Aussegnungsfeier

Damit Verstorbene ohne Familie nicht allein den letzten Weg gehen

Damit Verstorbene ohne Familie nicht allein den letzten Weg gehen

Damit Verstorbene ohne Familie nicht allein den letzten Weg

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Seit 2006 gibt es die Aussegnungsfeier auf dem Friedhof Friedenshügel. Edgar Nordmann gehört zum ehrenamtlichen Team, das die Initiative in die Tat umsetzt. Foto: Antje Walther/shz.de

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Etwa vierteljährlich finden in Flensburg Aussegnungsfeiern auf dem Friedenshügel für Verstorbene ohne Angehörige statt. Seit fünf Jahren werden der Termin und die Namen der Toten auch bekannt gegeben.

Immer mehr Menschen treten ein in die Kapelle auf dem Friedhof Friedenshügel in Flensburg, einzelne, Paare, kleine Gruppen. Unter den rund 60 Gästen der Aussegnungsfeier an diesem frühen Dienstagmorgen sind sehr viele junge Leute. Alle erhalten Liedzettel und nehmen in den Reihen Platz.

Draußen ist es noch dunkel und bitterkalt. Drinnen liegt Stille unter der riesigen Kuppel des Sakralbaus im Heimatschutzstil. Kerzen brennen. Vorn im Zentrum stehen zwölf Urnen auf einem von Samtstoff ummantelten Podest. Schließlich erklingt sanfte Musik: „You‘ll never walk alone.“

Bestattung auf Veranlassung der Ordnungsbehörde

Niemand wird, niemand soll allein gehen: Auch diejenigen Verstorbenen, deren Angehörige nicht ermittelt werden können oder die keine Vorsorge getroffen haben für ihr Ableben, werden auf ihrem letzten Weg begleitet. Die Ordnungsbehörde der Stadt veranlasst in einem solchen Fall die Bestattung auf dem Friedhof Friedenshügel.

Die Zeremonie hat die evangelisch-methodistische Kirchengemeinde in Flensburg in die Hand genommen, und zwar schon seit 2006. Edgar Nordmann, einer der Ehrenamtler, berichtet, dass sich die Mitglieder der kleinen Gemeinde seinerzeit dieses Projekt zu anonymen Bestattungen überlegt haben, weil sie fanden, dass hier eine „große Lücke“ klaffte. Gemeinsam mit einem Pastoren entwickelten sie das Konzept, erinnert sich der 46-jährige Nordmann, „so dass wir das auch als Laien durchführen können“.

Gottes Segen für Verstorbene

Mit kräftiger, unaufgeregter Stimme beginnt er die Aussegnungsfeier. Man wolle heute von zwölf Menschen Abschied nehmen und „für sie um Gottes Segen bitten“, sagt Nordmann. Er nimmt eine Liste zur Hand, liest jeden einzelnen Namen der Verstorbenen vor, wann und wo sie geboren wurden, wann sie gestorben sind und wo sie zuletzt gewohnt haben.

Der jüngste Verstorbene, Diego Antonio Schreiber, war Jahrgang 2002. Er lebte in einer betreuten Wohneinrichtung und wurde gerade mal 20, sagt der Trauerredner. Viele der jüngeren Gäste sind seinetwegen hier und werden später eine Tulpe für ihn ablegen.

Namensliste und Termin auf der Website der Stadt Flensburg

Zunächst trägt Edgar Nordmann einen Bibelvers vor, dann wird gemeinsam gesungen. Schließlich spricht er den Segen für die Verstorbenen, nennt erneut die Namen.

Erst seit fünf Jahren wird die Namensliste mit Geburtsdatum und Sterbedatum sowie der Termin der Aussegnungsfeier auf der Website der Stadt veröffentlicht. Die Mitglieder des Ausschusses für Bürgerservice, Schutz und Ordnung hatten sich in der Sitzung am 30. Januar 2019 darauf verständigt; alle Fraktionen zogen an einem Strang. Treibende Kraft der Initiative damals war nach Einschätzung des heutigen Ausschussvorsitzenden Karsten Sörensen der linke Abgeordnete Frank Hamann.

Auslöser war der plötzliche Tod eines Fraktionsmitglieds der Linken, erinnert sich Sörensen und, dass es kaum möglich gewesen sei, den Termin zur Bestattung zu erfahren. Hinterbliebene hätten so keine Möglichkeit, Abschied zu nehmen. „Das kann nicht angehen. Wir haben das Verfahren hinterfragt“, sagt Sörensen. Etwa ein Jahr brauchte es, um die datenschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen.

Vaterunser und Glockenläuten

Die Aussegnung in der Kapelle auf dem Friedenshügel für zwölf verstorbene Männer und Frauen geht an diesem Dienstagmorgen mit einem gemeinsamen Vaterunser und dem Glockenläuten allmählich zu Ende. Edgar Nordmann und Helfer von Kirche und Friedhofsverwaltung tragen gemessenen Schrittes die Urnen nach draußen. Inzwischen ist die Sonne aufgegangen. Der Tross der Trauernden setzt sich leise zum Urnenfeld in Bewegung. Unter großen Kiefern folgen Worte des Trosts, Tulpen, Kränze und das Lied einer Flötistin.

Eine ältere Dame ist für ihre verstorbene Freundin hier. Die Aussegnung findet sie sehr „würdig“, sagt sie und glaubt: „Das wird immer mehr mit der Einsamkeit.“ Ein junger Mann bleibt noch länger stehen bei den Urnen, die Tränen rinnen über sein Gesicht.

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