Nordschleswig-Preis

„Vorbild“: Was Louise Thomsen Terp antreibt

„Vorbild“: Was Louise Thomsen Terp antreibt

„Vorbild“: Was Louise Thomsen Terp antreibt

Tondern/Tønder
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Bei der Familie zu Hause: (v. l.) Ditte, Johan, Ehemann René, Frida, Louise Thomsen Terp und Iben Foto: Karin Riggelsen

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Für ihr Engagement gab es den Nordschleswig-Preis. Doch wie schafft die 39-Jährige es, vier Kinder, einen Job, Lokalpolitik und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen? Das Whiteboard in der Küche ist da nur ein Teil ihres Rezeptes.

Wer sieht, was Louise Thomsen Terp in ihrem Alltag alles bewältigt, dem kann schon schwindelig werden. Ihre Reaktion darauf – „Ja, so geht es mir auch manchmal“ – ist für diejenigen, die weniger als halb so viel zu tun haben, beinahe tröstlich.

Die 39-Jährige ist Mutter von vier Kindern im Alter von 5 bis 13 Jahren, Ehefrau, Physiotherapeutin mit 30-Stunden-Stelle und Politikerin als Stadtratsmitglied der Schleswigschen Partei. War da noch was? Ach ja, sie ist außerdem ehrenamtliches Vorstandsmitglied und Helferin im dänischen Gymnastikverein Tønder Gymnastikforening und Mitglied im Kindergartenausschuss des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig.

„Ein Multitalent und ein Vorbild, ohne dies anzustreben“

Für ihren Einsatz ist die Frau aus der deutschen Minderheit im November beim Deutschen Tag in Tingleff mit dem Nordschleswig-Preis der Jes-Schmidt-Stiftung ausgezeichnet worden. Laudator Gwyn Nissen nannte Louise Thomsen Terp „ein Multitalent und ein Vorbild, ohne dies anzustreben“.

Louise Thomsen Terp hat ihren Alltag gut strukturiert und kann sich auch auf Unterstützung ihres funktionierenden Netzwerkes verlassen. Foto: Karin Riggelsen

 

Braucht ein solches Pensum nicht eine enorm strukturierte Planung? „Ja, da muss man gut organisiert sein“, versichert sie im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. Die Grundlage dafür liefert neben dem Willen, diesen Alltag zu wollen, und einem gewissen Organisationstalent ein großes Whiteboard in der Küche der Familie in ihrem Haus in Toft bei Tondern.

Die kommende Woche wird meist sonntags geplant

 

 „Da verschaffen wir uns – meistens sonntags – einen Überblick über die kommende Woche“, erzählt sie. „Welche Termine stehen an? Wer macht was? Was gibt es zu essen? Das läuft in einem festen System.“ Die Planung übernimmt meist sie selbst, nachdem sie gecheckt hat, was in der Woche bei ihrem Mann René ansteht. Der gelernte Maurer macht seit zwei Jahren in Esbjerg eine Ausbildung zum Bautechniker (Bygningskonstruktør) und war anfangs auch einige Tage die Woche dort. Corona hat ihn allerdings überwiegend ins Homeoffice gezwungen.

 

Auf der Tafel an der Küchenwand stehen die Aktivitäten der Kinder Iben (5), Johan (8), Frida (11) und Ditte (13) – etwa Montag Klavier und Fußball, Dienstag Sport mit den drei Töchtern, Mittwoch Reiten, Donnerstag Konfirmandenunterricht – und alles andere, was ansteht, drumherum.

„Wir schauen dann auch, wo wir Omas oder Opas, jemand anderen aus der Familie oder aus unserem gut funktionierenden Netzwerk aktivieren müssen“, erzählt Louise Thomsen Terp.

Irgendwann berichtete uns dann ein junger Mann, dass er nach vielen Jahren mit Depressionen und Selbstmordgedanken über eines der Projekte an ein Praktikum in einem Geschäft gekommen war. Er sagte, er habe nie gedacht, wieder ins Leben zurückzufinden. Wenn man sieht, was man zum Positiven verändern kann, ist das große Motivation.

Louise Thomsen Terp, Stadtratspolitikerin

 

Manchmal habe sie das Gefühl, das Bild von der „Powerfrau, die alles kann“ für Außenstehende geraderücken zu müssen. „Ich bin ja auch nur ein ganz normaler Mensch, bei dem nicht immer alles rosarot ist und wo auch Dinge schieflaufen.“

 

 

Auch als Physiotherapeutin muss sie gut organisiert sein

Aber die Fäden in der Hand zu haben, das liegt ihr nun mal. „Ich war schon immer ein großer Organisator und immer viel eingebunden – manchmal auch zu viel“, räumt sie ein. Strukturiertes Vorgehen ist auch für ihren Beruf eine unerlässliche Eigenschaft. „Als Physiotherapeutin habe ich jede halbe Stunde einen neuen Patienten, das heißt, auch die Behandlung muss gut organisiert sein – mit einem Plan, einer Zielsetzung und einem Resultat.“

 

Einen Kontrast dazu erlebe sie in der Politik mit einem komplett anderen Tempo. „Da gibt es Resultate nicht von heute auf morgen. Wie oft haben wir uns wegen einer Sache getroffen und getroffen und gesprochen und gesprochen und sind nicht weitergekommen. Mittlerweile habe ich es akzeptiert, dass es eben ein anderes System ist“, erzählt die 39-Jährige.

Zu Hause ist immer etwas los, und das ist genau das, was Louise Thomsen Terp liebt. Links ihre Kinder Ditte und Johan Foto: Karin Riggelsen

 

Vor acht Jahren wurde Louise Thomsen Terp Stadtratsmitglied der Kommune Tondern. Bei der Kommunalwahl im November kandidierte sie zum dritten Mal für die Schleswigsche Partei (SP), die Partei der deutschen Minderheit, und erhielt mit 293 persönlichen Stimmen noch einmal 90 mehr als vor vier Jahren.

 

Neue Aufgaben als künftige Fraktionschefin

„Die Arbeit dort macht mir sehr viel Spaß, weil ich die Menschen und die Institutionen immer besser kennenlerne, inzwischen viel mehr weiß und immer mehr Vertrauen bekomme.“ Als künftige Fraktionschefin wird sie sich demnächst wieder in neue Aufgaben hineinfuchsen.

 

Und woher nimmt sie die Kraft und die Motivation für ein solches Pensum aus großer Familie, Beruf und Ehrenamt? „Das frage ich mich manchmal auch“, lacht Louise Thomsen Terp, „und es macht ja nicht immer Spaß.“ Aber fast immer. Auch zu Hause ist ihr politisches Amt oft Thema. „Die Kinder sind daran sehr interessiert, und es ist schön, dass sie sehen, dass man gute Ergebnisse erzielen kann, wenn man sich einbringt.“

Projekte angekurbelt

Als Beispiel von vielen nennt sie einen Ausschuss, der verschiedene Projekte angekurbelt hat für 15- bis 30-Jährige ohne Job. „Irgendwann berichtete uns dann ein junger Mann, dass er nach vielen Jahren mit Depressionen und Selbstmordgedanken über eines der Projekte an ein Praktikum in einem Geschäft gekommen war. Er sagte, er habe nie gedacht, wieder ins Leben zurückzufinden. Wenn man sieht, was man zum Positiven verändern kann, ist das große Motivation“, versichert Louise Thomsen Terp.

Zum Positiven habe sich auch das Miteinander von Deutsch und Dänisch im Grenzland entwickelt, und sie ist „sehr stolz darauf“, der deutschen Minderheit anzugehören und ihren Kindern dies mitgeben zu können. „Es hat sich mittlerweile ja mehr vermischt. Meine Kinder besuchen einen deutschen Kindergarten und deutsche Schulen, machen aber Sport in einem dänischen Verein. Ich finde es trotzdem wichtig, daran festzuhalten, dass die Minderheit etwas Besonderes ist. Und sie ist unsere Identität.“ 

Gern allein zum Training

Und wie schaltet sie im Alltag ab und tankt neue Kraft? „Zu Hause ist ja immer was los, und so mag ich es auch. Ruhe gibt es selten. Aber wenn wir am Sonntag keine Termine haben und nichts müssen, ist das sehr schön.“

 

Manchmal geht sie zum Funktions- und Konditionstraining Cross-Fit. „Wenn mich dann jemand fragt: Kann ich mitkommen, sage ich ganz klar Nein. Dabei bin ich am liebsten allein.“

 

Entspannend findet Louise Thomsen Terp auch das Backen. „Manchmal muss ich mich allerdings bremsen, dass meine Kreationen nicht zu aufwendig geraten.“ Grundsätzlich sei sie so strukturiert: „Wenn ich ein Ziel habe, will ich es schaffen und es beim nächsten Mal möglichst noch besser machen. Da muss ich schon mal aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr unter Druck setze.“

Louise Thomsen Terp: Lebensstationen

An ihre schulische Laufbahn – Deutsche Schulen Osterhoist (Østerhøjst) und Tingleff (Tinglev) sowie Deutsches Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade (Aabenraa) – schloss sich ein Volontariat in der Sportredaktion des „Nordschleswigers“ an. Anschließend arbeitete sie noch kurze Zeit in der Redaktion und übernahm Wochenenddienste für den Sport.

Nach einer dreieinhalbjährigen Ausbildung zur Physiotherapeutin ist sie nun seit 14 Jahren in diesem Beruf tätig.

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