Mordprozess

Messerattacke knapp entkommen: Zeugin schildert Tat

Messerattacke knapp entkommen: Zeugin schildert Tat

Messerattacke knapp entkommen: Zeugin schildert Tat

dpa
Itzehoe
Zuletzt aktualisiert um:
Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal gebracht. Foto: Christian Charisius/dpa/Pool/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die ersten Zeugen im Mordprozess um die Messerattacke von Brokstedt schildern ein fürchterliches Geschehen. Der Täter holt ein Messer aus einer Sporttasche und sticht auf mehrere Fahrgäste ein. Panik bricht aus.

Sie ist dem tödlichen Messerangriff im Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt wohl nur knapp entkommen. «Er hat mich angegrinst», sagte eine 22 Jahre alte Studentin am Montag vor dem Landgericht Itzehoe als erste Zeugin in dem Mordprozess. Sie habe dann gesehen, wie der Täter auf ein Mädchen einstach und anschließend auf einen jungen Mann, der dazwischengehen wollte. Im Zug sei Panik ausgebrochen. Später habe sie sich auf dem Bahnsteig um Verletzte gekümmert, die Messerstiche im Gesicht hatten.

Dem angeklagten 34 Jahre alten Palästinenser Ibrahim A. wird Mord in zwei Fällen und versuchter Mord in vier Fällen vorgeworfen. Er soll am 25. Januar in der Nähe des Bahnhofs von Brokstedt im Zug eine 17-Jährige und ihren zwei Jahre älteren Freund erstochen haben. Zwei weitere Frauen und zwei Männer erlitten schwere Verletzungen. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Johann Lohmann, ob sie den Angeklagten als Täter wiedererkenne, sagte die Zeugin, die ihre Mutter in Brokstedt besuchen wollte: «Ja, das tue ich.»

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft handelte Ibrahim A. aus niedrigen Beweggründen und in Heimtücke. Beim Prozessauftakt hatte der schmale Mann mit Kurzhaarschnitt und Bart gesagt, er sei unschuldig - zudem bestritt er, eine psychische Erkrankung zu haben. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für schuldfähig. Der Verteidiger des Angeklagten erklärte unter Bezug auf ein psychiatrisches Gutachten, sein Mandant wäre besser in der geschlossenen Psychiatrie als in Untersuchungshaft aufgehoben. Am Ende des zweiten Verhandlungstags stellte er einen Haftprüfungsantrag mit diesem Ziel.

Ein psychiatrischer Sachverständiger begleitet den Prozess. Ibrahim A. hörte während der Verhandlung zumeist mit gesenktem Kopf seinem Übersetzer zu, blickte aber hin und wieder in den Gerichtssaal und sah die gerade sprechenden Prozessbeteiligten an.

Die 22 Jahre alte Zeugin schilderte, der Mann mit dem Messer habe sich schon vor der Tat auffällig verhalten. Er sei aufgestanden, habe seine Jacke ausgezogen, sei unruhig gewesen und im Gang auf und ab gegangen. Er habe Lockerungs- und Dehnübungen gemacht. «Er war relativ blass und sah unruhig aus.» Zunächst habe sie gedacht, der Mann sei reisekrank gewesen und habe das damit abgetan.

Als sie zum Ausgang gehen wollte, um in Brokstedt auszusteigen, habe der Mann den Gang versperrt. «Er stand hinter meiner Reihe.» Seine Augen seien groß und rund gewesen, er habe wahnhaft geguckt. Sie habe ein etwa 20 Zentimeter langes Küchenmesser gesehen, dass er noch innerhalb einer Sporttasche in der Hand hielt. Sie sei in die andere Richtung in einen anderen Waggon gegangen, habe nach einem Zugbegleiter Ausschau gehalten und den Notruf gewählt, aber nicht abgesetzt. Ein anderer Mann habe gerufen: «Achtung, der Mann hat ein Messer!» Danach habe der Angriff auf die Fahrgäste auch schon begonnen.

Die junge Frau schilderte das schreckliche Geschehen sachlich, ruhig und erinnerte sich an zahlreiche Details, etwa in welcher Hand der Täter das Messer hielt oder dass er von oben zustach. Nur als es um die Frage ging, wie sie das alles verarbeite, brach der 22-Jährigen für einen Moment die Stimme. Sie habe es erst gar nicht richtig fassen können und sei lange ruhelos gewesen.

Auch ein 21 Jahre alter Student aus Hamburg erlebte das Verbrechen aus der Nähe. Kurz nach Neumünster habe er den späteren Täter wegen dessen auffälligen Verhaltens bemerkt. «Ich habe mir gedacht, der Mann ist leicht komisch.» Danach habe der Messerangriff begonnen. Er habe gesehen wie der Täter mehrfach zustach. Er selbst sei mit einem Bekannten zusammen durch zwei Waggons und aus dem Zug geflüchtet. Seine Gefühle nach der Tat beschrieb der Zeuge als ein «mentales Taubheitsgefühl».

Mehr lesen