Schwarz-Grün

Aminata Touré – die unberechenbare Grüne

Aminata Touré – die unberechenbare Grüne

Aminata Touré – die unberechenbare Grüne

Martin Schulte/shz
Kiel
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Landtagssitzung in Kiel Foto: dpa

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Die designierte grüne Sozialministerin Aminata Touré erfährt bundesweite Aufmerksamkeit – für den Koalitionspartner von der CDU bleibt sie aber eine schwer berechenbare politische Partnerin.

Sie haben noch keine Ponys zusammen gestreichelt, wie es Daniel Günther einst mit Robert Habeck im Flensburger Stiftungsland tat. Dennoch gilt das Verhältnis des Ministerpräsidenten zur neuen schleswig-holsteinischen Vorzeige-Grünen Aminata Touré als intakt. Ja, mehr als das: Sie verstehen sich.

Aminata Touré hat Karriere gemacht in den letzten Monaten, das steht außer Frage. Nicht nur wegen ihrer bevorstehenden Vereidigung als Sozialministerin des Landes, sondern vor allem, weil sie als Grüne derzeit eine bundesweite Aufmerksamkeit erfährt wie sonst nur der Bundeswirtschaftsminister Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und die nordrhein-westfälische Bald-Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur.

Wer dieser Tage durch die bundesdeutschen Medien blättert oder klickt, fällt immer wieder über Touré und ihre besondere Biografie: Vom Flüchtlingskind zur Ministerin lautet der Tenor der unzählige Male erzählten Geschichte, die in geradezu märchenhafter Verkürzung den Werdegang der Frau zusammenfasst, deren Eltern einst aus Mali nach Deutschland geflohen sind.

Abitur in Neumünster

Das liest sich in Nürnberg oder Neuss ebenso gut wie in Neumünster, wo Touré ihr Abitur machte. Und ist dennoch eine bemerkenswerte Verkürzung der persönlichen wie politischen Biografie der künftigen Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung.

Derart verkürzt, dass man beinahe fragen könnte, ob Touré, die sich in der vergangenen Legislatur im Landtag gegen Diskriminierung und für Gleichstellung engagiert hat, nicht selbst über diese Divergenz erstaunt sein müsste.

Schließlich hat die 29-Jährige ihr bisheriges Leben schon wesentlich differenzierter in einem Buch mit dem Titel „Die Macht der Vielfalt“ zusammengefasst. Und sie war überdies die jüngste Vizepräsidentin eines deutschen Landtages. Aber das klingt natürlich weniger interessant – und Aminata Touré kennt die Spielregeln der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Sie ist eine kluge, humorvolle und selbstbewusste Frau; natürlich liegt es nahe, dass Aminatas Biografie der Ministerin Touré in ihrem Amt helfen wird.

Interessant wird darüber hinaus vor allem sein, wohin sich die schleswig-holsteinischen Grünen mit ihr in einflussreicher Position entwickeln werden. Beim Koalitionspartner CDU mit dem großen Wahlsieger Daniel Günther schätzen sie die Verlässlichkeit der langjährigen grünen Finanzministerin Monika Heinold, deren Rolle innerhalb des Landesverbandes eine wichtige ist: Die 63-jährige Erzieherin steht für politischen Pragmatismus und Realpolitik. Sie ist das soziale Scharnier der Koalition.

Heinold als Ministerin für schwarz-grüne Harmonie

Heinold war es auch, die 2017 mit ihrem Wechsel ins Kabinett den Weg für Touré ins Parlament über die Landesliste überhaupt erst frei gemacht hat, fünf Jahre später traten beide als Spitzenkandidatinnen an. Nun gehen sie gemeinsam ins Kabinett.

Bei der CDU fragt sich mancher, was passieren würde, wenn Monika Heinold nicht die ganze Legislatur im Amt bleiben würde. Sollte die zuständige Ministerin für das schwarz-grüne Binnenklima tatsächlich nach zweieinhalb Jahren von Bord gehen, entstünde ein parteidiplomatisches Vakuum, das aktuell weder Aminata Touré noch der designierte Umweltminister Tobias Goldschmidt füllen könnten. Letzterer gilt unter Christdemokraten als zu unbeweglich, erstere als wenig berechenbare Vertreterin der nachfolgenden Grünen-Generation.

Ein Sommerfest in Kiel

Derzeit wird in Kiel gern die Geschichte eines Sommerfestes erzählt, bei dem Daniel Günther ganz bewusst die Nähe zu jüngeren Grünen gesucht habe. Nachdem der Ministerpräsident sich fast eine Stunde lang Geschichten über Identitätssuche und Geschlechterrollen angehört hatte, habe er schließlich gefragt, ob man sich denn nicht langsam mal über das relevante Thema Klimawandel und die Maßnahmen dagegen austauschen wolle.

Es sind Erzählungen wie diese, die nicht nur konservativen CDU-Vertretern Sorgen bereiten, wie die gemeinsamen fünf Jahre mit den Grünen verlaufen werden. Diese Zweifel schließen die Vermittlungs-Fähigkeiten der grünen Hoffnungsträgerin Aminata Touré mit ein. Sie wird mehr nach innen kommunizieren und sich nach außen neue, inhaltlich breitere Politikfelder erschließen müssen. Da wird die Frage nach ihrer Tauglichkeit für schwarz-grüne Pony-Momente fast nebensächlich.

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