Naturschutztag

Aufbruchstimmung für die Artenvielfalt

Aufbruchstimmung für die Artenvielfalt

Aufbruchstimmung für die Artenvielfalt

SHZ
Neumünster
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Frank Gottwald / SHZ

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die neue Landesstrategie zur biologischen Vielfalt erntet bei Praktikern Respekt, dennoch bleiben bei ihnen noch Wünsche offen.

Das Artensterben zu stoppen, war ursprünglich schon bis 2010 erklärtes Ziel der Politik. Die Listen mit den Roten Arten sind jedoch länger und länger geworden. Dennoch macht sich bei Praktikern vorsichtiger Optimismus breit, dass der neue Anlauf der Landesregierung klappt, bis 2030 eine Trendumkehr zu erzielen. Das hat der 25. schleswig-holsteinische Naturschutztag in den Neumünsteraner Holstenhallen gezeigt. Die Rekordzahl von 600 Teilnehmern war zu der Jubiläumsveranstaltung zum Thema Biodiversität gekommen. Und die meisten von ihnen zollten der neuen „Landesstrategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ aus dem Kieler Umweltministerium Respekt.

Naturschutz-Ausgaben steigen von 70,2 auf 122,4 Millionen

Wie bereits berichtet, will Ressort-Chef Jan Philipp Albrecht (Grüne) mit diesem „Masterplan“ den Artenschutz auf breitere Füße stellen. Die Gesamtausgaben dafür sollen von heute 70,2 Millionen auf 122,4 Millionen in neun Jahren steigen. Unter anderem soll der Ausbau eines landesweiten Biotopverbundsystems inselartige Naturreservate miteinander verzahnen.

„Ein Novum in Deutschland“

Eine „bundesweite Vorbildfunktion“ peilt Albrecht an, wie er auf dem Naturschutztag sagte. Und Uwe Dierking von der Kieler Geschäftsstelle des Deutschen Verbands für Landschaftsplege bescheinigte der Strategie, durch die Unterlegung mit einem Finanzierungsplan tatsächlich „ein Novum in Deutschland“ zu sein. Papiere gebe es an sich genug.


Karl-Heinz Christiansen, dem Vizevorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz im Land, reicht dies trotz „guter Ansätze“ noch nicht. Ebensowenig wie die Zahl von 45 zusätzlichen Stellen, die das Land zur Umsetzung der ehrgeizigen Konzepte einrichten will. In den 70er- und 80er-Jahren „hatten wir im Land ein so genanntes Programm Nord zur Flurbereinigung mit mehreren 100 Mitarbeitern“, rief der BUND-Mann in Erinnerung. „Heute brauchen wir ein Flurbereicherungsprogramm mit ebenso vielen Personen und Geld.“ Gemünzt war das darauf, dass die durch die Flurbereinigung intensivierte landwirtschaftliche Nutzung das Artensterben beschleunigt hat. Ebenso notwendig sei „ein Stopp der Artenkenner“, verlangte Christiansen. „Kaum ein Jugendlicher kennt heute noch die wichtigsten Wald- und Wiesenvögel.“ Das war zumindest indirekt Beifall dafür, dass die Landesstrategie mit einer eigenen Säule für mehr Bildungsarbeit zur Natur versehen ist.


Die richtige Wertevermittlung „vom Kindergarten an“ und „Ökologie als Querschnittsafugabe in allen Schulfächern“ sieht auch Ulrich Irmler vom Landesnaturschutzverband als zentralen Erfolgsfaktor. Seine zweite Hauptbotschaft: Mehr Artenschutz werde „nur mit den Landwirten gehen“, deren Produktionsweise letztlich „ein Spiegelbild der Gesellschaft“ sei.


„Die Maßnahmen gehen an unser Portemonnaie“, gab Ludwig Hirschberg vom Bauernverband zu bedenken. Sein Beispiel: Es habe ihn ein Fünftel seines Einkommens gekostet, dass er heute – ökologisch verträglicher – zwölf statt einst drei Feldfrüchte auf seinem Betrieb anbaut. Wichtig seien den Landwirten „klare, verlässliche Ziele“ für eine Partnerschaft mit dem Naturschutz. Er sprach sich dagegen aus, schlicht nur so viele Biotope wie möglich zu fordern – „dann sind wir nachher bei einem Zoo.“

Die Hürden des Naturschutzalltags

Fritz Heydemann, Vorsitzender des Naturschutzbunds (Nabu), listete Mankos aus dem realen Leben auf, die Artenschutz zuwiderliefen - egal, ob es eine neue Strategie gibt oder nicht. Da sei der Baggersee, der laut Behörden eigentlich nutzungsfrei bleiben sollte, auf dem Mitglieder eines lokalen Vereins dann aber doch angeln dürften. Da seien „Gefälligkeitsgutachten“ wie etwa bei einem Knick, das im Auftrag eines Bauherrn dort nur vier Arten ausfindig gemacht habe, obwohl der Nabu 14 registriert habe. Oder landauf, landab in den Managementplänen der Flora-Fauna-Habitat-(FFH-Gebiete) „zu unkonkrete Angaben über Maßnahmen zum Erhalt“.

Aus Anlass des 25. Jubiläums war neben dem Umweltminister auch Ministerpräsident Daniel Günther beim Naturschutztag dabei. Er mahnte einen Umgang mit der Natur an, der auch in 100 Jahren noch trägt: „Klimawandel und Verlust der Artenvielfalt sind zusammenhängende Entwicklungen, denen wir uns mit aller Kraft entgegenstemmen müssen.“

Mehr lesen