Sportpolitik
Rechte von Transmenschen: Richter urteilen für Semenya
Rechte von Transmenschen: Richter urteilen für Semenya
Rechte von Transmenschen: Richter urteilen für Semenya
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Die Läuferin Caster Semenya kämpft seit Jahren gegen den Leichtathletik-Weltverband. Es geht um zu hohe Testosteronwerte und damit vermutliche Vorteile. Jetzt gibt ein Gericht ihr recht.
Olympiasiegerin Caster Semenya hat einen wichtigen Erfolg im juristischen Marathon gegen die Testosteron-Regeln des Leichtathletik-Weltverbandes erkämpft, das Rennen aber noch nicht endgültig gewonnen.
Die 32 Jahre alte Mittelstreckenläuferin aus Südafrika setzte sich mit ihrer Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durch. Der internationale Dachverband World Athletics kündigte schnell Widerstand gegen das Urteil und das Festhalten an den Transgender-Vorschriften an. Ob Semenya das Olympia-Startrecht für die Paris-Spiele 2024 noch erwirken kann, bleibt offen.
Die weltweite Debatte um Transmenschen geht über die Leichtathletik hinaus. Auch im Schwimmen, Rugby oder Radsport gibt es Regelungen zu ihrem Ausschluss von internationalen Frauen-Wettbewerben im Sport. «Dieser bedeutende persönliche Erfolg für sie ist auch ein größerer Sieg für Spitzenathleten weltweit. Das bedeutet, dass Sportinstitutionen in aller Welt anerkennen müssen, dass Menschenrechtsstandards für die Athleten, die sie regulieren», erklärte Semenyas Anwälte in einer Mitteilung.
Richter erntschieden mit 4:3 Stimmen
Wie heterogen die Meinungen bei dem Thema indes sind, spiegelt sich auch in dem Urteil der sieben Richter im Fall Semenya wider, die mit nur 4:3-Stimmen zu ihren Gunsten entschieden. Das Gericht in Straßburg stellte mehrere Menschenrechtsverletzungen fest. Semenya wurde in dem Urteil bestätigt, diskriminiert worden zu sein. Der Gerichtshof befand zudem, dass ihr zweiter Rechtsbehelf gegen die Regeln vor dem obersten Schweizer Gericht zu einer «gründlichen institutionellen und verfahrenstechnischen Überprüfung» der Regeln hätte führen müssen.
Die Vorschriften hätten die Läuferin zudem seit 2019 an den Rand gedrängt, weil sie sich weigerte, ihren natürlichen Hormonspiegel künstlich zu unterdrücken. Für sie stehe «viel auf dem Spiel», da die Regeln ihre Karriere unterbrochen hätten und ihren «Beruf» beeinträchtigten. Semenya hatte vor vier Jahren erfolglos vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas sowie 2020 vor dem Schweizer Bundesgericht geklagt. Die Diskussion um Semenya hatte bei der WM 2009 in Berlin begonnen, wo sie als Teenagerin ihre große Karriere begann.
World Athletics hatte Grenzwert eingeführt
Angesichts der «stark abweichenden Meinungen in der Entscheidung» der Richter will World Athletics die Schweizer Regierung ermutigen, den Fall an die Große Kammer des Menschenrechtsgerichts zu verweisen, damit «eine endgültige Entscheidung» getroffen werden könne. Da kein Eiltempo nach der möglichen Anrufung der nächsten Instanz zu erwarten ist, dürfte für die 800-Meter-Olympiasiegerin von 2012 und 2016 ein Start bei den Paris-Spielen eher schwierig zu erreichen sein.
«In der Zwischenzeit bleiben die DSD-Bestimmungen, die vom Exekutivkomitee von World Athletics im März 2023 genehmigt wurden, in Kraft», hieß es in einer Stellungnahme. Die im März verschärften Transgender-Regeln seien «weiter ein notwendiges, angemessenes und verhältnismäßiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie».
Semenya lehnte neue Regeln ab
World Athletics hatte im November 2018 in bestimmten Disziplinen für die Teilnahme-Berechtigung in der Frauenklasse einen Testosteron-Grenzwert eingeführt. Dagegen hatte die dreimalige Weltmeisterin 2019 vergeblich beim Cas und 2020 beim Schweizer Bundesgericht geklagt.
Semenya hatte öffentlich gemacht, einen hohen natürlichen Testosteronspiegel zu haben, lehnte es aber ab, sich den neuen Regeln zu unterwerfen. Sie wollte sich keiner Behandlung unterziehen, um ihren natürlichen Hormonspiegel unter einen bestimmten Schwellenwert zu senken und so die 800 Meter laufen zu können. Der Weltverband hingegen stellte fest, dass der hohe Testosteronspiegel einen unfairen sportlichen Vorteil verschafft und verbot Transgender-Frauen den Start in bestimmten Disziplinen.
Die Richter befand nun, dass Semenya bei den Gerichtsverfahren in der Schweiz ein wirksamer Rechtsbehelf verweigert wurde. Sie habe glaubwürdig dargelegt, warum sie wegen ihres erhöhten Testosteronspiegels diskriminiert werde. Für solche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und sexueller Merkmale brauche es «sehr gewichtige Gründe» als Rechtfertigung. Weil für Semenya so viel auf dem Spiel stand, hätte ihr Anliegen besser geprüft werden müssen, befanden die Richter.