Überschwemmungen nehmen zu

Darum bedroht der Klimawandel das nördliche Nordfriesland

Darum bedroht der Klimawandel das nördliche Nordfriesland

Darum bedroht der Klimawandel das nördliche Nordfriesland

SHZ
Risum-Lindholm
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Auch das gehört zu den Aufgaben des Verbands: Der alte Sielzug bei Emmelsbüll in Richtung Südwesthörn wird entschlammt, damit Wasser besser abfließen kann. Foto: Deich- und Hauptsielverband Südwesthörn Bongsiel / SHZ

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Hohe Deiche allein reichen nicht aus, um das Marschland in Nordfriesland vor Überflutungen zu schützen. Auch die Entwässerung ins Meer über Schöpfwerke und Speicherbecken muss funktionieren.

Bis zum Jahr 2100 ist laut Laut IPPC-Bericht der Vereinten Nationen mit einem Meeresspiegelanstieg zwischen 0,28 und 1,10 Metern zu rechnen. Deiche werden daher erhöht und verstärkt, Klimadeiche mit entsprechenden Ausbau-Reserven werden wie in Dagebüll gebaut.

Doch Thies Horn, Geschäftsführer des Deich- und Hauptsielverbands Südwesthörn-Bongsiel warnt: „Die Deiche zu erhöhen, reicht nicht aus, wir müssen aufpassen, dass wir nicht von innen her absaufen.“ Das Risiko dafür steige durch die Folgen des Klimawandels, die Zunahme von Starkregen, Sturmfluten und den Anstieg des Meeresspiegels.

Thies Horn nennt das besondere Risiko für das 50.000 Hektar große Verbandsgebiet, das von der dänischen Grenze bis nach Langenhorn reicht: „Ein Drittel dieses Gebietes liegt unter dem Meeresspiegel, der Rest nur kaum darüber, 95 Prozent der Fläche müssen wir künstlich entwässern.“


In der nördlichen Hälfte des Gebietes erfolgt dies vor allem durch Schöpfwerke, im südlichen Bereich wird das Wasser in Speicherbecken geleitet. „Ohne eine effektive Entwässerung könnten im nördlichen Nordfriesland weder Menschen noch Nutztiere leben“, betont der Experte.

Doch die Herausforderungen dafür steigen durch den Klimawandel. „Es gibt kein Jahr mehr, in dem es nicht dazu kommt, dass alle Schöpfwerke laufen und die Speicherbecken geöffnet werden müssen“, sagt Thies Horn. Zunehmende Starkregenfälle lassen dann die Auen zu Flüssen oder gar einer Seenlandschaft anschwellen.


Vor allem, wenn gleichzeitig eine Sturmflut oder ein extremes Hochwasser gegen die Deiche drückt. Denn dann ist ein Abfluss durch die Sieltore in die Nordsee nicht möglich, da Druck und Wasserstand seeseits zu hoch sind. Folge: Im Binnenland steigt das Wasser. „Die Sielschlusszeiten nehmen durch die Folgen des Klimawandels zu. Die Zeiten, in denen wir Wasser aus dem Binnenland loswerden können, werden kürzer“, sagt Thies Horn.

Folgen können die Brüche von Binnendeichen sein, wie vor wenigen Jahren an der der Süderau, die entlang der Grenze zu Dänemark bis in die Nordsee verläuft. Mit allen verfügbaren Kräften der Feuerwehr wurde der Deich damals mit Sandsäcken gesichert.

Der Neubau eines Deiches an der Süderau ist derzeit denn auch das größte Projekt für den Deich- und Hauptsielverband Südwesthörn-Bongsiel.

Zwischen der Bahnstrecke Niebüll – Tondern und der Bundesstraße 5 soll der 2500 Meter lange Deich entstehen – und mit ihm eine Hochwasser-Retentionsfläche, die zur naturschutzfachlichen Entwicklung des Gebietes beitragen soll. Dieses befindet sich zwischen Süderlügum und Tønder.

Zeit gewinnen durch Polder

Diese Fläche soll als Fortsetzung der Erweiterung des Haasberger Sees und somit der Schaffung von zusätzlichem Speicherraum bei Hochwasser betrachtet werden. „Durch solche Polder gewinnen wir extremen Wetterlagen Zeit“, sagt Theis Horn. Die Planungen sollen bald abgeschlossen sein. Rund 20.000 Kubikmeter Ober- und Kleiboden sollen für den Deichbau bewegt werden.


Aber auch in die 32 Schöpfwerke, die zum großen Teil aus den 50-er und 60-er Jahren stammen, wird permanent investiert, in der Regel werden zwei von ihnen jedes Jahr saniert, deren Elektrik und Pumpen erneuert. „In diesem Jahr haben wir beispielsweise in das Schöpfwerk Ockholm rund 200.000 Euro investiert“, sagt Thies Horn.

Hohe Stromkosten für Hochwasserschutz

Danach sei auch dort eine Fernsteuerung der Anlage möglich. „Wir müssen vorausschauend planen und investieren. Wir können nicht erst tätig werden, wenn eine Pumpe kaputt ist, denn das könnte fatale Folgen bei gewissen Wetterlagen haben“, sagt der Geschäftsführer.

Viel Geld braucht der Verband auch für Strom, denn: „Einen Millimeter Regen ins Meer zu pumpen, kostet knapp 1000 Euro Strom“, sagt der Entwässerungsexperte. Tendenz steigend durch die Erhöhung der Netzentgelte und des Energiepreises sowie der EEG-Absenkung.

Auch dieses rechnet der Deich- und Hauptsielverband mit einer Jahres-Niederschlagsmenge von 900 bis 1000 Millimetern, 666 Millimeter seien bisher erreicht. Aber die Regen- und Sturmzeit beginne gerade erst. „Wir sind gut vorbereitet, alle Schöpfwerke sind überprüft, die Wasserstände in den Speicherbecken wurden abgesenkt“, sagt Thies Horn.

Baugebiete nicht zu dicht an Wasserläufen planen

Wäre ein Extrem-Hochwasser wie in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz und Nordrheinwestfalen auch in Nordfriesland denkbar? „Von den Niederschlagsmengen schon, aber zum Glück haben wir eine andere Topographie, hier könnte sich niemals so hohe Flutwellen, die alles mitreißen, auftürmen“, sagt Thies Horn.

Dennoch würde er sich wünschen, dass zum Beispiel bei der Ausweisung von Baugebieten künftig stärker auf die Entwässerungs-Experten gehört wird, denn: „Da wird in einigen Gemeinden schon sehr dicht ran an Auen geplant, die auch mal über ihre Ufer treten könnten."

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