Deutsche Minderheit

Marion und ihr Weg zur Lokalgeschichte

Marion und ihr Weg zur Lokalgeschichte

Marion und ihr Weg zur Lokalgeschichte

Lügumkloster/Løgumkloster
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Marion Mikkelsen Ohlsen wohnt seit fast zehn Jahren in ihrem Elternhaus. Foto: Monika Thomsen

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Marion Mikkelsen Ohlsen kennt sich mit dem Geschehen in ihrem Heimatort aus und engagiert sich seit sechs Jahren im lokalhistorischen Verein in Lügumkloster. In jungen Jahren wollte sie den kleinbürgerlichen Ort hinter sich lassen. Inzwischen hat sich ihre Auffassung gewandelt.

Obwohl Marion Mikkelsen Ohlsen in Lügumkloster in einem Haus mit geschichtlicher Atmosphäre wohnt, hat die Geschichte in ihrem Heimatort sie nicht immer interessiert. Das hat sich aber in jüngster Zeit geändert.

„Alles hier im Haus hat eine Geschichte. Daher habe ich auch keine Angst, sollte ich nachts jemandem begegnen. Dann handelt es sich um Verwandtschaft“, sagt die gebürtige Klosteranerin mit einem Lachen. Ihre Familie mütterlicherseits lebte seit 1847 in dem Haus an der Markledgade 10.

Tür an Tür mit der Schwester

„Es ist wunderschön, dass meine Schwester Kathrin direkt nebenan wohnt. Wir teilen uns den Garten und den Hof. Ich bin wirklich nach Hause gekommen“, so Marion.

Die 71-Jährige wohnt seit 2013 in ihrem Elternhaus, das ihr Schwiegersohn gekauft und renoviert hat. Auch das Haus ihrer Schwester gehörte seinerzeit als Abnahmehaus zu der Familie Roost.

Die Vergangenheit klopfte an

Dass Marion sich inzwischen im Lokalhistorischen Archiv und dem historischen Verein engagiert, hängt mit verflossenen Zeiten zusammen. Die Vergangenheit klopfte in Gestalt von Allan Honoré, der zu ihrer dreiköpfigen Jugendclique gehörte, an.

Nachdem sie viele Jahre keinen Kontakt gehabt hatten, wurde er an Marions Arbeitsplatz – der Zahnarztklinik – vorstellig, um sie für die Vereinsarbeit anzuwerben.

Mit seinem Anliegen biss er jedoch zunächst auf Granit. „Ich habe Nein gesagt, da ich in meiner Freizeit viel mit der Minderheit beschäftigt war und habe ihn auf meine Zeit als Rentnerin vertröstet“, so Marion.

Allan Honoré nahm sie beim Wort und stand bei ihr auf der Matte, als die Zahnarzthelferin in den Ruhestand wechselte. 

Marion auf dem alten Sofa Foto: Monika Thomsen

Lehrzeit im Archiv

Inzwischen ist sie seit etwa sechs Jahren dabei. „Die Arbeit im Archiv ist schon ein großer Happen. Allan war mein Mentor und hat mir gezeigt, wie es geht. Wir sitzen nebeneinander an den Computern, und er hilft mir immer noch. Es ist eine Riesenarbeit, die verschiedenen Materialien im elektronischen Erfassungssystem Arkibas einzutragen“, erläutert Marion.

„Das Schöne war, dass Allan und ich gleich auf einer Wellenlänge waren“, so Marion mit Blick darauf, dass seit der gemeinsamen Jugendzeit fünf Jahrzehnte verstrichen waren. Zu ihrem Lernprozess in der Archivarbeit gehörte auch die Teilnahme an mehreren Kursen.  

Mittlerweile schrieb auch der historische Verein Geschichte. Der von Frede Gotthardsen initiierte Verein feierte unlängst seinen 50. Geburtstag. Allan Honoré, der 30 Jahre lang Kassierer gewesen ist, wurde mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet.

Die Arbeit im lokalhistorischen Archiv macht Marion Spaß. Foto: Monika Thomsen

Vorfahren waren Böttcher

„Mein Interesse an der Arbeit steigt. Auch weil ich selbst so viele antike Dinge, Briefe, Erzählungen und Bilder ohne Namen habe“, sagt Marion.

Ihr Ur-Uropa, ihr Uropa und ihr Opa waren alle Böttcher. „Mein Opa saß hier drinnen, und überall waren Geräte, Bottiche und Jauchetonnen“, so die zweifache Mutter im heutigen Esszimmer. Marion erinnert sich daran, dass sie als Kind ihrem Opa geholfen hat, mit dem Beil die großen Fässer zu zerlegen.

Abdruck in der Mauer

Dass eine Tonne für Jauche zu groß konstruiert wurde, um das Gebäude zu verlassen, davon plaudert das Mauerwerk noch. Marion veranschaulicht vor der Haustür, wo vor vielen Jahrzehnten ein Stück entfernt wurde.

„Die Geschichte hat mir meine Mutter erzählt“, berichtet sie. Ihre Mutter Eline hatte als gelernte Schneiderin in dem Drei-Mädel-Haus im ersten Stock ihre Nähstube. Sie verstarb 1993. Vier Jahre später starb die älteste Tochter Margit.

„Jetzt habe ich sie“, so Marion, die als Kind die Figur bei ihren Großeltern nicht anfassen durfte. Foto: Monika Thomsen

Ein gutes Erinnerungsvermögen

„Je mehr ich mich mit der Lokalgeschichte befasse, umso interessierter werde ich. Ich muss ja eingestehen, dass ich mittlerweile zu den alten Klosteranern gehöre“, sagt mit einem Lächeln.

„Die alten Geschichten und die Erinnerungen von früher verschwinden ja mit den Leuten, die sterben. Daher ist wichtig, dass wir es für die Nachwelt registrieren, damit sie wissen, wie es war. Ich kann viel von früher erinnern. Daher denke ich, dass ich im Archiv nicht ganz verkehrt am Platz bin.“

Historisches Gedächtnis in der Mellemgade

Dort gibt es viele Nachfragen. Bilder, Briefe und auch kleinere Gegenstände werden in dem Sitz an der Mellemgade abgeliefert.

„Manche Dinge bekommen wir geschenkt, andere werden eingescannt. Es ist spannend und interessant. Ich habe das Gefühl, dass wir im Moment ein richtig gutes Team sind“, so Marion. Antriebsfeder und der Mann, der alles weiß, sei Vagn Lauritzen, der mit Archivleiter Frede Gotthardsen eine tragende Rolle einnehme.

Während des vergangenen halben Jahres wurde an dem aufschlussreichen Buch gearbeitet, das anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Vereins erschienen ist.

50 Jahre historischer Verein liegen in gedruckter Form vor. Foto: Monika Thomsen

Mit Freude zur Archivarbeit

Marion berichtet, dass alles Neue, was zur Tür hereinkommt, erfasst werden muss. Auch gelte es, vorhandenes Material elektronisch zu registrieren.

„Ich freue mich wirklich jedes Mal, wenn ich ins Archiv gehe". Montags ist die Einrichtung von 19 bis 21 Uhr und sonnabends von 10 bis 12 Uhr für den Publikumsverkehr geöffnet. Ungestörtes Arbeiten ist jeweils Mittwochnachmittag für das Team angesagt.

„Einige Fragen kann ich jetzt beantworten, und ich weiß, wo ich suchen muss", berichtet sie an ihrem Küchentisch.

Allan Honoré (l.) wird vom Vorsitzenden Vagn Lauritzen für sein langjähriges Engagement ausgezeichnet. Foto: Privat

Vom eigenem Interesse überrascht

Hätte ihr jemand vor zehn Jahren erzählt, dass sie die Arbeit im Archiv für spannend halten würde, hätte sie es demjenigen nicht geglaubt. Sie hat ihre Eltern nicht über das Geschehen in ihrem Heimatort ausgefragt, hat aber stets ein offenes Ohr gehabt, wenn diese in Erzähllaune waren.

„Wir waren in der Familie in den zwei benachbarten Häusern immer eng verbunden. Als Kinder waren wir nie allein“, so Marion mit Blick auf die generationsübergreifende Unterstützung in ihrer Kindheit.

Mittlerweile gehören sie und ihre Schwester zur ältesten Generation, nachdem ihr Vater Werner im Oktober 2009 verstorben ist.

Die Vorfahren sind an der Wand präsent. Foto: Monika Thomsen

Gewandelte Auffassung über den Heimatort

Marion, die sich im Sozialdienst Lügumkloster und der Nordschleswigschen Gemeinde engagiert, hat ihr Leben lang in der Klosterstadt gewohnt.

„Als junges Mädchen war es mein inniger Wunsch, aus der kleinbürgerlichen Stadt herauszukommen. Ich wollte eigentlich nach Frankreich, um zu arbeiten“, so Marion.
 

Ich kam nie nach Frankreich. Und die gegenseitige Aufmerksamkeit der Menschen, die ich damals als irritierend auffasste, vermittelt heute ein Stück Geborgenheit.

Marion Mikkelsen Ohlsen, Klosteranerin

Ihre berufliche Bestimmung fand sie jedoch entgegen ihren damaligen Erwartungen als Zahnarzthelferin in der Klosterstadt. Während ihrer 48 Dienstjahre, in denen sie eine große Entwicklung in der Branche mitmachte, hatte sie drei Chefs.

„Ich kam nie nach Frankreich. Und die gegenseitige Aufmerksamkeit der Menschen, die ich damals als irritierend auffasste, vermittelt heute ein Stück Geborgenheit“, so Marion, deren Uropa Peter Christian Roost 1887 die Feuerwehr in Lügumkloster gegründet hat.

Und wie könnte es anders sein, auch über ihn hat Marion bei ihrer Tätigkeit im Archiv Neues erfahren.

Vorstand des lokalhistorischen Archivs und des historischen Vereins für Lügumkloster

• Vorsitzender: Vagn Lauritzen 
• Sekretärin: Aase F. Wommelsdorff 
• Kassiererin: Aase F. Wommelsdorff 
• Allan Honoré 
• Marion Mikkelsen Ohlsen 
• Ulla Hasberg 

Das Archiv:
• Archivleiter: Frede Gotthardsen
• Mitarbeitende: Aase F. Wommelsdorff 
• Allan Honoré 
• Bodil Nielsen 
• Esben Lauritzen 
• Karin Lauritzen 
• Vagn Lauritzen 
• Ulla Hasberg 
• Marion Mikkelsen Ohlsen 
• Hans Jacob Jacobsen 

 

 

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