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Kriminalität im Norden auf niedrigstem Stand seit 1977

Kriminalität im Norden auf niedrigstem Stand seit 1977

Kriminalität im Norden auf niedrigstem Stand seit 1977

dpa
Kiel (dpa/lno) -
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Sabine Sütterlin-Waack (CDU), Ministerin für Inneres, ländliche Räume und Integration in Schleswig-Holstein. Foto: Frank Molter/dpa/Archivbild

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Ein Viertel weniger Einbrüche, deutlich weniger Diebstähle, aber mehr Gewalt in der Partnerschaft: In der Corona-Pandemie gibt es in Schleswig-Holstein so wenige Straftaten wie seit mehr als 40 Jahren nicht. Es gibt aber auch negative Entwicklungen.

Erneut ist in Schleswig-Holstein die Zahl der registrierten Straftaten gesunken. Sie lag im vergangenen Jahr mit 173 929 Fällen auf dem niedrigsten Stand seit 1977, wie Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Donnerstag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2020 sagte. Im Vergleich zu 2019 sank die Zahl der Straftaten um mehr als 9500 Fälle. Zugleich stieg die Aufklärungsquote auf 55,8 Prozent - den besten Wert seit 1963.

Sütterlin-Waack verwies auf den maßgeblichen Einfluss der Corona-Pandemie auf das Kriminalitätsgeschehen. «Allerdings ist dabei die Anzahl der Straftaten mit einem unmittelbaren Corona-Bezug insgesamt als sehr gering einzustufen.» Es wurden 281 Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz erfasst. Nur in Einzelfällen habe es Widerstand oder andere Fälle von Gewalt im Zusammenhang mit dem Abstandsgebots, der Maskenpflicht oder der Kontaktbeschränkungen gegeben.

Der Lockdown habe den Druck in belasteten Partnerschaften massiv erhöht, sagte Sütterlin-Waack. Bereits 2020 habe es durch Frauenberatungsstellen und andere Organisationen Hinweise auf eine Zunahme partnerschaftlicher Gewalt gegeben. «Das wird nun durch die offiziellen Zahlen leider bestätigt.» Es habe einen Anstieg um 3,7 Prozent oder 180 Betroffene im Vergleich zum Vorjahr gegeben. «Leider werden noch weitere hinzukommen.» Denn über die Zeit von Oktober bis Dezember seien noch keine verlässlichen Aussagen möglich.

Folgen der Pandemie zeigten sich auch im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Es gab 169 Fälle des Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen im vergangenen Frühjahr. «Die Verfahren sind sehr umfangreich und in vielen Fällen auch mit intensiven Finanzermittlungen verbunden», sagte Sütterlin-Waack. Es seien noch nicht alle Fälle in der Statistik erfasst. Für 2021 sei eine ähnlich hohe Zahl an Verfahren zu erwarten.

Die Zahl der Diebstähle sank im vergangenen Jahr um 11,4 Prozent auf 61 630 Fälle. Bei Wohnungseinbrüchen gab es einen Rückgang um 27 Prozent. Dies gehe auch auf die Einschränkungen im Reiseverhalten, das Arbeiten im Homeoffice und das veränderte Freizeitverhalten zurück, sagte die Innenministerin. Unterm Strich gab es 3268 Einbrüche. Zum Vergleich: 2015 wurden noch 8456 Fälle erfasst. Die Aufklärungsquote stieg innerhalb von 5 Jahren von 8,9 auf 14,5 Prozent. Sütterlin-Waack betonte, dass im Einbruchsschutzprogramm noch Fördermittel in Höhe von 700 000 Euro zur Verfügung stünden.

Einen Anstieg gab es 2020 aber bei Sexualdelikten um 10,7 Prozent im Vorjahresvergleich auf 2713 Fälle, wie Abteilungsleiter Rolfpeter Ott vom Landeskriminalamt sagte. Darunter falle der Anstieg um 30 Prozent im Bereich kinderpornografischer Inhalte. «Wir gehen davon aus, dass diese Steigerung auch eine Aufklärung des Dunkelfeldes durch Kontrollmechanismen im Internet darstellt.»

Deutlich zugenommen hat 2020 im Land auch der sexuelle Missbrauch von Kindern. Insgesamt erfasste die Polizei 521 Taten. Das entspricht einer Steigerung um 15,8 Prozent gegenüber 2019. «Bedingt durch Lockdown, Kita- und Schulschließungen dürfte sich das Dunkelfeld noch deutlich dramatischer entwickelt haben», sagte die polizeipolitische Sprecherin der SPD, Kathrin Bockey. Der Anstieg sei alarmierend. «Deshalb braucht es dringend ein Sofortprogramm, unter anderem der Jugendämter, um zu erfassen, was während des Lockdowns hinter verschlossenen Türen wirklich passiert ist, um auch schnelle Hilfen zu ermöglichen.»

Auch die Rauschgiftkriminalität nahm zu. Erstmals gab es mehr 11 000 Straftaten (plus 590 Fälle). Im vergangenen Jahr wurden zudem 440 Polizisten verletzt. Es gab 1280 Fälle von Gewalt gegen Beamte (plus 26). «Wir wissen obendrein, dass die Intensität der Gewalt erneut zugenommen hat», sagte Sütterlin-Waack.

Keinen Eingang in die Kriminalstatistik finden Straftaten im Internet, die mutmaßlich im Ausland begangen werden. 2020 gab es 15 250 Vermögens- und Fälschungsdelikte, davon 14 943 Betrugsdelikte. «Darunter fallen gerade auch organisierten Betrügereien über Call-Center», sagte Sütterlin-Waack. Opfer des Enkeltricks, von Gewinnversprechen oder Betrügereien falscher Polizisten würden vor allem Ältere.

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