Pfadfinder

In Zelten und am Lagerfeuer: Entschleunigung als Abenteuer

In Zelten und am Lagerfeuer: Entschleunigung als Abenteuer

In Zelten und am Lagerfeuer: Entschleunigung als Abenteuer

Anna Itter
Anna Ittner
Knivsberg /Knivsbjerg  
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Fünf der Teilnhemenden im Zeltlager auf dem Knivsberg.
Fünf der Pfadfinder im Zeltlager auf dem Knivsberg. Foto: Karin Riggelsen

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Pfadfinderstämme: Passen solche Gruppen überhaupt noch in die Zeit von Digitalisierung und schnellem Stadtleben? 450 junge Leute aus Südschleswig sagen: Ja! Und zeigen, wie Zeit im Zelt und selbst gemachte Unterhaltung eine willkommene Abwechslung sein können.

Wo vor einigen Wochen noch das alljährliche Knivsbergfest stattgefunden hat, tummeln sich heute Hunderte Kinder und Jugendliche mit Halstuch und Feldtasse. Sie sind Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus Dänisch Wohld und Umgebung und haben für einige Tage ihr Lager auf dem Knivsberg aufgeschlagen. 

Wieso sich die naturbegeisterte Truppe aus Deutschland gerade Nordschleswig als Reiseziel ausgesucht hat? Gruppenleiter Frank Boysen hat darauf eine einfache Antwort. „Dänemark ist für Deutsche besonders anziehend: Wir lieben das Meer, die Landschaft ist wunderschön und geeignet für unsere Aktivitäten“, erklärt der Pastor aus Gettorf die Wahl des diesjährigen Ausflugsziels. Seiner Gruppe gehören 200 der Teilnehmenden an. Der Rest kommt aus Osdorf, Kiel, Dänischenhagen und anderen Gemeinden.

Die Aufnäher zeigen die jüngsten Ausfahrtsziele.
Die Aufnäher zeigen die letzten Ausfahrtsziele. Foto: Karin Riggelsen

Diese schlossen sich vor zwölf Jahren zusammen, um für zwei Wochen gemeinsam ins Sommerlager zu fahren. An verschiedene Orte von dänischer Ostseeküste bis Lübecker Umland hat es sie seitdem jährlich verschlagen. Dieses Jahr ging es auf den Knivsberg bei Apenrade (Aabenraa).

Diese Idee kam nicht von ungefähr, sondern von Frank Boysen. Er kannte den Knivsberg von Ausflügen mit seinem Vater in seiner eigenen Jugend. Dieser war stellvertretender Vorsitzender des Grenzvereins, besuchte hier deutsche Sängerfeste. „Da ging es noch sehr drum, sich als deutsche Minderheit zu behaupten, das ist jetzt fast weg. Vor allem als Pfadfinder wird man gut von den Dänen aufgenommen.“

Schlafen in Nomadenzelten

Das Klima für Pfadfinder ist ihm zufolge in Dänemark auch viel besser als in Deutschland, wo das Thema teilweise noch mit Ressentiments behaftet ist. „Was sich aber die dänischen Pfadfinder von Deutschen abgucken können, sind die Nomadenzelte, die wir nutzen. Das sind Jurten von den Mongolen oder die Koten der Lappen. Darin kann man kleine Feuer machen, das gibt eine richtig schöne Atmosphäre.“

Von diesen Schlafzelten haben die Truppen etwa 80 Stück aufgebaut, in denen jeweils fünf bis zwölf Personen übernachten. Hinzu kommen in dem Zeltdorf das Küchenzelt, das Bürozelt und Tuchsegel, unter denen man im Schatten sitzen kann.

 

Gruppenleiter Frank Boysen im Zeltlager auf dem Knivsberg.
Gruppenleiter Frank Boysen im Zeltlager auf dem Knivsberg. Foto: Karin Riggelsen

Oder man schützt sich vor dem Regen der vergangenen Tage. Boysen meint aber: „Auch wenn es mal regnet, scheint danach wieder die Sonne. Damit können wir leben. Nicht so wie bei uns in Norddeutschland, wo nach dem Regen nur der nächste Regen kommt.“

Dass das hier eine gelebte Philosophie ist, zeigt sich eindrücklich, als es mitten im gemeinsamen Singen beim großen Gottesdienst am Donnerstagmorgen ganz unvermittelt anfängt, wie aus Eimern zu schütten. Die Kinder flüchten zwar unter Bäume und Unterschlüpfe, doch das Gitarrenspiel und der Gesang werden für keine Sekunde unterbrochen.

„Alles mal ausprobieren“

Nach zehn Minuten ist alles wieder vorbei, viele durchnässte Sachen müssen trotzdem zum Trocknen aufgehängt werden. Einige Kinder haben ihre nassen Klamotten und Schlafsäcke in ein großes Gemeinschaftsfeld gelegt, in dem sie ein Feuer entfacht haben. Frank Boysen kann darüber lachen. „Das ist natürlich Quatsch, die Sachen werden noch ewig nach dem Rauch riechen. Aber darum geht es auch: Es ist ganz wichtig, dass die Kinder alles mal selbst ausprobieren dürfen.“

Ein junger Pfadfinder trocknet seine Sachen am Lagerfeuer.
Ein junger Pfadfinder trocknet seine Sachen am Lagerfeuer. Foto: Karin Riggelsen

Abenteuer abseits von Bildschirmen

Die Jüngsten sind acht Jahre alt, bis zum Erwachsenenalter ist dann alles dabei. „Es ist wichtig, früh anzusetzen, um schon in jungem Alter eine Sehnsucht nach der Natur zu entfachen“, sagt Boysen. „Unser Ziel ist es, den Kindern echte Erlebnisse zu bieten, sie von den Bildschirmen wegzuholen und gemeinsam den Wert von Gemeinschaft zu entdecken.“

Handys sind in den zehn Tagen Camp verboten. Wenn jemand Heimweh hat, werden natürlich trotzdem Wege gefunden, mit den Eltern telefonieren zu können – die Kinder sollen sich nicht eingesperrt fühlen.

Es ist gut, mal eine Auszeit davon zu nehmen und sich ganz auf die Menschen konzentrieren zu können.

 

Pfadfinder Jakob Feldmann, 15

Das starke Gemeinschaftsgefühl bestätigen auch die Kinder. Bis ins Studierendenalter kommen sie deswegen teilweise weiter mit ins Sommerlager. Für die 15-jährige Elli Harth sind es vor allem die gemeinsamen Abende mit Singen am Feuer, die ihr das Gefühl von Gemeinschaft geben. Weitere Favoriten der Kinder sind das Geländespiel oder die Teilnahme an Sippentouren. Für die zwölfjährige Luise Feldmann war es dieses Jahr das erste Mal, dass sie bei dieser Wanderung der Älteren mitgelaufen ist, inklusive Übernachtungen am Strand.

In der Mulde, dem Freilichttheater auf dem Knivsberg, finden alle für den Gottesdienst Platz.
In der Mulde, dem Freilichttheater auf dem Knivsberg, finden alle für den Gottesdienst Platz. Foto: Karin Riggelsen

Neben gemeinsamem Singen, Gottesdiensten, Handwerks-Workshops und Kochen gibt es im Camp auch eigene Theateraufführungen. Dazu können sich die Kinder melden, um eine Rolle in „Ronja Räubertochter“ zu bekommen - das Thema des diesjährigen Camps. Jeder, der möchte, bekommt eine Chance, denn das Stück wird alle paar Tage aufgeführt. Neben Spaß hat das Ganze wieder einen pädagogischen Hintergrund: „Die Message dahinter ist, dass wir eben nicht nur unser eigenes Essen, sondern auch unsere eigene Unterhaltung machen können. Dafür brauchen wir nichts von außen“, erklärt Frank Boysen.

 

Das Einzige, was ihnen an dem Standort auf dem Knivsberg noch fehlt, wäre ein direkter Weg zum Strand. Bisher müsste man an der Straße entlang wandern. Doch vielleicht lässt sich da ja in Zukunft ein Pfad finden.

 

 

Weitere Bilder:

In den geräumigen Schlafzelten können es sich die Pfadfinderinnen richtig gemütlich machen.
In den geräumigen Schlafzelten können es sich die Pfadfinderinnen richtig gemütlich machen. Foto: Karin Riggelsen
Junger Pfadfinder mit Tuba
Für die Musik werden hier keine Mühen gescheut. Foto: Karin Riggelsen
Die Gruppenleiter, rechts Frank Boysen, beim Gottesdienst
Die Gruppenleiter, rechts Frank Boysen, beim Gottesdienst Foto: Karin Riggelsen
Die Teilnehmenden singen mit, samt Tanzgestiken
Die Teilnehmenden singen mit, samt Tanzgestiken Foto: Karin Riggelsen
Eine Pfadfinderin auf der Suche nach Schutz vor dem Regen
Eine Pfadfinderin auf der Suche nach Schutz vor dem Regen Foto: Karin Riggelsen
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