Digitale Schätze in Super-8

Bewegte Bilder aus dem alten Schleswig

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SHZ
Schleswig
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Dichter Verkehr auf der Flensburger Straße. Foto: Hansen/Gerdes Foto: 90037

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Der Kieler Filmemacher Kay Gerdes hat aus den alten Super-8-Filmen des Schleswigers Wilhelm Hansen einen bewegenden 40-minütigen Film mit Alltagsszenen aus dem Stadtleben der 50er- bis 70er-Jahre gemacht.

Der Milchmann kommt zweimal pro Woche und zapft die Milch in die mitgebrachten Kannen aus Blech. Die jungen Frauen stöpseln im Amt die Ferngespräche. Der Rentner holt seine Rente in bar beim Postamt ab. Der Bauer bringt das Heu mit dem Pferdewagen zu seinem Hof in der Friedrichstraße, hinter ihm stauen sich VW Käfer, Opel Kapitän und Mercedes-Benz 220 S. Szenen aus einem neuen Film mit alten bewegten Bildern aus Schleswig, der jetzt vorgestellt wurde und am Dienstag, 10. Mai, Premiere im Capitol-Kino hat.

Hansen hinterließ 600 Schmalfilme

Es ist ein echter Schatz, der da seit über 40 Jahren im Stadtmuseum schlummert. Der Schleswiger Wilhelm Hansen (1898-1978) war seit den 50er-Jahren leidenschaftlicher Hobbyfilmer im Format Super-8. Hansen hat aber keinesfalls nur Hochzeiten, Konfirmationen und Geburtstagsfeiern im Familienkreis gefilmt, sondern das Leben und die Geschehnisse in der Stadt.

In seinem Testament hatte er die Übereignung der sage und schreibe 600 Schmalfilme an die Stadt Schleswig festgelegt. Im Stadtmuseum wurden die nicht beschrifteten Filmrollen seitdem aufbewahrt. Seit vielen Jahren schon werden die Streifen sukzessive digitalisiert und mit Hilfe von Zeitzeugen auch zeitlich eingeordnet.


„Ich empfinde dieses Filmmaterial als großen Schatz“, freut sich Dörte Beier, Leiterin des Stadtmuseums. Bewahren, sichten, digitalisieren, zur Verfügung stellen – das seien ihre Aufgaben. Der Kieler Filmemacher Kay Gerdes hatte ein besonderes Interesse an dem historischen Filmmaterial, da er aus Schleswig stammt. Man habe ihm das Material gern zur Verfügung gestellt, so Dörte Beier.


Gerdes hat aus insgesamt 400 Stunden eine komprimierte Fassung von 40 Minuten zusammen geschnitten. Doch damit nicht genug: Da das Hansen-Material, wie damals üblich, ohne Ton war, hat er den Film musikalisch unterlegt und einen erklärenden Kommentar dazu gestellt. Und im Stile einer modernen TV-Doku kommen immer wieder auch Zeitzeugen zu Wort, darunter die frühere SN-Fotografin Eva Nagel und Alt-Bürgermeister Klaus Nielsky.

Die geben Erinnerungen zum Besten und erläutern die im Film festgehaltenen Geschehnisse. Eva Nagel: „Wenn ich als SN-Fotografin zu einem Ereignis geschickt wurde, war Wilhelm Hansen mit seiner Kamera immer schon da.“ Und Nielsky: „Er hat sich mit diesen Aufnahmen um die Stadt verdient gemacht.“

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Immer wieder hat Hansen fahrende Autos gefilmt, zum Beispiel in der Gottorfstraße. Bis in die 60er-Jahre hinein ging der gesamte Nord-Süd-Verkehr einschließlich der ersten Dänemark-Urlauber durch das Nadelöhr Friedrichstraße/Gottorfstraße – schwer vorstellbar heute. Ausführlich hat Hansen den Bau der Umgehungsstraße samt der Eingriffe in das Ökosystem Schlei dokumentiert. Spektakulär war der Einsturz der im Bau befindlichen Brücke über die Gottorfstraße.

Fäkalien flossen in die Schlei

Filmemacher Kay Gerdes zeigt die Idylle der 50er-Jahre, die angeblich so guten alten Zeiten, aber auch die Kehrseite. Das Abwasser wurde in den 50er-Jahren zum Teil noch eimerweise abgeholt. Nach der großen Wäsche kam das Waschwasser in den Rinnstein und floss ungeklärt in die Schlei – ebenso wie an Tagen mit Starkregen das mit Fäkalien durchzogene Abwasser aus der Kanalisation, die sich langsam überall durchsetzte. „Dann gab es Badeverbot im Luisenbad“, erinnert sich Klaus Nielsky.

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Am Dienstag, 10. Mai, wird der Film im Capitol-Kino ab 18 Uhr erstmals öffentlich gezeigt. Es gibt nur noch Restkarten. Danach folgen einige weitere Vorführungen am Dienstag, 17. Mai, ab 19 Uhr, am Sonntag, 22. Mai, ab 12 Uhr und am Sonnabend, 28. Mai, ebenfalls ab 12 Uhr.

Der Kartenvorverkauf erfolgt ausschließlich über das Capitol-Kino. Bei der Uraufführung am 10. Mai ab 18 Uhr ist der Filmemacher selbst anwesend und kommt im Anschluss der Filmvorführung mit dem Publikum ins Gespräch. Außerdem soll der Film ab 11. Juni im Stadtmuseum und bei der Premiere auf DVD erhältlich sein. Das Kino ist zu erreichen unter: 04621 20500

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