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50 Mitfahrbänke im Kreis Schleswig-Flensburg: Benutzt sie überhaupt jemand?

50 Mitfahrbänke im Kreis Schleswig-Flensburg: Benutzt sie überhaupt jemand?

50 Mitfahrbänke im Kreis Schleswig-Flensburg

Monika Dittombée/shz.de
Flensburg
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Unsere Reporterin Monika Dittombée hat es ausprobiert und versucht, im Kreis Schleswig-Flensburg mit Hilfe von Mitfahrbänken von A nach B zu kommen. Foto: Privat/shz.de

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An mehreren Stellen im Kreisgebiet stehen sie am Straßenrand: Die Mitfahrbänke. Als gute Idee ins Leben gerufen, scheinen sie mittlerweile vielerorts ungenutzt. Unsere Reporterin hat den Test gemacht.

50 Mitfahrbänke soll es im Landkreis Schleswig-Flensburg geben. Das Konzept klingt sympathisch: schnell von A nach B kommen, Leute kennenlernen, Verkehr und CO2 reduzieren. Funktioniert diese Form der Mobilität? Ein Versuch.

Flensburg hängt schief und sieht traurig aus. Nicht die Stadt, sondern das Schild, auf dem der Name meines Wunsch-Ziels geschrieben steht. Ein Radfahrer hält an, steckt ein Taschentuch in die knarzende Lücke zwischen den Ziel-Schildern „Flensburg“ und „Glücksburg“.

Auf diese Idee hätte ich selber kommen können. Nun steht das Schild stramm. Wird das helfen? Eine Mitfahrbank ist eine Bank aus Holz mit bis zu fünf Richtungsschildern, die den vorbeifahrenden Autos signalisieren, wohin die wartende Person mitgenommen werden möchte. So simpel, so einleuchtend.

Erster Plan: Von Westerholz nach Flensburg

„Hier hab ich ja noch nie jemanden sitzen sehen“, ruft mir eine Radlerin zu, verbunden mit einem „Viel Glück für heute“. Ich sitze in Westerholz nahe Langballig und wollte ursprünglich nach Flensburg. Nach ungefähr 30 Minuten Warten springe ich auf und klappe ein neues Ziel aus.

Hab gerechnet. Lieber nicht nach Flensburg mit 21 Minuten Fahrzeit. Auf nach Glücksburg mit nur 13 Minuten Fahrzeit. Geht schneller und ich habe größere Chancen, heute wieder nach Hause zu kommen. Nach Steinbergholz. Bei mir in der Nähe gibt es noch keine Mitfahr-Bank, die ich zu Fuß erreichen kann.

Zahlreiche Autos brausen vorbei

Die nächste Bank steht in Quern, doch dahin wollte ich noch nie. Daher habe ich Westerholz ausgesucht, nahe Langballigau. An einem sonnigen Samstagvormittag im Juni brause ich hochmotiviert auf dem Fahrrad los.

Schöne Strecke, gehört zu meinen Lieblingsrouten, trotz der Steigungen, doch fast immer mit Ausblick auf die Förde. Porsches fahren vorbei, herrliche Oldtimer, knuffige Cabrios, gemütliche Kombis. Fast schon Ferienstimmung. Und ich sitz im Schatten.

Eine Gruppe Segler aus dem Hafen Langballigau, unterwegs auf Klapprädern, setzt sich neben mich zum Durchatmen. Sofort fühle ich mich weniger allein. Eine Frau aus Franken erzählt, dass sie bei sich zu Hause noch nie jemanden auf der Mitfahrbank gesehen habe. Also genau wie hier. Aber warum?

Klappt es per Zufallsprinzip?

Die Idee der Mitfahrbank klingt sympathisch und sinnig. Im ländlichen Raum sollen Fahrten gebündelt werden, etwa wenn man ohne Zeitdruck mal in der Stadt bummeln möchte. Doch die zeitliche Übereinstimmung auf Zufall scheint knifflig.

In Westerholz schmachte ich den vorbeifahrenden Autos hinterher und sehe: Alle haben ihre Wege, Routen, Termine, selbst am Samstag. Da bleibt für ein spontanes Stoppen wenig Raum. Schade. Dabei wurde das Projekt vom Bundesumweltministerium im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert.

34 von 50 Gemeinden der „Klimaschutzregion Flensburg“ hatten sich das Ziel gesetzt, mindestens eine Mitfahrbank je Gemeinde aufzustellen. Fast 50 Mitfahrbänke sollen in der Region aufgestellt worden sein.

Vielleicht kann eine App die Lösung sein? Sich smart digital verabreden, Fahrten oder Zielwünsche eintragen, an der Bank treffen, losfahren, Ziel erreichen. Ich lade die App „Mitfahrbänke“ auf dem iPhone runter und sehe, dass zwar westlich von Stralsund irre viele Mitfahrbänke eingetragen sind, aber keine einzige in Schleswig-Holstein, auch nicht in Westerholz. Wirklich wahr? Hab ich was übersehen?

Rückfrage bei den Organisatoren: Was ist mit dieser App los? Die Antwort von Christoph Thomsen, von „Boben op Klima- und Energiewende e. V.“, Mitglied von Deutschlands größtes Netzwerk für Mitfahrbänke „Mitfahrverband e.V.“

Ich müsste jetzt also noch etwas installieren, um vom iPhone auf den GooglePlay Store zuzugreifen. Nur hab ich dazu keine Lust mehr. Ich wollte es einfach haben. Wie schade. Wenn Menschen sich nicht spontan finden, sollte wenigstens digitale Technik helfen. Bei Tinder klappt das ja auch.

Ich gebe auf. Nach einer Stunde Warterei radle ich weiter nach Langballig. Auf dem Edeka-Parkplatz steht auch eine Mitfahrbank. Guter Standort, viele Autofahrer. Soll ich mich nochmal setzen? Da zuckt ein neuer Gedanke bedrohlich hoch. Was, wenn ich nicht zurückkomme?

Also eventuell nimmt mich von hier jemand nach Glücksburg mit, aber dann sitze ich dort und komme nicht fort? Inzwischen wächst in mir so etwas wie eine mittlere Panik vor der Mitfahrbank. Großer Bogen. Ich nehme das Fahrrad und komme aus eigener Kraft nach Hause. Das klappt zuverlässig.

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