Ukraine geflüchtet sind, eine vorläufige Bleibe gefunden, während sie auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge entsprechend der soeben verabschiedeten Sondergesetzgebung warten.
Die Veranstalter des Kløften-Festivals haben T-Shirts für die vielen Freiwilligen im Asylheim gespendet, damit die Helferinnen und Helfer dort schnell zu erkennen sind, denn es herrscht reges Leben in den weitläufigen Hallen des einstigen Krankenhauses.
Auch das Mobiltelefon der Koordinatorin lässt ständig von sich hören: „Sobald ich auflege, habe ich schon den nächsten am Rohr“, sagt sie.
In der Tat: Es ist nicht einfach, mit Ute Mammen ein Gespräch zu führen, ohne dass das Telefon schrillt oder Sachspender und -spenderinnen eintrudeln, um Hilfsgüter abzuliefern.
Eine runde Sache
So wie Tim Bonde aus Starup. Er hat neben einem Kinderroller einen Sack mit Bällen dabei: „Die gehörten meinem fußballbegeisterten Sohn.“
Jetzt sollen sie im Asylzentrum Freude spenden. Es dauert nicht lange, bis eine Traube von Jungen den Staruper und seine Bälle umringt. Bälle sind eine runde Sache und finden reißenden Absatz – und machen an diesem Vormittag manchen Teenager glücklich. Die Kinder stürmen hinaus und kicken auf dem Rasen, was das Zeug hält.
Raus an die frische Luft
„Manchmal braucht es nur einen Ball, um andere froh zu machen“, sinniert Ute Mammen, bevor sie die nächste Spenderin begrüßt, die einen großen Karton mit Spielen durch den Haupteingang des früheren Krankenhauses trägt. Diesmal sind es die Mütter, die den Karton durchstöbern und fündig werden.
„Spiele sind perfekt, um zu verhindern, dass unseren Bewohnern die Decke auf den Kopf fällt – und Bälle, um die Kinder aus den Zimmern an die frische Luft zu locken“, stellt Ute Mammen fest, während sie durch die untere Etage führt. Dort ist der „Laden“ des Zentrums untergebracht: Schuhe, Spielzeug, Kleidung für Groß und Klein liegen in den Regalen.
„Das ist längst nicht alles“, sagt Ute Mammen: 20 Meter mit Hilfsgütern warten noch darauf, einsortiert zu werden.
Kleidung im Überfluss
Kleidung gibt es inzwischen mehr als genug – und auch sonst kann Mammen über die Hilfsbereitschaft von Ortsansässigen nicht klagen. Allein in Hadersleben kann sie sich auf ein Team von etwa 30 Ehrenamtlichen verlassen, wenn Not am Mann ist. Etwa 100 sind es insgesamt in allen Asylzentren.
In Toftlund hat ein Handwerksbetrieb eine Hüpfburg für die Kinder aufgebaut: „Ein Riesen-Erfolg“, verrät Mammen.
Doch, auch das sollte erwähnt werden: Es gibt Leute, die nutzen Spendenaufrufe, um ihren Müll zu entsorgen. In Hadersleben sei dies bislang zwar die Ausnahme – in anderen Zentren keineswegs, erzählt die Koordinatorin: „Dann liegen beispielsweise neben Kleidungsstücken Windeln in den Tüten – gebrauchte.“
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Brückenbauerin im Asylheim
Ute Mammen koordiniert nicht nur die Arbeit der Ehrenamtlichen – Brückenbauerin ist ebenfalls eine ihrer Funktionen: Sie versucht, bei alltäglichen Arbeiten, wie beim Aufräumen im Laden, Kontakte zwischen Einheimischen und Geflüchteten aufzubauen. In dieser Hinsicht kommt ihr nicht nur jahrelange Berufserfahrung zugute, sondern auch der Umstand, dass ihr als Angehöriger der deutschen Minderheit das Brückenbauen keineswegs fremd ist.