Inflation

Bioprodukte: So trifft die Krise Betriebe in SH

Bioprodukte: So trifft die Krise Betriebe in SH

Bioprodukte: So trifft die Krise Betriebe in SH

Frank Jung/shz.de
Kiel
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Bio-Ware hat es durch die Inflation beim Kunden schwerer als vorher. Foto: Sven Hoppe/dpa

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Durch die Inflation leisten sich weniger Verbraucher ökologische Erzeugnisse. Auf dem Ökolandbautag in Rendsburg benennen Branchenvertreter aus Schleswig-Holstein die Folgen und suchen nach Auswegen aus dem Tal.

In den ersten Monaten nach der Zeitenwende vor einem Jahr kamen zwar ungefähr noch ähnlich viele Kunden in den Hofladen wie vorher. „Doch statt für 50 Euro wie einst haben sie nur noch für 15 oder zehn Euro eingekauft“, erzählt Joachim Becker. Wohl eher aus Mitleid heraus seien die Leute überhaupt noch gekommen, vermutet der Bio-Milchviehhalter. Doch was gut gemeint sein mochte, rechnete sich natürlich nicht mehr: Im letzten Juli hat Becker seinen Laden in Ottenbüttel nördlich von Itzehoe geschlossen.

Das ist ein Schlaglicht von vielen, die auf dem Schleswig-Holsteinischen Ökolandbautag in Rendsburg eine für die Branche neue Erfahrung illustriert haben: Das einst so verlässliche allmähliche Wachstum für Bio-Lebensmittel erlebt durch die Inflation der Verbraucherpreise einen Knick. Rund 200 Erzeuger und Verarbeiter diskutierten aus diesem Anlass über die Krise.

Verbraucherverhalten und Landespolitik im Widerspruch

Als „ehrgeizig“ bezeichnete Agrarminister Werner Schwarz (CDU) mit Blick auf die gegenwärtige Bio-Delle das Ziel des Koalitionsvertrags, die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe in Schleswig-Holstein binnen fünf Jahren zu verdoppeln. Das würde einen Anteil von 14 Prozent an allen Bauernhöfen bedeuten. „Es ist daher wichtig, stärker von der Nachfrageseite aus zu denken“, sagte Schwarz. Beitrag seines Ressorts dazu ist ein Runder Tisch Ökolandbau, der erstmals Ende März tagen wird.

Deutlich wurde, dass alle Sparten betroffen sind. „Vor allem auf Edelteilen wie Filets oder Rumpsteaks bleiben wir hängen“, berichtete Gerd Kämmer vom Verein Bunde Wischen aus Schleswig. Er lässt landesweit große Bestände an Galloway-Rindern weiden.

Klaus Lorenzen von der Lübecker Genossenschaft Landwege verzeichnet in seinen fünf Bio-Supermärkten im Vergleich zum Vorjahr zwölf Prozent weniger Umsatz. Dass es nicht mehr ist, führt er allein auf die besondere Firmenkonstruktion zurück: „Als Genossenschaft haben wir viele Hardcore-Kunden. Die wechseln nicht so ohne Weiteres in den Supermarkt.“

So sieht es im Naturkosthandel aus

Der normale Naturkostfachhandel zumindest „hat es schwer“, sagte Jan Bolten vom Großhandel Grell Naturkost aus Kaltenkirchen. Noch „überraschend gut“ laufe eine besonders günstige „Preiseinstiegemarke“. Seine Firma bringe diese nun verstärkt in Biomärkten unter. Dadurch werde Kunden ein noch vergleichsweise geringer Preisabstand zu konventionellen Mitbewerbern vermittelt.

Skepsis über Mehrwertsteuer-Senkung

Rainer Carstens, Chef des Westhofs bei Büsum und einer der größten ökologischen Gemüseanbauer in Schleswig-Holstein, stellte fest: Generell sei es „schwierig“, die erhöhten Kosten in der Produktionskette „am Markt wiederzubekommen“. Neben der Energie seien auch die gerade in seinem Segment zahlreichen saisonal bedingten Aushilfskräfte teurer geworden. Und man dürfe in der Gesamtbetrachtung nicht vergessen: In der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse schlage die Energiepreis-Explosion noch einmal deutlich mehr zu Buche als in der Landwirtschaft selbst. Beides addiere sich im Ladenpreis. Die Idee, die Mehrwertsteuer auf Bioprodukte zu senken, sieht Carstens skeptisch: „Deswegen hat der Unternehmer nicht mehr Geld in der Tasche.“

Blick nach Dänemark

Lösungansätze zeichneten sich eher spärlich ab. Mehrfach wurde die Hoffnung auf mehr Abnehmer von Bioprodukten in Kantinen nach dänischem Vorbild genannt. Wie das ohne klare politische Vorgaben dazu wie im Nachbarland gehen soll, blieb jedoch offen.

Gentechnik-Freiheit als stärkeres Argument

Mit die konkretesten Vorschläge hatte Louisa von Münchhausen von der Handelsgesellschaft Gut Rosenkrantz aus Neumünster im Gepäck: Öko-Anbauer müssten als Argument noch stärker jeglichen Verzicht auf Gentechnik herausstellen. Das gewinne an Schlagkraft angesichts von Plänen auf EU-Ebene, Kennzeichnungspflichten für Gentechnik zu lockern.

Nachfrage nach Leguminosen aus dem Inland

Zudem sieht von Münchhausen in Schleswig-Holstein ein unausgeschöpftes Potential für den Anbau von Leguminosen. Das sind Zwischenfrüchte, die einerseits der Durchlüftung des Ackerbodens dienen und andererseits eiweißhaltig sind. Sowohl als Tierfutter als auch als Fleischersatz für den menschlichen Verzehr seien sie deshalb geeignet. Heute lasse sich die Nachfrage nur durch Importe aus dem Ausland decken.

Vielleicht rege Ideen wie diese ja viele Branchenakteure nach dem Ökolandbautag zum Nachdenken an. Frei nach der Devise, die Joachim Becker trotz seines geschlossenen Hofladens optimistisch ausgab: „Nicht als Krise, sondern als Wachstumspause“ solle man die Lage begreifen. „Gerade in solchen Phasen ist die Chance da, dass sich Innovation bildet.“

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