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Waffenbehörde hätte Amoktat wohl nicht verhindern können

Waffenbehörde hätte Amoktat wohl nicht verhindern können

Waffenbehörde hätte Amoktat wohl nicht verhindern können

dpa
Hamburg (dpa/lno) -
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Blumen liegen vor dem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in der Deelböge. Foto: Georg Wendt/dpa

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Wenige Wochen vor dem Amoklauf von Philipp F. in Hamburg wird die Waffenbehörde auf psychische Probleme des Sportschützen hingewiesen - anonym. Sie besucht den 35-Jährigen, sieht aber keinen Grund, ihm die Waffe wegzunehmen. Die Frage nun:...

Die Hamburger Polizei und die Innenbehörde sehen weiter keine Verfehlung der Waffenbehörde bei der Überprüfung des späteren Amok-Schützen Philipp F. Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Hans Martin Meyer verwiesen am Donnerstag vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft auf bisherige Erkenntnisse einer Prüfgruppe der Polizei und der Fachaufsicht der Innenbehörde. Demnach sei der 35-jährige Sportschütze nach einem anonymen Hinweis wenige Wochen vor der Tat eng an den rechtlichen Vorgaben und nach den üblichen Standards überprüft worden.

Philipp F. hatte am 9. März nach einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf mit einer halbautomatischen Pistole sieben Menschen - darunter ein ungeborenes Mädchen - und schließlich auch sich selbst getötet. Viereinhalb Stunden lang befasste sich der Innenausschuss am Donnerstagabend mit dem Stand der Ermittlungen.

Auch wenn ein von Philipp F. verfasstes Buch, mit dem der anonyme Hinweisgeber die psychische Störung des späteren Täters belegen wollte, von der Waffenbehörde ausgewertet worden wäre, hätte die Tat wohl nicht verhindert werden können, sagte Meyer. Denn selbst wenn man zu dem Schluss gekommen wäre, ein fachpsychologisches Gutachten anzufordern, hätte dem 35-Jährigen die Waffe nicht sofort entzogen werden können. Laut dem Zwischenbericht der Prüfgruppe «kann man nach jetzigem Stand keinen rechtlichen Vorwurf gegen die Mitarbeiter der Waffenbehörde erheben», sagte Meyer.

Wenn man sich frage, ob die Tat durch ein anderes Vorgehen der Waffenbehörde hätte verhindert werden können, «dann müssen wir mit dem Wissen von heute sagen: wohl nicht», sagte auch Grote. Die Überprüfung des Sportschützen habe dem Standard entsprochen. Aber «mit dem Wissen von heute: Das hat nicht ausgereicht.» Künftig solle derartigen Hinweisen tiefer nachgegangen werden. Eine Google-Recherche genüge nicht. Daher sollen in Hamburg künftig in ähnlichen Fällen für sogenannte Osint-Recherchen Experten des Landeskriminalamts hinzugezogen werden.

Der Extremismusforscher Peter Neumann vom Londoner King's College stellte sein Gutachten vor, das er im Auftrag der Hamburger Polizei zu dem von F. verfassten Buch «Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan» erstellt hat. Er könne Philipp F. nicht als Extremisten einstufen, sagte er. «Für mich ist das ein ziemlich wirres Buch, ich könnte keine extremistische Ideologie identifizieren, die sich damit beschreiben lässt.»

Der Hass des Autors, der sich von den Zeugen Jehovas abgewandt hatte, richte sich auch nicht speziell gegen diese Religionsgemeinschaft. Die Zeugen Jehovas würden nicht einmal erwähnt. «Ich lese dieses Buch und sage, das ist einer, der hasst christliche Religionsgemeinschaften.» Es finde sich in dem Buch aber kein Aufruf zur Gewalt. «Ich kann ihnen mit Sicherheit sagen, dies ist kein terroristisches Manifest», sagte Neumann.

Der Leiter des Hamburger Landeskriminalamts, Jan Hieber, beschrieb den Todesschützen als einen an einer schweren Persönlichkeitsstörung erkrankten Menschen. Bereits 2021 habe der Vater den Sozialpsychiatrischen Dienst in Hamburg angerufen und gesagt, dass sein Sohn Stimmen höre und sich umbringen wolle. Nach einem Gespräch mit dem Sohn seien jedoch keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden.

Schon 2019 habe das Umfeld des späteren Täters eine Wesensänderung festgestellt, nachdem Philipp F. seine Beziehung beendet und seinen Arbeitsplatz verloren habe, sagte Hieber. Er habe dann selbst Kontakte zu Ärzten aufgenommen, «um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen», und sei zwischenzeitlich auch in Bayern in stationärer Behandlung gewesen.

Als er 2021 angekündigt habe, sich selbst heilen zu wollen, habe sich der Vater entschieden, die den behördlichen Gesundheitsdienst einzuschalten.

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