Deutsche Minderheit

„Seine Staatsbürgerschaft wechselt man nicht einfach wie seine Kleidung“

„Seine Staatsbürgerschaft wechselt man nicht einfach wie seine Kleidung“

„Seine Staatsbürgerschaft wechselt man nicht einfach"

Lügumkloster/Løgumkloster
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Bernd Jessen lebt seit fast 72 Jahren in Nordschleswig. 27 davon war er als Rektor der Deutschen Schule Lügumkloster tätig. Foto: dodo

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Bernd Jessen lebt bereits fast sein gesamtes Leben in Nordschleswig. An den dänischen Parlamentswahlen hat der 81-Jährige allerdings noch nie teilgenommen – und das nicht, weil ihn Politik nicht interessiert. Ihm fehlt ganz einfach die Staatsbürgerschaft. Im Interview erzählt er, warum er nach so vielen Jahren daran noch nichts geändert hat.

Am 1. November wählt Dänemark sein neues Parlament. Für Bernd Jessen ist dies ein besonderes „Jubiläum“. Es ist die 20. Folketingswahl an der er trotz wahlberechtigtem Alters nicht teilnehmen wird. Und das, obwohl er, die kurze Zeit des Abiturs und Studiums mal ausgenommen, seit 1950 in Nordschleswig lebt. Der Grund: Bernd ist kein dänischer Staatsbürger.

Egal ist es ihm aber nicht, dass er die politische Richtung des Landes nicht mitbestimmt.

„Ich bin durchaus ein sehr politischer Mensch und verfolge alles im Fernsehen und der Presse sehr genau. Mich wurmt es auch immer, dass ich nicht mit entscheiden kann, wenn wieder eine Wahl ansteht“, sagt Bernd.

Einmal Deutscher, immer Deutscher

Nun liegt natürlich die Frage nahe, warum Bernd, obwohl er nun seit knapp 72 Jahren in Nordschleswig lebt, nicht schon längst die deutsche Staatsbürgerschaft abgegeben und die dänische angenommen hat?

Doch das kam für ihn niemals infrage. „Aus meiner Sicht kann man seine Staatsbürgerschaft nicht einfach wechseln wie seine Kleidung. Ich bin als Deutscher geboren, also ist für mich klar, dass ich auch immer Deutscher bleibe“, so Jessen.

Stattdessen hatte er in all den Jahren einmal auf ein Umdenken vonseiten der Regierungen gehofft. „Ich wohne jetzt fast mein ganzes Leben hier, da hätte ich mir schon eine Regelung vom Staat gewünscht, dass man hinsichtlich der Folketingswahl für Menschen wie mich die Regeln eines Tages mal ändert.“

Wahlversuch scheitert an der Bürokratie

In den 1960er-Jahren, während seiner Studienzeit in Flensburg, hatte Bernd versucht, aufgrund seines deutschen Passes, an der Bundestagswahl teilzunehmen. Ein Vorhaben, dass er allerdings schnell wieder ad acta legte. „Man kann sich nicht vorstellen, was das für ein bürokratischer Aufwand war, um an der Wahl teilnehmen zu dürfen. Was die alles von mir wissen wollten, weil ich die Jahre zuvor in Dänemark gelebt hatte, war unglaublich. Ich habe das damals dann schnell wieder sein lassen“, erzählt Bernd mit einem Grinsen.

Doch vollkommen ohne Stimme sind die Jessens auch bei den Folketingswahlen nicht. Bernds Frau Metha ist Dänin und darf an den Wahlen teilnehmen. Auf die Frage, ob er so indirekt über seine Frau mitwählen würde, muss er lachen. „Wir unterhalten uns auch viel über Politik, aber am Ende entscheidet sie natürlich ganz allein, wem sie ihre Stimme gibt.“

Auch doppelte Staatsbürgerschaft keine Option

Seit einigen Jahren ist in Dänemark nun die doppelte Staatsbürgerschaft möglich, das bedeutet, dass Personen die dänische Staatsbürgerschaft erlangen können, ohne ihre bisherige dafür aufgeben zu müssen. Doch auch dies ist für Bernd Jessen keine Option. „Die doppelte Staatsbürgerschaft finde ich noch schlimmer. Das ist ja, als ob man sich die Rosinen herauspickt. Aus meiner Sicht erhält man bei der Geburt eine Staatsbürgerschaft und diese hat man dann ein Leben lang“, sagt Bernd Jessen, der niemanden dafür verurteilt, der dies anders sieht, aber für ihn ist eine doppelte Staatsbürgerschaft definitiv keine Option.

Damit hat Bernd Jessen mit seinen 81 Jahren noch niemals an einer Parlamentswahl teilgenommen. „Das ist schon etwas kurios. Aber im Grunde fühle ich mich sowieso vor allem als Nordschleswiger und bei den Kommunalwahlen gebe ich selbstverständlich immer meine Stimme ab“, sagt der ehemalige Schulleiter der Deutschen Schule Lügumkloster, der am 1. November wieder einmal zu Hause auf dem Sofa bleiben kann, wenn seine Frau sich bei hoffentlich nicht allzu nordschleswigschem Herbstwetter auf den Weg zum Wahllokal macht.

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