Büchereien

Büchereien als Ort für demokratischen Austausch stärken

Büchereien als Ort für demokratischen Austausch stärken

Büchereien als Ort für demokratischen Austausch stärken

Nordschleswig/Kopenhagen
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Büchereidirektorin Claudia Knauer steht in der Jugendecke der Deutschen Zentralbücherei Apenrade. (Archivfoto) Foto: K. Riggelsen

Zwar werden immer weniger Bücher ausgeliehen, als Ort des gegenseitigen Austauschs werden Büchereien jedoch immer wichtiger, meint die Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig, Claudia Knauer.

Die Rolle der öffentlichen Büchereien verändert sich. Während Büchereibenutzer vor zehn Jahren noch mit durchschnittlich zehn Büchern aus der Bücherei herauskamen, nehmen sie heute nur noch sechs Exemplare mit nach Hause. 

Damit ist die Anzahl an geliehenen Büchern im Zeitraum von 2009 bis 2018 um 38,3 Prozent zurückgegangen, wie Danmarks Radio aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Büchereigesetzes berichtet. Zwar steigt gleichzeitig die Anzahl digital geliehener Bücher, jedoch nicht in einem Umfang, der den Rückgang gedruckter Bücher ausgleichen würde.

Ausbildung, Aufklärung und Aktivitäten

Eine Entwicklung, die auch Claudia Knauer, Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig, wiedererkennt. Deswegen sind ihr auch Überlegungen zur künftigen Rolle der öffentlichen Büchereien nicht fremd, wie sie dieser Tage von dänischen Politikern angestellt werden.

„Bisher stehen vor allem Ausbildung, Aufklärung und kulturelle Aktivitäten im Zentrum der Büchereien“, erläutert Claudia Knauer gegenüber dem „Nordschleswiger“. In Zukunft sollten Büchereien daneben in einem noch größeren Maße als bisher als ein Ort für den demokratischen Diskurs funktionieren. „Bibliotheken sollten einen Raum bieten und Anschub dafür schaffen, dass Leute miteinander reden“, ist sich die Nordschleswigerin sicher.

Stärkung der Demokratie

Und auch bei „Danmarks Biblioteksforening“ macht man sich derzeit Gedanken darüber, wie man einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten kann. „Unsere Demokratie ist lebendig und stark, aber sie ist auch herausgefordert durch die Menge an Nachrichten, mit denen wir ständig konfrontiert werden. Außerdem haben durch die sozialen Medien jetzt alle die Möglichkeit, an der öffentlichen Debatte teilzunehmen, doch der momentane Tonfall schreckt viele davon ab, ihre Meinung öffentlich kundzutun“, gibt der Vorsitzende für Danmarks Biblioteksforening, Steen Bording Andersen, in einem Kommentar bei kulturmonitor.dk zu bedenken.

Überlegungen, die auch bei Claudia Knauer auf offene Ohren stoßen. „Wir möchten den Bürger einladen, ein mündiger Bürger zu sein. Dafür wollen wir einen Rahmen bieten und müssen entsprechend Diskussionsveranstaltungen anbieten und sie moderieren. Bibliotheken sind ein neutraler Raum, in dem man sich auf Grundlage von Fakten orientiert. Wir sind und bleiben die Institution, die dafür geeignet ist“, meint die Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig. 

Bibliotheken sind ein neutraler Raum, in dem man sich auf Grundlage von Fakten orientiert. Wir sind und bleiben die Institution, die dafür geeignet ist.

Claudia Knauer, Direktorin der Deutschen Büchereien in Nordschleswig

Allerdings sieht Knauer für diese Aufgabe auch noch Raum für Verbesserung und unterstützt damit Überlegungen von Seiten der dänischen Politik, Büchereien als Ort gemeinsamer Begegnungen zu stärken. 

So ist etwa Pernille Bendixen, Kultursprecherin der Dänischen Volkspartei (DF), vor dem Hintergrund einer sinkenden Anzahl ausgeliehener Bücher laut Danmarks Radio der Meinung, dass Büchereien in Zukunft vor allem als Orte dienen sollten, an denen Menschen zusammenkommen und an denen es verschiedene Angebote für gemeinsame Aktivitäten gibt.

Büchereien stehen vor großen Veränderungen

Dazu sollte das Büchereigesetz nach Meinung von Bendixen um einige Punkte erweitert werden. „Im Gesetz steht, dass die Büchereien die Aufgabe haben, Wissen zu vermitteln. Diese Bestimmung könnte beispielsweise durch die Funktion eines Treffpunkts für die örtliche Gemeinschaft ergänzt werden. Vielleicht möchte man einen Strickklub an einem Ort und etwas anderes an einem anderen Ort“, gibt die Politikerin zu bedenken.

Unterstützung kommt vom Kultursprecher der Sozialdemokraten, Jan Johansen. Zwar hat man in der Partei eine eventuelle Änderung des Büchereigesetzes noch nicht diskutiert. „Es gibt aber keinen Zweifel, dass die Büchereien vor großen Veränderungen stehen“, sagte der Politiker bei Danmarks Radio. 

Vom Tod des Buches zu sprechen ist verfrüht

Gleichzeitig bedeute dies aber nicht, dass Büchereien von Büchern lassen sollten. „Vom Tod des Buches zu sprechen ist verfrüht“, ist sich Knauer sicher. Kindern das Lesen bestmöglich beizubringen gelänge bisher vor allem anhand gedruckter Bücher, Erfahrungen mit digitalen Büchern gebe es noch nicht in hinreichendem Maße. Außerdem würden gedruckte Bücher eine andere Wahrnehmung ermöglichen, da sich das Gehirn daran erinnern könne, etwas an einer bestimmten Stelle gelesen zu haben. Dies sei bei digitalen Texten ohne Seitenzahlen weitaus schwieriger.

Kein Kraut- und Rübenladen

„Als Bücherei wollen wir Anlaufpunkt sein, aber nicht beliebig daherkommen. Wir wollen kein Kraut- und Rübenladen sein“, gibt Knauer zu bedenken, sieht aber das Schaffen von Gemeinschaft als ein vorrangiges Ziel an. So gebe es in den Büchereien in Tondern und Apenrade bereits einen Strickklub, wo sich Menschen treffen und etwas gemeinsam machen. Auch seien Literaturkreise, in denen man gemeinsam Bücher liest, vorhanden. 

Die deutschen Büchereien in Nordschleswig konnten zudem trotz des Rückgangs bei der Anzahl ausgeliehener Bücher in den letzten drei Jahren im gleichen Zeitraum, entgegen dem landesweiten Trend, eine konstante Zunahme an Nutzern und Besucherzahlen verzeichnen.

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