Erneuerbare Energien

Bremsen Radaranlagen den Windkraftausbau in Schleswig-Holstein aus?

Bremsen Radaranlagen den Windkraftausbau in Schleswig-Holstein aus?

Bremsen Radaranlagen den Windkraftausbau in SH aus?

Henning Baethge/shz.de
Kiel
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Landesverteidigungsradar in Brekendorf: Dürfen Im Umkreis von 50 Kilometern bald keine neuen Windräder mehr entstehen? Foto: Susanne Karkossa-Schwarz/shz.de

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Um die Landesverteidigung zu stärken, will die Ampelkoalition der Bundeswehr mehr Vetorechte gegen neue Windräder einräumen. Warum Schleswig-Holstein besonders stark betroffen wäre.

Der schwarz-grünen Landesregierung in Kiel droht ein schwerer Rückschlag beim geplanten Ausbau der Windkraft: Ein neuer Gesetzentwurf der Berliner Ampelkoalition sieht vor, dass die Bundeswehr künftig auf weiten Teilen von Flächen den Bau neuer Windräder verhindern kann. Das jedenfalls befürchtet der schleswig-holsteinische Landesverband Erneuerbare Energien, kurz LEE.

„Käme das Gesetz, würde das zum absoluten Stillstand des Windkraftausbaus im Land führen oder zumindest zu massiven Verzögerungen“, warnt Verbandschef Marcus Hrach gegenüber shz.de.

Russlands Überfall auf die Ukraine hat die Lage verändert

Mit dem neuen Gesetz will Bundesverkehrsminister Volker Wissing eigentlich die Genehmigungen für Straßen- und Schienenbauprojekte beschleunigen. Dass der FDP-Mann daneben auch der Bundeswehr erleichterte Veto-Möglichkeiten gegen Windräder einräumt, liegt an der neuen Sicherheitslage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Denn nun will die Ampelkoalition die Landesverteidigung stärken und die dazu errichteten Radaranlagen der Bundeswehr besser vor Beeinträchtigungen schützen – auch mit Zustimmung des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck.

„Bauwerke dürfen nicht errichtet werden, wenn dadurch stationäre militärische Einrichtungen zur Kontrolle des Flugbetriebs gestört werden könnten“, heißt es daher im Gesetzentwurf. Und da die Bundeswehr 18 solcher Anlagen betreibt und Störungen in einem Radius von 50 Kilometern um die Radare für möglich hält und prüft, droht nach Berechnungen des Windenergie-Bundesverbands BWE ein Drittel der Flächen in Deutschland zur Tabuzone für neue Windräder zu werden – und in Schleswig-Holstein sogar mehr als die Hälfte, nämlich 57 Prozent. Mehr sind es nur im Saarland.

Gleich zwei Radaranlagen wirken sich im Norden aus

Grund für die erheblichen Auswirkungen in Schleswig-Holstein ist die zentrale Lage des Landesverteidigungsradars in Brekendorf zwischen Rendsburg und Schleswig. Würden hier im Umkreis von 50 Kilometern keine Windräder mehr genehmigt, fielen die Kreise Rendsburg.-Eckernförde und Schleswig-Flensburg für den Ausbau der Windenergie fast komplett aus.

Da zudem auch der Sperrkreis um das Verteidigungsradar im mecklenburgischen Elmenhorst bis nach Schleswig-Holstein reicht, würden auch weite Teile Ostholsteins zum Tabugebiet (siehe Karte).

Zwar bedeutet der übliche Prüfradius von 50 Kilometern nicht zwangsläufig, dass das Militär in dem betroffenen Gebiet gar keine neuen Windräder mehr akzeptieren wird. Auch genießen alte Anlagen Bestandsschutz. Doch die Windbranche ist beunruhigt – nicht zuletzt deshalb, weil die Bundeswehr mögliche Beeinträchtigungen der Radars durch Windräder künftig nicht mal beweisen muss. „Eine Störung muss nur noch angenommen werden, nicht nachgewiesen“, kritisiert LEE-Chef Hrach.

Windbranche will eine Streichung der neuen Regel

Er fordert daher ebenso wie sein Bundesverband BWE, dass die Sonderregel für die Landesverteidigungsradare wieder aus dem Gesetz gestrichen wird.  „Der Gesetzgeber darf hier nicht in die Radarfalle tappen und die Zubauziele mit einer überflüssigen Regelung derart torpedieren“, wettert BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.

Land ist „unglücklich“ über Gesetzespläne des Bundes

In Schleswig-Holsteins schwarz-grüner Landesregierung ist man ebenfalls „unglücklich“ über die Gesetzespläne der Ampel – allerdings zunächst vor allem darüber, dass die neue Regelung zugunsten der Bundeswehr „erst nachträglich eingefügt wurde“, wie die für die Flächenplanung zuständige Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack moniert. „Dadurch konnte sich Schleswig-Holstein im Rahmen der Länderanhörung bisher nicht damit befassen und mögliche Bedenken anmelden.“

Die Koalition in Kiel will die Windkraftleistung im Land bis 2030 von derzeit 8 Gigawatt auf 15 ausbauen und dazu statt bisher zwei Prozent der Landesfläche drei Prozent für Windräder bereitstellen. Dazu überarbeitet CDU-Politikerin Sütterlin-Waack gerade die Regionalpläne für die Windenergie. Müsste sie dabei nun die potenziellen Tabugebiete ausschließen, wären die Ziele kaum zu erreichen.

Zwar äußert sich die Ministerin zu den konkreten Plänen des Bundes noch nicht. Doch setzt sie grundsätzlich weiter auf gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, deren Interessen sie bisher immer berücksichtigt habe. „Wir werden im Zuge der Neuaufstellung der Pläne wieder frühzeitig mit der Bundeswehr in den Austausch treten“, sagt Sütterlin-Waack. So will sie „Flächenverluste zum Beispiel durch Radaranlagen auf das Allernotwendigste zu begrenzen“.

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