Gesellschaft

Andere Symptome, falsche Behandlung: Frauen werden in der Forschung kaum berücksichtigt

Falsche Behandlung: Frauen werden in der Forschung kaum berücksichtigt

Frauen werden in der Forschung kaum berücksichtigt

Dania Isabell Martin/shz.de
Kiel
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Dr. Gisa Andresen leitet gemeinsam mit Dr. Carsten Leffmann die Vortragsreihe zur Frauengesundheit. Foto: Dania Isabell Martin/shz.de

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Frauen werden in der Forschung kaum berücksichtigt und deswegen seltener richtig behandelt. Die Vizepräsidentin der Ärztekammer SH erklärt, wo die Probleme liegen und wie man trotzdem gesund bleiben kann.

Enge in der Brust, Schmerzen im linken Arm und Angst: Das sind die typischen Symptome für einen Herzinfarkt – bei Männern. Denn der weibliche Herzinfarkt äußert sich ganz anders, erklärt Dr. Gisa Andresen, Vizepräsidentin der Ärztekammer Schleswig-Holstein.

„Frauen haben bei einem Herzinfarkt Übelkeit, ein mulmiges Gefühl und teilweise Rückenschmerzen, die kommen und gehen. Aber das sind nicht die ‚klassischen‘ Symptome, deswegen wird es selten richtig zugeordnet.“ So bekomme eine Frau meist eher Psychopharmaka verschrieben und solle sich entspannen.

Dieses Beispiel ist eins von vielen, in denen die medizinische Forschung die Frau wenig bis gar nicht berücksichtigt hat. Klassische Symptome seien meist die, die von Männern gezeigt werden.

Frauen würden auch kürzer reanimiert werden, mehr Herzen spenden als erhalten und hätten häufiger Nierenversagen, kämen aber deutlich später zur Dialyse. „Die Dosierung der Medikamente ist oft nicht angepasst auf Frauen, weil auch hier eher männlich geforscht wird“, sagt Dr. Andresen. Die Folge sei meist zu hohe Dosierung. Der Abbau dauert bei Frauen jedoch länger.

Genauso vertragen Frauen weniger Alkohol und erleiden schneller einen Leberschaden. Als Beispiel nennt die Expertin die tägliche Menge an Wein, die mit Blick auf die Gesundheit zulässig ist. Bei Männern seien das etwa 0,2 bis 0,3 Liter, die zu einem Promillewert von 0,2 führen – bei Frauen deutlich weniger, sie dürfen nur einen Wert von 0,1 Promille täglich erreichen. Frauen dürfen also höchstens halb so viel trinken.

Natürlich gibt es auch Krankheiten, bei denen mehr an Frauen gedacht wird. So seien Depressionen und Osteoporose „klassisch weibliche“ Krankheitsbilder. „Die werden bei Männern seltener gefunden, weil man da nicht so hinguckt“, sagt Andresen.

Die sogenannte Gendermedizin ist bislang noch nicht überall angekommen. Seit Januar 2022 fordere die Regierung, dass Frauen anteilig berücksichtigt werden. Um die geschlechterspezifische Medizin präsenter zu machen und die Gesundheitskompetenz der Frauen zu fördern, bietet die Ärztekammer in Kooperation mit den Landfrauen in Schleswig-Holstein Vorträge zum Thema Frauengesundheit an.

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