Sonderburg

Fehlende Wohnheimplätze: Studierende ziehen übergangsweise ins „Ghetto“

Fehlende Wohnheimplätze: Studierende ziehen übergangsweise ins „Ghetto“

Fehlende Wohnheimplätze: Studierende ziehen ins „Ghetto“

Sonderburg/Sønderborg
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In Nørager sollen übergangsweise Studierende wohnen.
In Nørager sollen übergangsweise Studierende wohnen. Foto: Gerrit Hencke

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Die Süddänische Universität erwartet bis 2027 mehr als 500 zusätzliche Studentinnen und Studenten. Weil die Wohnheimplätze knapp werden, geht die Kommune Sonderburg zusammen mit der Wohnheimverwaltung Studiebolig Syd neue Wege – und die führen auch nach Nørager.

Sonderburg wird als Studienstandort immer beliebter. Die Süddänische Universität (Syddansk Universitet) rechnet bis 2027 mit mehr als 500 neuen Studierenden. Das sorgt für Probleme bei der Unterbringung. Wo es noch vor Jahren eine „boligpladsgaranti“ gab, gibt es heute keine Sicherheit mehr, sofort einen Platz im Wohnheim zu bekommen. „Es ist nicht sicher, dass es permanente Studienwohnungen für alle gibt“, heißt es dementsprechend in einer Pressemitteilung der Studentenheimverwaltung Studiebolig Syd. 

Ein Blick auf die Webseite von Studiebolig Syd zeigt, dass es aktuell, Stand 18. August, keine freien Zimmer gibt. Eine Zwischenlösung hat sich nun für eine Reihe neuer Studierender aufgetan. Insgesamt 18 Wohnungen in Nørager werden zum Semesterstart ab dem 1. September an neue Studentinnen und Studenten vermietet. Zwischenlösung deshalb, weil die Wohnblocks ab Mai 2024 abgerissen werden sollen.

Viertel steht auf der „Ghetto-Liste“

Die bisherigen Mieterinnen und Mieter sollen nach und nach die Häuser verlassen. Hintergrund ist der Plan von Kommune und dem Verwalter, der Sønderborg Andelsboligforening, rund 200 Wohnungen abzureißen. Das Gebiet soll umgestaltet werden. 2020 war der Stadtteil Nørager auf der berüchtigten „Ghetto-Liste“ gelandet, zu der Ende 2022 noch zehn Wohngebiete in Dänemark zählten.  

Im Jahr 2018 wurde das sogenannte „Ghetto-Paket“ verabschiedet – ein Plan gegen das Entstehen von Parallelgesellschaften. Er sah Milliardeninvestitionen vor, unter anderem für den Abriss von Sozialwohnungen. Ziel ist es, die sogenannten Ghettos, später wurde der Begriff offiziell in „Parallelgesellschaften“ umbenannt, in normale Wohngebiete mit einem geringeren Maß an sozialen Problemen, Arbeitslosigkeit und Kriminalität zu verwandeln. Das will man in Sonderburg im kommenden Jahr angehen.

Nørager
Das Wohngebiet Nørager steht auf der dänischen Ghetto-Liste. Foto: Gerrit Hencke

Bis Mai können Studierende nun noch in einigen der Wohnungen unterkommen. „Die Studentinnen und Studenten wissen, dass die Wohnungen nach dem Auszug der bisherigen Mieterinnen und Mieter nicht renoviert werden“, sagt Niels Møller, Direktor von Studiebolig Syd laut Pressemitteilung. Es könne Mängel geben, die für die Periode bis Mai akzeptiert werden müssten. „Wir legen sehr viel Wert darauf zu sagen, dass es sich um Wohnungen zur Überbrückung handelt. So sei es auch gestattet, dass mehrere Studierende für den Zeitraum in einer Wohnung leben.  

Arbeitsgruppe beobachtet Entwicklung

Knapp 1.000 Wohnungen verwaltet Studiebolig Syd derzeit. Der Großteil sind Einzelzimmer. Zahlen darüber, woher die Studierenden kommen, hat die Verwaltung nicht, wie Møller auf „Nordschleswiger“-Nachfrage mitteilt.

Wohl aber erzählt er am Telefon von einer Arbeitsgruppe mit Repräsentantinnen und Repräsentanten von Uni, Kommune und Verwaltungen, die die aktuelle Lage im Blick hat. „Wir beobachten die Entwicklung der Studierendenzahlen stetig, so können wir entsprechend reagieren und sind für 2024 vorbereitet“, sagt Møller. 

 

Alsgade-Kollegiet
Das Alsgade-Kollegiet (rechts) in direkter Nachbarschaft zum Hotel Alsik. Auf der anderen Seite des Alsensundes ist die SDU. Foto: Gerrit Hencke

Bedarf für 350 Wohnheimplätze

Denn wenn die Wohnblocks in Nørager abgerissen werden, müssen andere Lösungen gefunden werden. Neben den alten Wohnheimen Ungdoms-, Handels- und Sønderskov-Kollegiet im Süden der Stadt sowie dem Humlehøj- und Damgade-Kollegiet im Norden gibt es nur ein neues Wohnheim in direkter Uninähe: das Alssund-Kollegiet. Hier gibt es 153 Wohnungen verschiedener Größen.

Insgesamt besteht in den kommenden Jahren jedoch ein Bedarf von etwa 350 Wohnheimplätzen für Auszubildende oder Studierende. 

Neues Wohnheim in zentraler Lage geplant

In naher Zukunft soll daher auf dem ehemaligen DSB-Grund ein weiteres Studentenwohnheim mit 200 Wohnungen gebaut werden. Zunächst muss jedoch ein neuer Bebauungsplan (lokalplan) entwickelt werden.

Das Grundstück an der Herman Bangs Gade/Mølby gehört der Kommune, die es weiterverkaufen möchte. Der Käufer oder die Käuferin soll das Gebäude anschließend errichten und betreiben. 

DSB-Grundstück
Auf dem ehemaligen DSB-Grundstück sollen in naher Zukunft 200 Wohnungen entstehen. Foto: Gerrit Hencke

Übergangslösungen und hohe Priorisierung

„Weil die Fertigstellung noch dauert, treffen wir alle möglichen Absprachen mit Hotels und Jugendherbergen und suchen nach freien Wohnungen“, so Møller.

Der Bebauungsplan bekommt die höchste Priorisierungsstufe, da die Übergangslösungen möglichst schnell der Vergangenheit angehören sollen. „Wir müssen sicherstellen, dass es in Zukunft mehr attraktive Studentenunterkünfte gibt“, sagt Kristian Beuschau, zweiter Vorsitzender des Ausschusses für Technik, Stadt und Wohnungen, laut Pressemitteilung.

Die Vorsitzende des Ausschusses, Kirsten Bachmann, betont die Wichtigkeit attraktiver Wohnungen. „Mehr Bürgerinnen und Bürger – vor allem junge – stärken unseren Arbeitsmarkt und die Gesellschaft vor Ort.“ Das DSB-Grundstück liege zentral in der Nähe vieler Einrichtungen, Schulen und dem ÖPNV. Es liege daher nahe, das Wohnheim hier zu platzieren. 

Der Kommunenplanvorschlag 2023-2035 ist derzeit in der Anhörung. Das Projekt soll hier untergebracht werden. Außerdem ist ein Bürgerinformationstreffen in Verbindung mit der Ausarbeitung des neuen Bebauungsplans angedacht. 

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