Kriminalität

BWL-Studenten sollen mit Corona-Tests 14.500 Euro ergaunert haben

BWL-Studenten sollen mit Corona-Tests 14.500 Euro ergaunert haben

BWL-Studenten sollen mit Corona-Tests Geld ergaunert haben

Eckard Gehm/shz.de
Lübeck
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Der Tag der Razzia: Ein Ermittler spricht mit Samuel D., der Akten auf den Tresen gestellt hat. Hinter dem Beamten steht „Dr.“ Anna L. Foto: Holger Kröger/shz.de

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Sie sollen Corona-Tests im Labor vorgetäuscht und einfach negative Bescheinigungen ausgestellt haben. In Lübeck hat der Prozess gegen eine junge Frau und ihren Ex-Freund begonnen.

Um die ganze Sache glaubwürdig zu machen, hatte sich die Angeklagte selbst einen Doktortitel verliehen. Der zieht sich hartnäckig durch die Ermittlungsakten, steht nun sogar auf dem Aushang vor dem Saal C1 des Lübecker Amtsgerichts, mit dem der Prozess gegen „Dr.“ Anna L. (22) und ihren Ex-Freund Samuel D. (23) offiziell angekündigt wird.

Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-Pärchen gewerbsmäßigen Betrug vor

Anna L. ist keine Ärztin, die junge Frau aus Odessa (Ukraine) studiert an der Berliner Humboldt-Universität Betriebswirtschaft, ebenso wie ihr ehemaliger Lebensgefährte. Die Staatsanwaltschaft wirft beiden gewerbsmäßigen Betrug vor. Im März 2021 hatten sie in der Lübecker Innenstadt ein Corona-Testzentrum eröffnet, sollen Abstriche aber gar nicht untersucht haben.

Per Mail wurde das negative Testergebnis mitgeteilt

Der Staatsanwalt: „Per Mail wurde ein negatives Testergebnis mitgeteilt, unterschrieben von dem angeblich auswertenden Arzt.“ Es geht um 156 Fälle von PCR- und Antikörper-Tests, bei denen nur im Labor Virus-Erbgut oder Antikörper nachgewiesen werden können. Nicht klären konnte die Kripo, ob die ebenfalls angebotenen Antigen-Schnelltests wirklich erfolgten oder auch einfach nur negativ beschieden wurden.

Die PCR-Tests ließen sich die Angklagten mit 119,90 Euro bezahlen, die Antikörper-Tests mit 69,90 Euro. In nur einer Woche sollen beide laut Staatsanwaltschaft knapp 14.500 Euro ergaunert haben, dann rückte die Polizei zur Razzia an.

Angeklagte: „Ich habe an etwas Schrecklichem mitgewirkt“

Anna L. lässt ihren Verteidiger eine Erklärung verlesen: „Ich habe an etwas Schrecklichem mitgewirkt, durch meine Liebe war ich wohl verblendet.“ In einem zweistündigen Kursus hätten sie gelernt, Abstriche zu nehmen, im Januar 2021 in Berlin in einem Testzentrum gearbeitet. In seiner Heimatstadt Lübeck habe Samuel D. dann ein eigenes Testzentrum eröffnen wollen. „Dabei habe ich ihn unentgeltlich unterstützt.“

Das Problem laut Anna L.: „Wir wurden förmlich überrannt, arbeiteten 20 Stunden am Tag. Als dann das Berliner Labor, mit dem wir eine Kooperation zu den PCR- und Antikörpertests vereinbart hatten, die Zusammenarbeit aufgekündigt hat, lief alles aus dem Ruder.“ Die negative Bescheide habe man aber nicht einfach so verschickt, sondern die kostenpflichtigen Abstriche per Antigen-Schnelltest überprüft.

Angeklagter bestreitet Betrugsabsicht

Samuel D., geboren in Moskau, lässt erklären: „Ich hatte mich entschieden, die bereits über ,ticket.io‘ gebuchten Termine nicht zu stornieren, weil ich glaubte, schnell ein neues qualifiziertes Labor zu finden.“ Und er versichert: „Wir hatten keine Betrugsabsicht.“

Arzt aus Palästina digitalisierte in der Hoffnung auf einen Job seine Unterschrift

Doch stimmt das? Als Zeuge wird Arzt Nasser A. (31) gehört, Flüchtling aus Palästina. Er unterschrieb einen Vertrag als „ärztliche Aufsicht“ des Testzentrums. „Nachdem ich meine digitalisierte Unterschrift zugesendet hatte, hörte ich nie wieder etwas“, sagt er.

In den Bescheinigungen, die Kunden des Testzentrums erhielten, findet sich neben der Unterschrift von „Dr.“ Anna L. auch sein Name als „auswertender Arzt.“

Pärchen trennte sich, nachdem der Betrug aufgeflogen war

Die Liebe des Paares hat die Betrugsermittlungen nicht überstanden. Man habe sich mittlerweile getrennt, lässt Anna ihren Verteidiger erklären.

Der Prozess wird am 10. Oktober fortgesetzt.

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