Jubiläum in Nordfriesland

150 Jahre Gemeinde Reußenköge: Wind, Sonne und Äcker sorgen für Wohlstand

150 Jahre Gemeinde Reußenköge

150 Jahre Gemeinde Reußenköge

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Reußenköge
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Die Skyline von Reußenköge: Windräder prägen das Bild über weite Strecken. Hier wurde der weltweit größte Bürgerwindpark geschaffen. Foto: Carlo Jolly/shz.de

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Die Gemeinde Reußenköge ist mit 150 Jahre vergleichsweise jung. Sie wurde von Menschen geschaffen, die das Land über Jahrhunderte der Nordsee abtrotzten. Windräder und Getreidefelder prägen das Bild.

Prägend für die Gemeinde Reußenköge sind die vielen, vielen Windräder und die markanten weißen Bauernhäuser mit ihren hellgrünen Dächern im Sönke-Nissen-Koog. Sie symbolisieren auch die Haupteinnahmequellen: Energie- und Landwirtschaft. Sieben Köge mit der Hamburger Hallig sowie ein Teil des Beltringharder Kooges – bilden die erstmals 1871 im Amtsblatt erwähnte Gemeinde Reußenköge aus.

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342 Menschen leben dort und haben viel Platz: 4.600 Hektar umfasst die Gemeinde. Doch viel mehr Menschen kennen die Gemeinde: Sei es von Ausflügen zur Hamburger Hallig, vom Urlaub auf dem Bauernhof oder bei der Fahrt zu den Fähren zu den Inseln und Halligen. Die Strecke durch die Köge ist eine beliebte Abkürzung für alle, die die B5 meiden wollen.

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Das 150-jährige Bestehen von Reußenköge wird am Freitag (12. November) mit einem Empfang für geladene Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in der Koogshalle gefeiert. Am Sonnabend (13.) sind dann alle Bürger und Buten-Köger eingeladen. Der ehemalige Bürgermeister und Ehrenbürger Johannes Volquardsen wird die Festrede halten. Zudem wird die von den Gemeindevertretern erarbeitete Festschrift vorgestellt.

Erste Eindeichung 1741

Die Entwicklung und Erfolgsgeschichte der Gemeinde Reußenköge begann schon 1741 mit der Eindeichung des Sophien-Magdalenen-Kooges. Dort, wo heute die Koogshalle steht, tobte die Nordsee, der das fruchtbare Land und später die weiteren Köge mühsam abgerungen worden waren. 1767 wurde der Desmerciereskoog, 1789 Reußenkoog und 1799 Louisen-Koog eingedeicht.

1905 kam der Cecilienkoog hinzu. Die Folgen des Ersten Weltkriegs waren belastend für alle wirtschaftenden Betriebe. Trotz der schwierigen Umstände folgte in den 1920er Jahren ein weiterer Koog, benannt nach Sönke. Nissen. Er war Nordfriese und hatte in Südwestafrika als Ingenieur eine Eisenbahnstrecke gebaut und Diamant-Minen besessen. Er soll allerdings auch für den Tod von Zwangsarbeitern verantwortlich gewesen sein. Sönke Nissen finanzierte die Eindeichung des Koogs.


Dieser ist dank der Höfe bis heute etwas ganz Besonderes in der nordfriesischen Landschaft – mit den weißen Gebäuden mit ihren ausladenden, hellgrünen Dächern, die an die an die Bauweise in Südwestafrika erinnern. Und sie tragen noch heute die Namen der Eisenbahnstationen Kalkfontain, Elisabethbay, Karrasland, Lüderitzbucht, Keetmannshoop, Seeheim und Kolmannskuppe, Namen aus Nissens einstiger Wirkungsstätte.

Beliebtes Ausflugsziel: Hamburger Hallig

Ein beliebtes Ausflugsziel ist die Hamburger Hallig. Zu verdanken ist sie den Brüdern Rudolf und Arnold Amsinck, Kaufleute aus Hamburg. Sie erwarben 1624 das Eindeichungsrecht. Bis 1628 erbauten sie Deiche. 1634 zerstörte die Buchardiflut alles, es blieb nur die Warft mit dem Haus der Hamburger stehen.


Das Areal wurde eine Hallig. Sie blieb bis 1760 im Besitz der Familie Amsinck. 1874 wurde ein Damm zum Festland gebaut. 1899 wurde sie in die Gemeinde Reußenköge eingegliedert. Die Hallig ist seit 1930 Naturschutzgebiet. Und noch ein Naturschutzgebiet gehört in Teilen zur Gemeinde: der 1987 eingedeichte Beltringharder Koog.

Unabhängig dank hoher Gewerbesteuer-Einnahmen

Zu allen Zeiten haben die Gemeindevertreter Wert darauf gelegt, dass die Gemeinde amtsfrei bleibt, das heißt dass sie keinem Amt angehört und für die Verwaltungsleistungen bezahlt. Dies gelang bis heute, auch dank sehr guter Einnahmen aus der Windenergie.

1990 fragten erste auswärtige Landbesitzer nach Pachtflächen für Windkraftanlagen. Das gab Anstoß für das weitere Vorgehen. Die Bürger sollten nicht nur den Anblick der Windräder haben, sondern auch finanziellen Nutzen. Acht Bürgerwindparks entstanden im Laufe der Zeit. 2014 verschmolzen sie zu einem einzigen, um konkurrierenden Planungen zu begegnen.

Größter Bürgerwindpark weltweit

Von der Gesamtleistung her ist er der größte Bürgerwindpark weltweit. Der Jahresertrag von 750 Millionen Kilowattstunden könnte eine Stadt mit 500.000 Einwohnern versorgen. Was bleibt, ist der Grundsatz: Nur Einwohner und Landbesitzer der Reußenköge oder deren Nachkommen dürfen Mitglieder werden.

So bauten sich viele Landwirte im Hinblick auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft ein sicheres zweites Standbein auf. Ein herausragendes Unternehmen in der Gemeinde ist die Firma GP Joule, die sehr innovativ im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig ist.

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Mittlerweile gibt es auch zwölf wind- und landwirtschaftsfremde Unternehmen. Die Gewerbesteuer-Einnahmen kommen den Bürgern im Sinne der Daseinsvorsorge zu Gute. Zu nennen wären die Koogshalle mit Bühne für Veranstaltungen bis 400 Gäste, der Ausbau des Radwegenetzes vom Desmerciereskoog bis Ockholm, die Verbreiterung und Sanierung der Wirtschaftswege oder ein Wohnprojekt in Bredstedt.

„Ich wünsche mir, dass es für alle Bürger attraktiv bleibt, hier zu wohnen, zu arbeiten und sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Gemeindevertretung zieht an einem Strang“, sagt Bürgermeister Dirk Albrecht.

Und was sagen die Einwohner zu ihrer Gemeinde?

Holger Petersen aus dem Sophien-Magdalenen-Koog mag die Weite, frische Luft und das Gefühl von Zuhause. Er ist auf dem ehemaligen Hof seiner Eltern geboren und hat ihn übernommen. Heidi Thamsen, zu Hause im Sönke-Nissen-Koog, liebt die gemütliche, familiäre Atmosphäre.

Birgit Peters, Sönke-Nissen-Koog, schätzt den Zusammenhalt der hier lebenden Menschen, obwohl sie teilweise weiter voneinander wegwohnen. Kurt Petersen aus dem Desmerciereskoog – er schuf auf seinem Hofgelände 2009 den Engelsplatz – sagt: „Wir leben alle für uns und sind trotzdem füreinander da. Man darf hier sein, wie man ist.“

Und Anke Dethlefsen aus dem Sönke-Nissen-Koog schätzt das gute Miteinander zwischen Jung und Alt. „Jeder kann sich wiederfinden und darf sich in der Gemeinschaft ehrenamtlich einbringen, muss es aber nicht, wenn er nicht möchte.“


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