Zugausfälle und Verspätungen

9-Euro-Ticket: So unpünktlich waren die Züge in Schleswig-Holstein im Sommer

9-Euro-Ticket: So unpünktlich waren die Züge im Sommer

9-Euro-Ticket: So unpünktlich waren die Züge im Sommer

Dirk Fisser
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
In den Monaten des 9-Euro-Tickets waren die Bahnsteige wie hier in Hamburg oft ziemlich voll. Viele Menschen nutzten die Möglichkeit, billig Zug zu fahren - und erlebten zahlreiche Verspätungen und Zugausfälle. Dazu gibt es nun Zahlen. Foto: dpa/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Das 9-Euro-Ticket war mit Blick auf die Fahrgast-Zahlen ein ziemlicher Erfolg: Die Züge waren proppenvoll - wenn sie denn fuhren. Eine Auswertung unserer Redaktion zeigt, wie schlimm das Bahn-Chaos in Schleswig-Holstein im Sommer tatsächlich war...

Den Sommer verbrachten viele Menschen auf der Schiene. Das 9-Euro-Ticket machte den Schienennahverkehr für drei Monate unschlagbar günstig. Doch viele Bahnfahrer erlebten vor allem eins: Pleiten, Pech und Pannen. Die Anekdoten über verspätete Anschlusszüge und komplett überfüllte Bahnen fluteten das Netz. Doch wie schlecht waren die Bahnunternehmen in dem Zeitraum wirklich?

Pünktlichkeit der Züge sank im Sommer

Unsere Redaktion hat bei den zuständigen Stellen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nachgefragt. Und tatsächlich: In den Sommermonaten des 9-Euro-Tickets ist die Pünktlichkeitsquote der Regionalbahnen in Norddeutschland deutlich schlechter gewesen als in den ersten Monaten des Jahres. Auf einigen Strecken waren pünktliche Züge fast schon die Ausnahme.

Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) - sie vergibt im Auftrag des Landes den Schienennahverkehr zwischen Nordseeküste und Harz - teilt mit: Über alle Netze hinweg waren von Januar bis Mai noch 90 Prozent der Regionalzüge in Niedersachsen pünktlich. Mit Beginn des 9-Euro-Ticket sackte die Pünktlichkeitsquote ab.

In den Monaten Juni, Juli und August kamen im Schnitt gerade noch 79,4 Prozent der Züge pünktlich ans Ziel. Pünktlich heißt in diesem Fall: Sie hatten eine Verspätung von maximal fünf Minuten. Jeder fünfte Zug hatte also deutliche Verspätung.

Auf einigen Teilstrecken war die Situation noch schlechter. Im Weser-Ems-Netz, das etwa Osnabrück, Oldenburg, Bremen und Wilhelmshaven miteinander verbindet, lag die Pünktlichkeitsquote bei nur 77 Prozent. Diese Grafik zeigt die Entwicklung in Niedersachsen:

Ursache sind aus Sicht der LNVG „die steigenden Fahrgastzahlen, die dazu geführt haben, dass das Ein- und Aussteigen deutlich länger gedauert hat, insbesondere in den Knoten Osnabrück, Oldenburg und Bremen.”

Nicht Teil der Statistik sind die Regionen Hannover und Braunschweig. Durch einen Betreiberwechsel bei der S-Bahn in und um Hannover war es zuletzt zu erheblichen Problemen auf der Schiene gekommen.

Ebenfalls nicht Teil der Pünktlichkeitsstatistik sind ausgefallene Züge. Ein Sprecher der LNVG teilt mit: „In weiten Teilen Niedersachsens sind die ungeplanten Zugausfälle zwischen Juni und August deutlich angestiegen.“ Konkrete Zahlen nennt die Landesgesellschaft hier allerdings nicht.

So war die Situation in Schleswig-Holstein

Im Nachbarland Schleswig-Holstein war die Situation in den Sommermonaten nicht viel, aber immerhin etwas besser. Zahlen des Nahverkehrsverbundes Schleswig-Holstein zeigen, dass die Pünktlichkeitsquote der Nahverkehrszüge im Norden von 94 Prozent im Januar auf nur noch 83,6 Prozent im August gesunken ist.

Allerdings war die Situation auf einigen Strecken im Land bedeutend schlechter und am schlechtesten auf der Strecke zwischen Lübeck und Travemünde; im August erreichte hier nur jeder zweite Zug zur geplanten Zeit sein Ziel (55 Prozent), schon im Juli kamen Ausflügler nur in 63,2 Prozent der Züge pünktlich an.

Auch wer zwischen Lübeck und Lüneburg reiste, brauchte Geduld: Im Juli fuhren auf der Strecke nur 58,3 Prozent der Züge planmäßig, im August war es mit 60,7 Prozent kaum besser.

Wer im RE 1 zwischen Hamburg und Schwerin fuhr, hatte im August nur eine 69-prozentige Chance, wie geplant anzukommen; im Juli waren es sogar nur 62,6 Prozent, im Juni 70,9 Prozent.

Auch auf den folgenden Strecken war nicht mal jeder vierte Zug pünktlich: RE 7 Flensburg/Kiel – Hamburg Hbf (70,5 Prozent im August), RE 70 Kiel – Hamburg Hbf (Juni: 73,2 Prozent, August: 75 Prozent), RE 72 Flensburg – Kiel (Juli: 70,3 Prozent).

Was war mit Sylt?

In der Berichterstattung über das 9-Euro-Ticket nahm Sylt eine besonders große Rolle ein. Auf der Linie zwischen Westerland und Hamburg (Altona) sind im Geltungszeitraum rund vier von fünf Regionalzügen pünktlich. Schlechtester der drei 9-Euro-Monate ist der Juni; mit einer Pünktlichkeit von 78,8 Prozent liegt er aber noch vor dem Mai (74,5 Prozent), in dem das Billig-Ticket noch nicht galt.

Auch für Schleswig-Holstein gilt: Zugausfälle werden nicht in die Statistik eingerechnet - ein Zug, der nicht fährt, kann sich auch nicht verspäten. In Sachen Zuverlässigkeit weist die Nahverkehrsgesellschaft genauere Daten als Niedersachsen aus. Demnach sind im Juni 4,4, im Juli 4,5 und im August 5,5 Prozent der Regionalbahnen im Land ausgefallen.

Hier fielen besonders viele Züge aus

Hauptgrund waren demnach geplante Baumaßnahmen auf den Strecken, aber auch Corona. Das Virus führte offenbar zu Personalausfällen. Besonders betroffen waren die Regionalbahnen zwischen Bad Oldesloe und Hamburg, Rendsburg und Kiel sowie Kiel und Lübeck. Auf den Strecken fiel mehr als jeder zehnte Zug aus. Nur ein Teil der Ausfälle wurde laut Statistik durch Schienenersatzverkehr kompensiert.

Nichtsdestotrotz: Die Züge waren im Sommer voll. Auch deswegen wollen Bund und Länder ein 49-Euro-Ticket als Nachfolger auflegen. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht final geklärt. Aufgrund der Erfahrungen des Sommers hält die LNVG auf Anfrage fest: „Wenn der Bund will, dass dauerhaft mehr Menschen Bahn fahren, müssen die Bahnhöfe und Schienenstrecken entsprechend ausgebaut werden.” Das wiederum ist Zuständigkeit des Bundes.

Mehr lesen