Regionalgeschichte

Hoyer im Zentrum des einstigen Herzogtums Schleswig

Hoyer im Zentrum des einstigen Herzogtums Schleswig

Hoyer im Zentrum des einstigen Herzogtums Schleswig

Hoyer/Højer
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Claus Pørksen zog die Zuhörerinnen und Zuhörer mit seinen Ausführungen bei der Veranstaltung des Vereins „Højeregnens Lokalhistorisk Forening“ in seinen Bann. Foto: Volker Heesch

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Hobbyhistoriker Claus Pørksen berichtete im Lokalhistorischen Verein Hoyer über das Geschehen im Westküstenort während der Schleswigschen Kriege im 19. Jahrhundert: Spionage, Kanonen-Ruderboote und pro-schleswig-holsteinische Honoratioren prägten das Bild.

Im voll besetzten Saal des alten Bürgermeisteramts in Hoyer hat am Dienstagabend der Lokalhistoriker Claus Pørksen die Zuhörerinnen und Zuhörer mit in die Zeit des 19. Jahrhunderts an der nordschleswigschen Westküste genommen.

Einst Lage im Zentrum

Pørksen, der heute in Gravenstein als Revisor tätig ist, stellte sich als gebürtiger Hoyeraner vor, der sich bestens mit den Familienverhältnissen in dem einst wichtigen Hafenort auskennt. „Hoyer lag früher im Zentrum des einstigen Herzogtums Schleswig“, so der Referent und erläuterte, dass der in den 1840er Jahren aufkommende Nationalismus mit den sich daraus erklärenden zwei Schleswigschen Kriegen, von 1848-1850 und im Jahre 1864, letztlich Hoyer eine Position in Randlage im Deutschen Reich und nach 1920 als Grenzort in Dänemark eingebracht hat. 

Während des Vortragsabends blieb auch Zeit für Unterhaltung, und es wurden Kaffee und Kuchen serviert. Foto: Volker Heesch

 

Pørksen gab, seine Ausführungen illustriert durch Lichtbilder, Einblick in die konfliktreichen Jahre seit den 1840er Jahre, die zum Ende des dänischen Gesamtstaates führten, in dem Dänisch und Deutsch friedlich nebeneinander das Bild prägten. „Das zeigen Grabsteine in Hoyer aus den 1830er Jahren. Da gab es deutsche und dänische Texte, mitunter auch die eine Sprache auf der Vorderseite und die andere auf der Rückseite“, berichtete der Lokalgeschichtsexperte.

Konflikt durch gegensätzliche Strömungen

„Der Konflikt entstand mit dem Aufkommen gegensätzlicher Strömungen, die ein unabhängiges Schleswig-Holstein, ,up ewig ungedeelt‘ oder ein Dänemark bis zur Eider forderten“, erklärte Pørksen. Was als Aufruhr und Bürgerkrieg begann, zu gewaltigen Kriegshandlungen mit vielen Opfern führte, resultierte in Interventionen der europäischen Großmächte. „Nach dem dänischen Sieg über die Schleswig-Holsteiner mit anschließend wieder dänischer Herrschaft in Schleswig und Holstein gab es keine Lösung des Schleswig-Problems“, so der Kenner der Geschichte Nordschleswigs.

 

Hoyers Honoratioren, abgebildet 1866 vor dem Gasthof, an dem heute das Gebäude des „Marskhotels“ am Markt steht Foto: Lokalhist. Arkiv Højer

 

So war die dänische Verfassung von 1863, die eine Trennung Schleswigs und Holsteins vorsah, der Anlass für den Ausbruch des Zweiten Schleswigschen Krieges 1864, der das Ende der beiden Herzogtümer und eine Einverleibung ins Preußische Königreich bis zu den Volksabstimmungen 1920 und der neuen Grenzziehung im selben Jahr brachte. Pørksen stellte wichtige Akteure aus Hoyer in diesen kriegerischen Zeiten vor, wo die Einwohnerschaft mehrheitlich ein unabhängiges Schleswig-Holstein unterstützte.

1848 zogen schleswig-holsteinische Truppen in Hoyer ein

Allerdings wurden Truppen der Aufrührer nach Einnahme Hoyers 1848 zunächst vorübergehend von dänischen Einheiten wieder vertrieben. Nach der Rückeroberung hielten diese sich bis 1849 im Ort. Nach Stationierung neutraler schwedischer Soldaten nach einem Waffenstillstand hielt später bis Kriegsende 1850 ein dänisches Reservejägerkorps den Ort.

Apotheker war Spion

Als Vertreter eines Verbleibs Hoyers bei Dänemark stellte Pørksen den Apotheker Herman Nagel vor, der sich als Spion und auf Basis seines beruflichen Wissens auch als Hersteller von Sprengstoff und Waffen betätigte. Ebenso Kapitän Hammer, der mit seinem Kriegsschiff Hoyer „eroberte“ und bis 1864 die dänische Staatsmacht an der Westküste vertrat. Zu den deutschen Widersachern zählten der Großbauer M. C. Matthiesen, der im heute noch existierenden Hof der Familie Ohlsen an der Straße Østerende residierte, und der Kaufmann Fedder Peter Hindrichsen. Pørksen berichtete von der Absetzung der deutsch gesinnten Ortsregierung, den Ratsmännern, 1850 nach der Niederschlagung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung. M. C. Matthiesen war in der Zwischenkriegszeit weiter in der Ständeversammlung in Schleswig repräsentiert. Dass es damals aber noch keine demokratischen Prinzipien gab, vermittelte der Lokalhistoriker mit dem Hinweis auf die Wahlberechtigung von nicht einmal einem Dutzend wohlhabender Hoyeraner.

1864 Seegefechte bei Hoyer

Im zweiten Teil seines Vortrags ging Pørksen auf die dramatischen Ereignisse in Hoyer im Sommer 1864 ein, als Preußen und Österreich nach der Erstürmung der Düppeler Schanzen im April des Jahres und dem Sieg gegen die dänischen Einheiten auf Alsen im Juni bereits Jütland bis Skagen unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Nur die Nordfriesischen Inseln sowie Röm (Rømø) und Fanø waren noch in dänischer Hand – beherrscht von Kapitän Hammer, dem die aus ihrem Stützpunkt Triest in die Nordsee vorgestoßene österreichische Flotte mit ihren großen Kriegsschiffen im Wattenmeer nicht beikommen konnte.

 

Das Bild zeigt Einsätze der vom dänischen Kapitän Hammer geleiteten dänischen Kanonen-Ruderboote bei der Insel Föhr 1864. Foto: Hist. Samfund for Sønderjylland

 

Zum Geschehen gehörte, dass Hoyer am 19. Februar 1864 dem Augustenburger Herzog Friedrich VIII. als rechtmäßigen Herrscher Schleswig-Holsteins gehuldigt hatte. Im Juni waren allerdings bereits Hoyeraner mit Vertretern Tonderns und Sylts zur Audienz bei Bismarck. „Davon hatte auch Kapitän Hammer Wind bekommen, er bereitete bereits die Festnahme der Hochverräter vor“, so Pørksen und fügte hinzu, dass ihnen dafür die Todesstrafe drohte. Dieser entgingen sie allerdings, weil die Dänen aus Schleswig vertrieben wurden.

Österreicher im Wattenmeer

Der Referent schilderte lebhaft, dass in Hoyer österreichische Soldaten aus der Steiermark einrückten und nach Märschen durch das Wattenmeer mithilfe der Marine ihres Kaiserreichs Hammer zur Kapitulation zwangen, nachdem dieser unter anderem mit Ruderbooten, die jeweils eine Kanone mit sich führten, sowie dem konfiszierten Dampfer der Linie Hoyer-Sylt tagelang Widerstand gegen die Übermacht geleistet hatte.

 

Begleitet vom Sylter Kapitän Andreas Andersen, zogen die österreichischen Offiziere von Lindner, Graf Waldenburg-Zeil und Friedrich Ritter von Wiser durch das Watt bis ans Lister Tief, um dort die österreichische Flotte für den Angriff auf die dänischen Schiffe zu instruieren (v. l.). Foto: Archiv Der Nordschleswiger

 

Claus Pørksen unterstrich, dass viel über die Düppeler Schanzen im Krieg 1864 berichtet worden sei, was an der Westküste in Hoyer und Umgebung passierte, bleib jedoch weitgehend unbekannt oder wurden vergessen. Er berichtete, dass sich nach 1864 die mehrheitlich deutschen Hoyeraner und die dänisch gesinnten Einwohner offenbar wieder vertrugen. Aufrührer M. C. Matthiesen fungierte nach 1864 viele Jahre als Bürgermeister.

Die Zuhörerschaft bedankte sich mit viel Beifall bei Claus Pørksen. Beim Verein „Højeregnens Lokalhistorisk Forening“ erscheint vor Weihnachten die Jahresschrift 2023. Darin werden lokalhistorische Beiträge und die Termine der Veranstaltungen im kommenden Jahr veröffentlicht.

 

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