Vortrag
Warum der Tonderaner Poul Schlüter den Titel Staatsmann verdient
Warum der Tonderaner Poul Schlüter den Titel Staatsmann verdient
Warum Poul Schlüter den Titel Staatsmann verdient
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Siegfried Matlok porträtierte den früheren dänischen Regierungschef in einem Vortrag auf Schloss Schackenborg in Mögeltondern. Alle Stühle waren bei der Veranstaltung von „Tønder Amts Grænseforening“ und der Stiftung Schackenborg besetzt.
Auf großes Interesse ist der Vortrag des früheren Chefredakteurs des „Nordschleswigers“, Siegfried Matlok, über den früheren dänischen Regierungschef Poul Schlüter (1929–2021) auf Schloss Schackenborg gestoßen.
Mit über 50 Zuhörerinnen und Zuhörern waren am Dienstagabend alle Stühle im großen Speisesaal des bereits weihnachtlich geschmückten Herrenhauses in Mögeltondern (Møgeltønder) besetzt. Eingeladen hatten „Tønder Amts Grænseforening“ und die Schackenborg Stiftung.
Ein mit Anekdoten gewürzter Vortrag
Matlok lieferte, gewürzt mit vielen Anekdoten, aufgefangen bei vielen persönlichen Begegnungen mit dem in der Tonderner Vestergade geborenen Sohn der Wiedaustadt, ein interessantes Porträt. Schlüter verdiente sich seine ersten politischen Sporen in Hadersleben (Haderslev) und wurde in Kopenhagen an der Spitze der Konservativen Volkspartei und von 1982 bis 1993 als Regierungschef einer der bedeutendsten Politiker Dänemarks im 20. Jahrhundert.
Siegfried Matlok, der in seiner Zeit als Leiter des deutschen Sekretariats in Kopenhagen als Vertreter der deutschen Minderheit in Nordschleswig den Politiker und Menschen Schlüter hautnah miterlebt hat, lieferte jede Menge Informationen, um zu belegen, dass Poul Schlüter den Titel eines Staatsmanns verdient.
Die überraschende Regierungsübernahme 1982
Matlok rief die überraschende Regierungsübernahme Schlüters im Jahre 1982 in Erinnerung, als selbst sozialdemokratische Spitzenpolitiker wie Knud Heinesen Dänemark am Rande des finanzpolitischen Abgrunds sahen. Er skizzierte Schlüters Verhandlungsgeschick, um einschneidende Reformen mit „Kartoffelkur“ und Einbeziehung der Gewerkschaften politisch durchzusetzen.
Matlok wies auch auf Schlüters erfolgreiche EU-Politik hin, bei der er mit Unterstützung durch den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl nach Niederlagen bei dänischen Volksabstimmungen Sonderregelungen durchsetzte, die einen drohenden dänischen EU-Austritt verhinderten.
Die Bedeutung von Schlüters Herkunft
Immer wieder stellte Matlok klar, dass Schlüters Herkunft aus Nordschleswig mit der aus Holstein stammenden väterlichen Familie und eigenen Erfahrungen mit Familienmitgliedern in der deutschen Minderheit neben schlimmen Erlebnissen während des deutschen Einmarsches in Dänemark 1940 Schlüters Deutschland- und Europapolitik beeinflusst habe.
So habe bereits der junge Politiker Schlüter in der Nachkriegszeit Abschied von dänischen Träumen und von einer Vereinigung auch Südschleswigs mit dem Königreich genommen. Und vielfach sei man sich im heutigen Grenzland auch nicht der Rolle Schlüters bewusst, die Politik seines Landes und der Bundesrepublik in Fragen der deutschen und dänischen Minderheiten zu modernisieren, indem man auf eine gegenseitige Balance setzt.
Verantwortung für die Minderheiten übernommen
Sowohl Dänemark als auch Deutschland zeigten sich seit Begegnungen Schlüters und Kohls bereit, Verantwortung für die Minderheiten in beiden Staaten zu übernehmen. Schlüter habe 1985 beim Besuch mit Kohl in Tondern festgestellt, dass es noch deutsch-dänische Probleme beim Thema Minderheit gebe. Danach stellte er auch Weichen für dänische Fördermittel, zum Beispiel für die deutschen Büchereien in Nordschleswig und einen historischen Besuch Königin Margrethes bei den deutschen Nordschleswigern 1986.
Matlok erinnerte daran, dass Schlüters angebliche Skepsis gegenüber der 1989 von Kohl forcierten deutschen Wiedervereinigung eine europaweit verbreitete Ansicht war. Angesichts der Dynamik der Entwicklung in der DDR sei Schlüter rasch zu einem Befürworter der Vereinigung geworden, die sich auch wirtschaftlich als sehr günstig für Dänemark erwiesen hat.
Die Rolle der Brücken- und Tunnelverbindungen
Als Verdienst des Staatsmanns Schlüters erwähnte Matlok auch dessen Politik in Sachen Brücken- und Tunnelverbindungen. Kopenhagens bis heute anhaltendes Aufblühen sei mit der Verbindung über den Großen Belt, den Öresund und bald auch den Fehmarn Belt verbunden, für die unter Schlüter der Weg freigemacht wurde.
Der peinliche Streit um die Schlüter-Büste
Thema war auch der peinliche Streit um die Schlüter-Büste in Tondern. Der heutige Bürgermeister der Wiedaustadt, Jørgen Popp Petersen (Schleswigsche Partei), der die einleitenden Worte vor Matloks Vortrag gesprochen hatte, erinnerte kritisch an die Weigerung der Tonderner Kommunalspitze, die Kosten für die heute gegenüber dem Rathaus stehende Büste des großen Sohnes der Stadt zu übernehmen.
Dankenswerterweise hat das frühere Stadtratsmitglied Hilmer Juhl Christensen 1996 fehlende Beträge übernommen, so Matlok. Er erinnerte daran, dass erst kürzlich die heutige sozialdemokratische Staatsministerin Mette Frederiksen die Verdienste Schlüters dahingehend gelobt hatte, dass Dänemark heute ein sozial so stabiles Land ist.
Das Publikum spendete viel Beifall
Die Vorsitzende des örtlichen Grenzvereins, Marie Stamp, dankte Matlok für seine Ausführungen, die mit viel Beifall quittiert wurden. Und während der abschließenden Fragerunde wurden noch etliche lustige Anekdoten zum Besten gegeben.
Zum Beispiel die Aussage Schlüters gegenüber Kohl 1985, dass dieser doch froh sein sollte, dass Tondern 1920 dänisch geworden ist. Dem fragend dreinblickenden Kohl gab Schlüter die „Erläuterung“, dass er dann doch deutscher Staatsbürger geworden wäre – und anstelle Kohls Bundeskanzler.