Geschichte

„Verstehen-Wollen statt Verurteilung“: Lob für Dokureihe über das Faarhuslager und die Minderheit

„Verstehen-Wollen statt Verurteilung“: Lob für Dokureihe über das Faarhuslager

„Verstehen-Wollen statt Verurteilung“: Lob für Dokureihe

Fröslee/Frøslev
Zuletzt aktualisiert um:
Historikerin Gry Scavenius Bertelsen (Mitte) ist Moderatorin und Interviewerin in einer Dokuserie über das Faarhuslager, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg viele Angehörige der deutschen Volksgruppe inhaftiert waren. Als Gesprächspartnerinnen hat sie unter anderem Katharina Kley (l.) und Lena Bargum (r.) sowie deren Familien gewinnen können. Foto: StoryPark Media

Diesen Artikel vorlesen lassen.

„Gry og forrædernes lejr“ ist der Titel einer Dokuserie über das Faarhuslager, in dem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Sympathisantinnen und Sympathisanten Hitlerdeutschlands eingesperrt waren – darunter auch Angehörige der deutschen Volksgruppe. Laut Historiker Hauke Grella habe die Film-Crew um Gry Scavenius Bertelsen einen verurteilenden Zugang umgangen und sich stattdessen auf eine bedachte Art und Weise individuellen Erfahrungen und Schicksalen genähert.

Die Rechtsabrechnung mit Mitgliedern der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg und die Geschichte des Faarhuslagers (Fårhuslejren) sind in einer fünfteiligen Fernsehsendereihe aufgegriffen worden. Im Mittelpunkt stehen Familien der deutschen Minderheit, deren Angehörige als mutmaßliche Sympathisanten des Hitler-Regimes interniert waren und mit rückwirkender Kraft verurteilt wurden.

Ob das Kapitel Faarhuslager und die Rechtsabrechnung mit Angehörigen der deutschen Volksgruppe noch heute Tabuthemen sind, sei laut der Historikerin Gry Scavenius Bertelsen eine berechtigte Frage. Sie ist die Moderatorin und Interviewerin der im Auftrag von „TV Syd“ gedrehten Dokureihe, in der sie sich unter anderem mit diesem Thema auseinandersetzt.

Kein „Schwarz-Weiß-Denken“

Fragt man Hauke Grella, Historiker und Leiter des Deutschen Museums Nordschleswig in Sonderburg (Sønderborg), könne die Frage, ob das Faarhuslager und die Rechtsabrechnung innerhalb der Minderheit von Scham geprägte Tabuthemen seien, inzwischen mit „Nein“ beantwortet werden – und das sei auch gut so.

„Das Thema Nationalsozialismus und die Rechtsabrechnung sind hier keine Tabuthemen mehr. Man spricht darüber und möchte verstehen, wieso, weshalb und warum“, sagt Grella, laut dem die Dokureihe „Gry og forrædernes lejr“ dies auch in einer sehr guten und vorurteilsfreien Weise unterstreiche.

„Mit dem zeitlichen Abstand sind wir weggekommen von dem verurteilenden Zugang, den früher auch teilweise dänische Medien bei Dokumentarfilmen gewählt haben. Das hat dem Ganzen sehr gutgetan“, so Grella, laut dem Bertelsen und ihre Crew auf eine bedachte Art und Weise versucht hätten, sich individuellen Erfahrungen und Schicksalen zu nähern. Grella zufolge sei dies wichtig gewesen, um ein ansonsten häufig vorkommendes „Schwarz-Weiß-Denken“ zu umgehen.

Verurteilung nicht mehr im Vordergrund

„Ich habe das Gefühl, dass ein Wandel in der Art und Weise der Erzählung stattgefunden hat. Das macht es jetzt für viele auch leichter, ihre Familiengeschichten zu erzählen, da in den Medien eben nicht mehr eine Verurteilung im Vordergrund steht, sondern eher ein Verstehen-Wollen“, meint der Historiker am Deutschen Museum Nordschleswig.

Bestimmt gibt es auch noch ein paar Familien, die sich nicht wünschen, dass ihre Familiengeschichte aufgearbeitet und veröffentlicht wird. Im Großen und Ganzen erlebe ich in der Minderheit aber eine große Offenheit.

Hauke Grella

Auf ihrer Suche nach Antworten hat Bertelsen für die fünfteilige Dokureihe, die seit dem 5. November beim Regionalsender „TV Syd“ zu sehen und zudem auf dessen Homepage aufzurufen ist, Gespräche mit Mitgliedern aus der deutschen Minderheit geführt, deren Angehörige nach 1945 im Faarhuslager eingesperrt waren.

Unter anderem haben sich Katharina Kley und Lena Bargum, Schülerinnen des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa) und Urenkelinnen von Faarhus-Inhaftierten, bei Bertelsen gemeldet. Für die Dokureihe stellten sich auch Eltern und Großeltern der Familie Kley aus dem Raum Hadersleben (Haderslev) und der Familie Bargum mit Wurzeln im Raum Rapstedt (Ravsted) zur Verfügung. Mit ihnen wurde unter anderem über Archivmaterial von der damaligen Zeit gesprochen.

Offenheit und Interesse innerhalb der Minderheit

„Bestimmt gibt es auch noch ein paar Familien, die sich nicht wünschen, dass ihre eigene Familiengeschichte aufgearbeitet und veröffentlicht wird. Im Großen und Ganzen erlebe ich in der Minderheit aber inzwischen eine sehr große Offenheit bezüglich des Themas. Ich sehe als Museumsleiter auch im Täglichen, dass Leute sich von uns Informationen zu ihren Großeltern wünschen und mehr über diese Zeit erfahren wollen“, sagt Grella, demzufolge dies in den vergangenen Jahren auch bei verschiedenen Veranstaltungen und Vorträgen zu erkennen gewesen sei.

Beispielsweise habe im vergangenen Jahr im Haus Quickborn eine Veranstaltung stattgefunden, wo Angehörige von ehemaligen Faarhus-Inhaftierten zu einem Gespräch eingeladen wurden. Bei den Angehörigen sei das Interesse an einer Teilnahme und den gemeinsamen Gesprächen groß gewesen.

Gemeinsamer Austausch Grundvoraussetzung für Verständnis

Eine Dokureihe wie „Gry og forrædernes lejr“ sei laut Grella ebenso von Wichtigkeit. Dadurch könne auch die dänische Mehrheitsbevölkerung einen Einblick bekommen, warum Angehörige der deutschen Minderheit damals so gehandelt hätten, wie sie es getan haben – was nach beinahe acht Jahrzehnten zu einem sogar noch besseren Verhältnis zwischen Dänen und Deutschen im Grenzland beitragen könne.

„Für ein gutes Verhältnis zwischen der deutschen Minderheit und der dänischen Mehrheitsbevölkerung ist ein Austausch grundsätzlich von sehr großer Wichtigkeit. Und eine solche Serie kann natürlich eine ganz andere Öffentlichkeit generieren, als wir es beim Museum können. Deswegen freut es mich, wenn wir uns hier auch gemeinsam mit unserer Geschichte im Grenzland auseinandersetzen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass das Erreichte, was schon sehr positiv ist, sogar noch besser werden kann“, so Grella.

Mehr lesen