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Günther: Staat darf kein Bremsklotz sein

Günther: Staat darf kein Bremsklotz sein

Günther: Staat darf kein Bremsklotz sein

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Foto: Frank Molter/dpa

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Kein Bremsklotz, sondern Antreiber - so sollte sich nach Auffassung des Kieler Regierungschefs der Staat aufstellen. Günther plädiert für eine offene Problemkultur und eine konstruktive Oppositionsrolle der Union als Gegenentwurf zur Ampel.

Der deutsche Staat sollte nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther viel dynamischer agieren als bisher. «Er muss seine Rolle dahingehend neu finden, dass er Vorhaben voranbringt, Prozesse beschleunigt und vor allem den Menschen ermöglicht, an wichtigen Zielen mitzuarbeiten und so mehr Dynamik im Gemeinwesen entsteht», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. «Ich glaube, dass viele Menschen den Staat leider eher als Bremsklotz bei bestimmten Entwicklungen empfinden.» So hätten die Länder zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung vor bald einem Jahr ein Papier vorgelegt, während der Bund immer wieder vertröstet habe und dadurch nichts vorangehe.

Der Staat müsse aber Bremsen lösen, wichtige Investitionen fördern und mehr Zutrauen in die Mitmachbereitschaft der Menschen haben, sagte Günther. «Ich kenne zum Beispiel viele Handwerksunternehmen, die wirklich gern beim Erreichen der Klimaneutralität mit anpacken wollen, aber einfach von Bürokratie und Dokumentationspflichten ausgebremst werden.» Der Staat sollte sich auf weniger Bürokratie und mehr Unternehmergeist besinnen. Schleswig-Holstein mache gerade ein Normenscreening, bei dem alle Gesetze auf Beschleunigungsmöglichkeiten überprüft würden.

Die Regierungen und demokratischen Parteien sollten aus Günthers Sicht auch offener über bestehende Probleme reden, nicht zuletzt, um das Terrain hier nicht der AfD zu überlassen. «Themen auszuklammern, weil man glaubt, es sei nicht opportun, über sie in der Öffentlichkeit zu reden, ist nie klug», sagte der Ministerpräsident. Probleme anzusprechen sei aber nur das eine, man müsse auch glaubhaft an Lösungen arbeiten, sonst verliere man das Vertrauen der Menschen.

Beim Thema Zuwanderung sieht Günther eine anhaltend große Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete aus Kriegsgebieten. Die Kapazitäten dürften aber nicht überfordert werden. «Und die Grenzen sind teilweise schon erreicht oder überschritten, zumindest im Hinblick darauf, dass wir den Menschen auch gute Bedingungen und Integrationsleistungen anbieten wollen.» Für den Staat sei es ein schwieriger Spagat, Schutzsuchende aufzunehmen, ohne das Land zu überfordern, und zugleich seinen Fach- und Arbeitskräftebedarf auch mithilfe von Migrantinnen und Migranten zu decken. «Wir brauchen eine vernünftige Zuwanderungspolitik», sagte Günther. Das Chancen-Aufenthaltsrecht habe bereits Verbesserungen gebracht.

Erforderlich seien aber auch schnellere und effiziente Verfahren - bei der Visaerteilung für Arbeitskräfte, bei der Prüfung des Aufenthaltsrechts für Schutzsuchende, aber auch bei der Rückführung von Ausreisepflichtigen. «Das ist eine Riesenherausforderung und hier müssten alle demokratischen Parteien an einem Strang ziehen, um gemeinsame Lösungen zu finden.» Deutschland sei erheblich auf Zuzug angewiesen, wenn es seinen Wohlstand erhalten wolle. «Und wir sind lange noch nicht da, wo wir stehen müssten, auch in Schleswig-Holstein nicht.» Deshalb bereite das Land ein Welcome Center vor, um schnell, effektiv und erfolgreich Menschen mit den benötigten Qualifikationen den Weg hierher zu ebnen. Bis 2035 betrage die Beschäftigungslücke rund 300 000 Arbeitskräfte, die zu rund einem Drittel mit Arbeitskräften aus dem Ausland geschlossen werden müsse.

Besonders wichtig seien auch Perspektiven für Menschen, die bereits hier sind, sagte Günther. «Mir hat sich nie erschlossen, warum wir Hürden dafür aufbauen, dass diese Menschen arbeiten dürfen - und das in einer Situation, in der überall Arbeitskräfte fehlen.» Jede Person, die arbeiten könne, solle es tun können, egal woher sie komme, solange eine gewisse Bleibeperspektive unabhängig vom Aufenthaltstitel bestehe, die Person integrationswillig sei und straffrei lebe. «Hier könnten die Hürden ein Stück abgesenkt werden, zum Beispiel beim Anspruch an Deutschkenntnisse oder beim Aufenthaltsstatus», sagte Günther.

Angesichts des schlechten Ansehens der Ampel in Berlin und der aktuellen Umfragewerte der AfD verwies Günther auch auf Defizite der Union. «Neben berechtigter Kritik an vielem, was die Bundesregierung macht, gelingt es uns als CDU nicht ausreichend, den Menschen das Gefühl zu geben, es wäre besser, wenn die Union regieren würde.» Das müsse besser werden. «Und wenn wir das schaffen, profitieren wir auch stärker von der Schwäche der Koalition in Berlin, die ja greifbar ist», sagte Günther. «Es kann nicht unser Anspruch sein, dass wir von den Verlusten der Ampelparteien nicht stärker profitieren.»

Ob dies auch mit programmatischer Schwäche zu tun habe? «Es ist uns zumindest bisher nicht gelungen, den Leuten unsere Programmatik ausreichend zu vermitteln», sagte Günther. «In vielen Bereichen haben wir ja gute Konzepte, aber wir hätten zum Beispiel bei der Wärmeversorgung unsere Vorschläge besser an die Frau und den Mann bringen sollen - das können wir besser und das werden wir künftig auch besser machen.»

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