Birte Maskallis Zitronen machen Praktika, gehen Baumklettern und essen Kekse

Birte Maskallis Zitronen machen Praktika, gehen Baumklettern und essen Kekse

Birte Maskallis Zitronen machen Praktika, gehen Baumklettern und essen Kekse

Karin Lubowski
Zuletzt aktualisiert um:
Birte Maskallis macht Zitronen zu Instagram-Stars. Foto: Staudt

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Diese Zitrusfrüchte reisen, amüsieren sich im Fotoautomaten und machen sogar Praktika. 56.000 Menschen folgen dem Hamburger Instagram-Account @wohnenmitzitronen.

Zitrone ist Zitrone? Von wegen! Es gibt die verschmitzten und die verträumten, die kecken und die sanftmütigen. Glauben Sie nicht? Dann werfen Sie mal einen Blick in die Zitronen-WG der Hamburgerin Birte Maskallis. Sie versieht die Früchtchen mit Glasaugen und geht mit ihnen zur Freude einer stetig wachsenden Fangemeinde auf Entdeckungsreisen in die seltsame Welt der Menschen.

Wenn das Leben dir Zitronen gibt … „dann gründe eine WG mit ihnen“. Birte Maskallis hat den Rat, Limonade aus den Früchten zu machen, abgewandelt und hält stattdessen lieber per Foto und Video fest, was die Mitglieder ihrer Wohngemeinschaft erleben, lässt sie reisen, Kekse knabbern, sich in einem Fotoautomaten amüsieren, Praktika machen. Mehr als 56.000 Fans verfolgen die Geschichten inzwischen auf Instagram (@wohnenmitzitronen) und seit April tummeln sich die fröhlichen Zitrusfrüchte auch auf YouTube.

Zitronikum beim Baumkletterer und beim Eishockeytraining

Heute ist Birte Maskallis mit zwei ihrer WG-Bewohner mal wieder zu Besuch auf einer Alsterbarkasse, wo ihre Mitbewohner vor einiger Zeit ein Praktikum oder vielmehr ein Zitronikum im Fahrstand absolvierten. Sie waren auch schon mit einem Baumkletterer auf einer Eiche unterwegs, haben eine Buchbinderin besucht (und mit ihr ein Album in Zitronengröße gebunden), waren in einer Töpferei, einer Bücherhalle, beim Eishockeytraining, backstage beim Musical „Die Eiskönigin“ und bei einem NDR-Podcast dabei. Demnächst geht es in ein Friseurgeschäft – spannende Sache für haarlose Geschöpfe.

Und davon kann man leben? Diese Frage hört Birte Maskallis ungefähr genauso häufig wie die danach, wie man auf solche Ideen kommt. Bei Frage eins bleibt sie charmant im Ungewissen, spricht von harter Arbeit und davon, dass alles noch im Aufbau sei. „Neue Praktikumsplätze gesucht!“ heißt es auf ihrer Internet-Seite wohnenmitzitronen.de. Ein Zitronikum ist eine Werbe- oder Image-Kooperation, mit der sie Geld verdient. Die Redewendung, jemand habe mit Zitronen gehandelt, gerät dabei in ein gänzlich anderes Licht.

Auf Ideen jedweder kreativer Art kommt die Hamburgerin indessen seit jeher. „Meine frühere Kunstlehrerin könnte das bestätigen“, sagt sie. „Doch nach der Schule wusste ich dann nicht, wie und was genau ich damit und daraus machen soll.“ Also ging sie beruflich auf Nummer sicher und arbeitete bis vor kurzem in einem „Großraumbüro bei Zahlen und Computern“. Die Lust am kreativen Machen aber blieb und irgendwann hatte sie krummes Obst und Gemüse im Blick. Eher zufällig habe sie entdeckt, dass sich vor allem aus ungewöhnlichen Wuchsformen mittels Glasaugen Persönlichkeiten herausbilden ließen. Aubergine, Sellerie, Möhre, Gurke – Zitrone. Die sei die einzige Frucht, die lächeln könne, sagt sie und zeigt auf die Knickfalte unter der Nase. Tatsächlich …

Die Urzitrone entstand 2016

„Urzitrone“ nennt sie, was 2016 entstand. Zunächst war die Welt der Zitronen leer. Doch nach und nach entstand Mobiliar, ein Boot, Mützen, Brillen, Arbeitsgerätschaften, sogar Kekse und Sushi in Zitronengröße, das allermeiste selbstgebaut, selbstgenäht, selbst zubereitet in detailverliebter Kleinstarbeit. Die Zitronen haben eine Visitenkarte mit Nasenabdrücken und der – natürlich selbstgebaute – Fotoautomat spuckt winzige Schnappschüsse aus.

Ihre Zaubertricks verrät Birte nicht

Wie sie das alles fertig bringt und mit welchen Materialien genau, behält sie für sich. „Das ist wie bei einem Zaubertrick. Wenn der verraten wird, ist der Zauber dahin“, sagt sie. Die Ideen laufen ihr zu, „sie kommen, wenn ich in Bewegung bin“, beim Spaziergang alleine oder mit Hund. Verrückte Ideen darunter, solche, die sie als zu absurd verwerfe – zunächst, denn oftmals seien das die, aus denen die besten Geschichten entstehen. Aber, und das ihr wichtig zu sagen, im Alleingang hätte sich die Zitronen-WG niemals so entwickelt. Aus ihrer Fangemeinde kommen fortwährend Ideen und auch Bastelarbeiten, die die Zitronen-WG voranbringen.

Jedenfalls war das Projekt irgendwann so weit gediehen, dass sie nach einigem Zögern und vielen Bedenken ihren sicheren Bürojob aufgab und sich nun ganz ihrer bunten Wohngemeinschaft widmet. Sie macht, was sie liebt. „Ich bin jetzt ich“, sagt Birte Maskallis, fügt aber auch an, dass sie als selbstständige Künstlerin mehr als zuvor arbeitet – selbst und ständig eben. Gerade bereitet sie eine kleine Ausstellung mit Fotos aus ihrer Zitronen-WG vor, die im Barmbeker Restaurant „LüttLiv“ zu sehen sein soll. Und dann erzählt sie von ihrem Traum: „Ein Atelier in Barmbek, eine ,Obstbude‘, in der mich Menschen auch besuchen können.“

Zitrusfrüchte-Casting im Supermarkt

Natürlich ist auch der Einkauf im Supermarkt nicht einfach ein Einkauf. In der Obst- und Gemüseabteilung werden Zitrusfrüchte gecastet. Die Nase muss ausgeprägt, darf aber nicht zu groß sein. Und ja: Ein Lächeln darunter ist unbedingt erwünscht. Zum gelben Kameraden gesellt sich ein grünlicher. „Die Menschen sehen ja auch nicht alle gleich aus“, erklärt Birte Maskallis ihre Auswahl. Entsprechend sind die einen blau-, die anderen grün- und die dritten braunäugig. Zwei bis drei Zitronen braucht sie pro Woche. Wer altersbedingt aus der WG ausziehen muss, landet nicht etwa im Biomüll. „Mein Mann kocht gern und viel“, sagt Birte Maskallis. Worte wie „Messer“, „Zestenreißer“ oder „Zitruspresse“ fallen nicht.

„Moin Birte!“ ruft es von einer der Alsterbarkassen. Seit dem Zitronikum sind Birte und ihre bunten Mitbewohner hier gern gesehene Besucher, die auch den Passagieren – typische und schier unvermeidliche Reaktion – ein Lächeln auf die Gesichter zaubern. Sauer macht lustig, vor allem, wenn Knopfaugen über Gnubbelnasen im Spiel sind. Was die Betrachter hineininterpretieren in die unbekümmerten Wesen, bleibt jedem selbst überlassen. Für Birte Maskallis sind sie jungen Menschen ähnlich, die neugierig die Welt entdecken „und den Abwasch nicht nur als lästig empfinden, sondern sich am Schaum freuen können“.

Die Unbeschwertheit überträgt sich auf die Community. An negative Kommentare kann Birte Maskallis sich kaum erinnern, bestenfalls falle mal die kritische Frage, welchen Sinn das Ganze habe. Typische Rückmeldung sei vielmehr ein „Das holt mich total runter“ oder „Dabei bekomme ich den Kopf frei“ oder einfach „Danke“.

Wie fast überall, wo sie geht und steht, hat Birte Maskallis auch am Anleger Jungfernstieg Zitronen dabei. Sie will von hier weiterziehen, nach schönen Plätzen für Fotos und Geschichten Ausschau halten, so wie sie auf dem Hamburger Dom, vor dem Michel, bei der Bronze-Plastik der Zitronenjette entstanden sind. Auch im Disneyland Paris war die WG schon und in Israel, einem Land, wo die Zitronen blühn. Noch auf dem Programm: eine WG-Reise ins südliche Europa.

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