Heilpädagogik in Rabenholz

Begegnungshof „Lebenswiese“: Wo traumatisierte Tiere und Kinder Heilung finden können

Wo traumatisierte Tiere und Kinder Heilung finden können

Wo traumatisierte Tiere und Kinder Heilung finden können

Stephan Schaar
Kappeln
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Heilpädagogin Karoline Heling und ihre Hündin Rosa, die sie aus einer rumänischen Tötungsstation befreit hat. Rosa ist die heimliche Chefin des Hofes und hat einen besonders guten Draht zu Kleinkindern. Foto: Stephan Schaar/shz.de

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Heilpädagogin Karoline Heling hat auf ihrem Begegnungshof „Lebenswiese“ bei Rabenholz notleidende Tiere aufgenommen und so vor dem sicheren Tod bewahrt. Jetzt will sie tiergestützte Traumapädagogik für Kinder anbieten. Ein Konzept, von dem...

Bereits seit einigen Jahren hatte Karoline Heling aus Flensburg gemeinsam mit ihrer Mutter Katrin Wiese nach einem alten Resthof gesucht und Anfang 2021 waren sie in der Nähe von Rabenholz bei Kappeln endlich fündig geworden. „Wir haben uns den Hof und die Stallungen angesehen und obwohl hier noch so einiges zu tun war, haben wir gleich gespürt, dass dies der richtige Ort für unser Projekt ist“, sagt Karoline Heling. Ihr Plan: Auf ihrem Hof wollen sie nicht nur Tieren in Not ein neues Zuhause gegen, sondern auch seelisch belasteten Kindern durch den Kontakt mit den Tieren helfen, ihr Trauma zu bewältigen.

Hilfe für Kinder bis sechs Jahren

„Auf unserem Hof können sich verletzte Kinder- und Tierseelen begegnen und miteinander heilen“, sagt Heling.

Außerdem bietet sie für Kinder auch therapeutische Arbeit mit und in der Erde an. „Die Planung, Vorbereitung und Pflege für ein eigenes Beet fördert nicht nur die Eigenverantwortung, sondern bringt auch die Selbstfürsorge zum Vorschein“, erklärt Karoline Heling. Derzeit sind Kinder von null bis sechs Jahren ihre Zielgruppe, aber sie denkt auch daran, künftig mit Grundschülern und Jugendlichen zu arbeiten.

Tiere aus den unterschiedlichsten Notlagen gerettet

Aber zuerst geht es um die Tiere: Die 35-jährige Heilpädagogin und Ergotherapeutin und ihre Mutter, die ebenfalls Heilpädagogin ist und eine Praxis in Flensburg betreibt, bieten auf ihrem Begegnungshof „Lebenswiese“ geschundenen Nutz- und Haustieren ein artgerechtes und entspanntes Leben. Und der Bedarf ist groß. „Wir waren noch mitten in der Umbau- und Renovierungsphase, da kamen schon die ersten in Not geratenen Schafe und Lämmer zu uns“, erzählt Heling. Seitdem haben sie zusätzlich zu vier bereits vorhandenen noch 25 weitere Tiere aufgenommen und aus den unterschiedlichsten Notlagen gerettet. „Mehr können wir auch erst einmal nicht aufnehmen, dafür reicht der Platz nicht“, sagt Katrin Wiese.

So leben elf sogenannte Hybridlegehennen aus Bodenhaltung jetzt ein glückliches Hühnerleben in Rabenholz, nachdem die beiden Frauen sie mit Hilfe des Vereins „Rettet das Huhn“ aus einem Massenbetrieb gerettet hatten. „Diese Tiere sind völlig überzüchtet und müssen täglich ein viel zu großes Ei aus sich herauspressen. Sie werden auf engstem Raum ohne Tageslicht und frische Luft mit hunderten Artgenossinnen gehalten“, erklärt Karoline Heling. „Bei den meisten Legehennen sind wegen Calciummangels die Brustbeine und andere Knochen gebrochen, sie haben Verletzungen, Entzündungen und offene Wunden am ganzen Körper.“

Hühner vom Legestress befreit

Auf dem Begegnungshof wurden die Hühner erst einmal aufgepäppelt und gesund gepflegt. Um den Legestress zu nehmen und das Eierlegen zu unterbinden, erhalten sie seitdem regelmäßig alle vier bis sechs Monate einen Hormonchip. „Nach einer Mauser wuchs ihnen dann ihr Gefieder wieder komplett nach und sie haben sich von nervösen Drama-Queens zu entspannten und selbstbewussten Hühnern verwandelt“, sagt Heling.

Ganz billig sei die Befreiung der Hühner vom Legestress allerdings nicht: „So ein Hormonchip kostet rund 120 Euro und wir brauchen regelmäßig elf Stück“, sagt Karoline Heling. „Dafür und auch für die Versorgung der anderen Tiere sind wir sehr auf Spenden angewiesen, auch über Futterspenden freuen wir uns sehr.“

Unterstützung durch Patenschaften und Spenden

Heling bietet deshalb auch Patenschaften für ihre Tiere an. „Die Paten können über Instagram und Facebook regelmäßige Updates ihrer Schützlinge verfolgen und sie erhalten auch eine Patenkunde“, erzählt Heling. „Das ist zwar viel zusätzliche Arbeit, aber es lohnt sich. Wir haben inzwischen für jedes Tier einen Paten gefunden“, freut sie sich.

Auf dem großzügigen Grundstück leben neben den elf Hennen noch drei Katzen, drei Hunde, sieben Schafe und fünf Kaninchen, die alle aus lebensbedrohlichen Lagen gerettet wurden. Spendeninformationen und die Rettungs-Geschichten zu jedem einzelnen Tier hat Karoline Heling auf ihrer Homepage www.begegnungshof-lebenswiese.de ausführlich beschrieben.

Es braucht viel Zeit und Geduld

Auch ihre Mutter steht begeistert hinter dem Projekt und ist besonders von der Verwandlung der Legehennen sehr berührt: „Ihre Transformation zu erleben, ist ein wahnsinniges Geschenk. Auch bei den anderen Tieren ist es so schön zu sehen, wie sie sich zunehmend entspannen und wohlfühlen. Und sie geben uns so viel zurück. Der Umgang mit ihnen erfüllt einen mit tiefer Ruhe, fast wie bei einer Meditation“, sagt Katrin Wiese. Das brauche aber viel Geduld und Zeit, ergänzt Karoline Heling, und das nötige Wissen, was die einzelnen Tiere benötigen und wie man mit ihnen umgehen sollte.

Den Tieren eine Stimme geben

Eine große Herausforderung seien bei der Aufnahme der oft alten und kranken Tiere die hohen Tierarztkosten. Außerdem sei es auch nicht einfach gewesen, Tierärzte zu finden, die sich mit den jeweiligen Tieren gut auskennen. „Männliche Milchschafe werden in der Regel aussortiert und geschlachtet. Da muss man erst einmal einen Arzt finden, der Erfahrung damit hat, ein männliches Lamm zu kastrieren“, erklärt Heling.

Sie selbst sei eigentlich ein Flensburger Stadtkind, erzählt sie. Aber sie habe immer mit Hunden und Katzen gelebt und schon lange davon geträumt, sich um Tiere zu kümmern, die sonst niemand mehr haben möchte und einen solchen Begegnungshof für Tiere und Menschen aufzubauen. „Wir möchten so den Tieren auch eine Stimme geben und auf ihr Schicksal aufmerksam machen“, sagt sie, „und zugleich traumatisierten Kindern einen behutsamen Weg zur Heilung anbieten.“

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